Was ihm als Sportdirektor wichtig ist? Da muss Benjamin Weber nicht lange überlegen: Kommunikation. „Das klingt banal, ist aber aus meiner Sicht essenziell in einem Geschäft, in dem du mit vielen Menschen, ob Spielern, Trainern, Mitarbeitern oder Fans zu tun hast, das sehr medial ist und in dem auch die Boulevardpresse gerade in Berlin eine große Präsenz besitzt.“ Dass ihm etwas am Dialog liegt, glaubt man sofort. Der Mann mit den dunklen Haaren und dem offenen Lächeln wirkt nahbar, spricht auf Augenhöhe. Fragen beantwortet er auf den Punkt, gibt aber auch dem Gegenüber Raum. Sein Job ist schließlich nicht zuletzt ein diplomatischer: Vereinsmitglieder, Trainer und die Mannschaft, Medien, mit allen ist Weber im Gespräch – letztlich für die Fans. „Wir sind ein Verein, der einen sehr engen Draht zur Fangemeinde hat. Ich versuche, bodenständig und demütig an die Aufgabe zu gehen mit dem Wissen, dass ich einen Verein mit über 60.000 Mitgliedern vertrete, in guten wie in schlechten Phasen.“
Zwischen Büro und Stadion
Seit Anfang 2023 ist Weber Sportdirektor. Sein Arbeitsplatz liegt im Olympiapark in Berlin-Charlottenburg. Die Hälfte des Tages verbringt er hier im Büro, die andere draußen, am Platz oder im Stadion. Seine Tage sind lang und voller Gespräche: mit dem Trainerteam, der Geschäftsführung, der Scouting-Abteilung, der Kommunikationsabteilung oder den Verantwortlichen aus dem Nachwuchs- und Frauenfußball. So oft wie möglich versucht er, sich Trainingseinheiten anzusehen. Wenn an den Wochenenden ein Heimspiel ansteht, ist Weber im Olympiastadion, bei Auswärtsspielen reist er mit der Mannschaft durch ganz Deutschland. „Dann bin ich in jegliche Besprechungen rund um das Spiel involviert und darf Kollegen von Presse, Funk und Fernsehen Rede und Antwort stehen.“
Benjamin Weber wusste schon recht früh, was er will, wohin es ihn zieht. Und er blieb dran, auch wenn er sich dafür so manches Mal in Geduld üben musste. Dass er Sport studieren wollte, entschied er während des Abiturs. Der gebürtige Berliner bewarb sich an der Humboldt-Universität, wegen einer Nachkommastelle beim NC verschlug es ihn aber im Jahr 2000 an die Universität Potsdam. „Das war eigentlich das Beste, was passieren konnte. Ich habe ich es nie bereut, in Potsdam studiert zu haben.“ Im Studiengang Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportökonomie/Sportmanagement lernte er alle drei Standorte gut kennen: In Griebnitzsee besuchte er BWL-Vorlesungen, auf dem Campus Am Neuen Palais sportwissenschaftliche Veranstaltungen und in Golm die Turnhalle – „damals eines der wenigen neuen Gebäude auf dem Campus“, erzählt Weber.
Zwar hatte er zu Studienzeiten auch mit dem Beruf des Sportjournalisten geliebäugelt. Ein Praktikum beim Rundfunk verschaffte ihm wertvolle Einblicke, noch heute denkt Weber gerne an die Zeit im Wirtschafts- und Politikressort im Hauptstadtstudio des Norddeutschen Rundfunks zurück. Als Investigativ-Journalist sah er sich jedoch nicht. So fiel seine Entscheidung, im Sportmanagement unterzukommen, als er gerade das Vordiplom in der Tasche hatte: „Ich sollte einen Vortrag über die Sportbauten bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland halten und dabei wurde mir klar, dass ich im Fußball arbeiten wollte.“ Und so kam es auch, wenn auch nicht als Punktlandung zur WM.
Ein Gespür für die Wünsche und Träume der Fans
Inzwischen ist es mehr als 20 Jahre her, dass Benjamin Webers Karriere bei Hertha BSC begann: mit einer Initiativbewerbung beim Assistenten des damaligen Geschäftsführer Dieter Hoeneß. Da war Weber 23. Nach einer Einladung zum Gespräch passierte zwei Monate nichts, bis schließlich der Anruf kam. „Das war an einem Samstag und ich sollte am Montag anfangen, das weiß ich noch genau“, erzählt er und lacht. So kümmerte er sich ab 2003 als Werkstudent in der sportlichen Abteilung um die Organisation von Freundschaftsspielen, Trainingslagern oder Ausbildungsentschädigungen. „Irgendwann fragte mich Dieter Hoeneß: Wann bist du mit dem Studium fertig? Und ich sagte: Heute in einem Jahr.“ Da hatte er aber noch einige Scheine zu machen und eine Diplomarbeit zu schreiben. Doch es gelang ihm, und er schloss sein Diplom bei Christoph Rasche, bis heute Professor für Management, Professional Services und Sportökonomie in Potsdam, „pünktlich“ ab – mit einer Arbeit über Vereinsstrukturen und Kapitalgesellschaften.
„So, jetzt kann ich anfangen, voll bei Hertha zu arbeiten“, dachte sich der Sportökonom. Doch wegen finanzieller Probleme gab es zu diesem Zeitpunkt keine Neueinstellungen, sodass er zunächst in einer Werbeagentur tätig war, bis er – nach dem „Sommermärchen“ – im Sponsoring und Marketing erneut einen Fuß in die Tür des Vereins bekam. Ab 2014 leitete er dann acht Jahre lang die „Akademie“, den Nachwuchsbereich des Vereins. „Das war für mich ein Glücksgriff. Und sicherlich ist es auch eine tiefe Sehnsucht der Herthafans, ihre Junioren irgendwann als Profis auf dem Platz zu sehen.“
Etwas mehr als 200 Kinder und Jugendliche trainieren hier neben der Schule, fast alle kommen aus Berlin und Brandenburg. „In der Regel schafft es pro Jahr nur eine Hand voll Spieler eines Jahrgangs in den Profifußball.“ Deswegen will der Verein die Spieler so lange wie möglich auf der Schule halten. „Wenn die Jungs ihren Kopf trainieren, entwickeln sie sich auch sportlich besser – das ist unsere Erfahrung. Manchmal wollten wir mehr als sie selber, dass sie Abitur machen“, sagt Weber und schmunzelt. 2017/18 wurde Hertha BSC mit der A-Jugend erstmals Deutscher Meister. „Aus diesem Jahrgang sind bestimmt sechs oder sieben Spieler Profis geworden, haben aber auch ihr Abitur gemacht“, erzählt Benjamin Weber stolz. Als Akademie-Leiter habe es ihm immer am meisten Spaß gemacht, die Wege der Sportler zu begleiten. Wie von Pascal Klemens, Linus Gechter und Ibrahim Maza, die inzwischen zum Profi-Kader gehören, oder Maximilian Mittelstädt, der seit 2024 für die Nationalmannschaft spielt.
Verein mit gesellschaftlichem Auftrag
Für den Posten des Sportdirektors hatte ihn der damalige Präsident Kay Bernstein vorgeschlagen, der so die Verknüpfung zwischen Nachwuchs- und Profibereich stärken wollte. Noch heute ist sein Job für Benjamin Weber mehr als Profi-Fußball. Schließlich sieht er den gesellschaftlichen Auftrag des Vereins, in der Jugendarbeit ebenso wie im Frauenfußball oder im Breitensport. Seit 2023 hat Hertha BSC eine eigene Mädchen- und Frauen-Abteilung, was auch dem Einsatz der Vereinsmitglieder zu verdanken sei. „Wir haben eine sehr, sehr breite Unterstützung dafür.“ Wie im männlichen oder im Junioren-Bereich möchte Weber einen klaren Fokus auf die Entwicklung junger Spielerinnen legen. Mit Initiativen wie „Profivereine machen Schule“ und „Profivereine machen Kita“ engagiert sich die „Alte Dame“ außerdem gegen den Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen. Auch andere große Sportvereine wie die Eisbären, die Füchse und der 1. FC Union sind Kooperationspartner in dem Projekt der Berliner Senatsverwaltung.
Ob ihn das Studium gut vorbereitet habe auf seine Position als Sportdirektor? „Ein Studium kann dir eine Richtung geben und helfen, den eigenen Weg zu definieren. Auch weil du dich selbst organisieren musst.“ Doch für die Anforderungen seines jetzigen Jobs seien eher die Erfahrungen im Berufsleben entscheidend gewesen. Es braucht Verhandlungsgeschick, mit Trainern, Spieler*innen und Mitgliedern, es braucht ein Gespür für die Wünsche und Träume der Fans. Doch noch etwas ist unabdingbar im Profi-Sport: ein dickes Fell. Wo sonst wird so stark bewertet, wird nach Fehlern und Verantwortlichen gesucht? Wo sonst wechseln sich Jubel und Pfiffe von Spiel zu Spiel, von Woche zu Woche ab? Boulevard-Presse und Social Media tun ihr Übriges. „Medial ist es eine ganz schöne Wucht. Und bei einer so großen Fan-Basis muss man mit Kritik umgehen können“, sagt der Sportökonom. Aber für Benjamin Weber gehört das dazu. Und er ist Kommunikationsprofi genug, um sich nicht jeden Post auf den sozialen Plattformen anzusehen. Das Wichtigste sei für ihn, jeden Morgen in den Spiegel schauen zu können. Und noch etwas tröstet ihn: „Auch wenn du den Ball natürlich nicht selber ins Tor schießen kannst, hast du jedes Wochenende die Chance, etwas zu verändern. Das ist das Gute.“
Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2025 „Kinder“.