Dieses Jahr feiert der DAAD sein 100-jähriges Bestehen. Stellen Sie sich vor, der DAAD wäre eine Person und Sie wären eingeladen, eine Rede auf der Geburtstagsparty zu halten. Was würden Sie sagen?
Katharina Schmitt: Ich finde es beeindruckend, wie sich der DAAD aus einer Studierendeninitiative zur größten Förderinstitution für akademischen weltweiten Austausch entwickelt hat. Diese Institution ermöglicht nicht nur den Austausch und die Mobilität von Studierenden und Forschenden, sondern fördert auch den individuellen und kollektiven Erfahrungsaustausch und den Erhalt akademischer Freiheit. Meine herzlichen Glückwünsche an den DAAD für diesen bemerkenswerten Erfolg!
Oliver Günther: Die Entstehungsgeschichte des DAAD als Studierendeninitiative ist in der Tat faszinierend. Nachdem ich ihn zwischenzeitlich als ein wenig verstaubt und bürokratisch wahrgenommen habe – insbesondere in den 1990er Jahren –, hat er heute eine dynamische und international sichtbare Rolle, nicht zuletzt durch seine bewusste Markenkommunikation u.a. in den sozialen Medien. Der DAAD hilft jungen Menschen auf der ganzen Welt, mobil zu werden, selbst wenn ihre finanziellen Hintergründe das nicht selbstverständlich machen würden. Dies ist von unschätzbarem Wert, um internationale Mobilität in der Breite verfügbar zu machen.
Was verdanken Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn dem DAAD?
Katharina Schmitt: Ich war selbst zweimal DAAD-Stipendiatin. In den 1990er Jahren erhielt ich ein Jahresstipendium für die USA und verbrachte ein Jahr in Washington, was meine berufliche Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Später kam ich mit dem DAAD ein zweites Mal an die amerikanische Ostküste. Dank des DAAD habe ich über sein umfassendes Netzwerk weitreichende Kontakte in viele Länder, was für meine Arbeit unersetzbar ist. Derzeit bin ich zudem in der Arbeitsgruppe für Förderprogramme aktiv, wo ich die strategische Ausrichtung mitgestalten kann. Der DAAD war und ist immer eine positive und aufgeschlossene Plattform für meine beruflichen Ideen und Vorschläge.
Oliver Günther: Meine Beziehung zum DAAD begann als Postdoc am International Computer Science Institute in Berkeley – ich war einer der ersten Teilnehmer eines Programms, das später vom DAAD betreut wurde. Später habe ich als Professor vom deutsch-französischen Procope-Programm profitiert, das ebenfalls vom DAAD administriert wird. Auch wenn die finanzielle Förderung nicht üppig war, hatte sie doch einen erheblichen Einfluss, weil die Mittel recht flexibel eingesetzt werden konnten. Schließlich hatte ich erst kürzlich wieder Kontakt zum DAAD, in meiner Eigenschaft als Mitglied des Kuratoriums der deutschen AIESEC, dessen Praktikantenaustauschprogramme vom DAAD erfreulicherweise gefördert werden.
Sie waren im April 2025 in Delhi, wo neben 100 Jahre DAAD auch 65 Jahre DAAD-Außenstelle Neu-Delhi gefeiert wurde. Wie wird die Arbeit des DAAD etwa in Indien wahrgenommen?
Oliver Günther: Sehr positiv. Die Marke DAAD ist weithin bekannt und die deutsch-indische Freundschaft wird in den kommenden Jahren weiter intensiviert. Angesichts der aktuellen Weltlage ist akademischer Austausch enorm wichtig, als Teil einer bewusst gestalteten Wissenschaftsaußenpolitik. Eine strategische Förderung wird in diesem Fall dazu führen, dass künftig noch mehr hochbegabte und leistungsbereite indische Studierende nach Deutschland kommen und umgekehrt.
Katharina Schmitt: Wir haben in Indien viel darüber gesprochen, welche Studierenden zu uns kommen und wie wir dafür sorgen können, dass sie gut zu unseren Hochschulen passen. Themen wie Brain Drain und Brain Gain sind im indisch-deutschen Kontext weniger problematisch. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Expertise des DAAD überall dort geschätzt wird, wo er Außenstellen hat, und die wissenschaftliche Zusammenarbeit aktiv fördert.
Warum ist der DAAD gerade jetzt so wichtig? Was schafft er, was andere Institutionen möglicherweise nicht leisten können?
Oliver Günther: Mehr als je zuvor ist der DAAD in der Lage, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den akademischen Austausch unterstützen. Dies gilt insbesondere in der sich verändernden globalen Landschaft, in der zum Beispiel die USA als Ziel für Studierende und Wissenschaftler weniger attraktiv werden. Das bedeutet gleichwohl nicht, dass der DAAD Studierende und Forschende „abwirbt“, sondern er fördert und ermöglicht – weiterhin – den Austausch.
Katharina Schmitt: Die Wissenschaftsaußenpolitik des DAAD ist heute so wichtig wie nie zuvor. Inmitten globaler Krisen ist der DAAD ein starker Mittler, sich für Wissenschaftsfreiheit einsetzt und für Förderkontinuität sorgt. Sein Netzwerk reicht tief in die politischen Strukturen und sorgt dafür, dass aktuelle Themen wie akademische Freiheit und Unterstützung von geflüchteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern berücksichtigt werden.
Wie profitiert die Universität Potsdam von der Arbeit des DAAD?
Katharina Schmitt: Die Universität Potsdam profitiert zunächst einmal erheblich von den Fördermitteln des DAAD, für uns der größte Geldgeber für internationale Mobilität. Mit mehr als zwei Millionen Euro jährlich aus DAAD-Programmen können wir die Mobilität unserer Studierenden und die Internationalisierung des Campus erarbeiten. Neben ERASMUS und PROMOS sind wichtige Beispiele der DAAD-Preis, der engagierte internationale Studierende sichtbar macht, oder das neuste eingeworbene Programm DIES LEADx, das es uns ermöglicht, ab Oktober weibliche Hochschulführungskräfte aus dem globalen Süden zur Vernetzung und Weiterentwicklung nach Potsdam einzuladen.
Oliver Günther: In Deutschland haben wir nicht nur sehr gute Hochschulen, sondern auch prestigeträchtige Institutionen der Wissenschaftsförderung, um die wir weltweit beneidet werden, wie die Alexander von Humboldt-Stiftung oder eben den DAAD. Sie fördern eine Vernetzung, die wichtig ist für junge Menschen, um die Vielfalt zu sehen und zu erfahren. Und Deutschland braucht diesen Austausch, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Was könnte der DAAD künftig noch besser machen?
Oliver Günther: Es gibt immer Raum für mehr, und ich hoffe, dass die neue Regierung die strategische Rolle des DAAD weiter stärkt. Insbesondere in Zeiten geopolitischer Spannungen sollten wir Wege finden, die Zusammenarbeit auch mit Ländern zu fördern, mit denen wir nicht in allen Fragen einer Meinung sind. Wissenschaftliche Kooperationen sollten Brücken bauen, auch in schwierigen Zeiten.
Katharina Schmitt: Viele von uns hatten gehofft, der DAAD würde eine Art Prüfstelle für den Umgang mit internationalen Risiken einrichten, eine Aufgabe, die derzeit die Hochschulen eigenständig aufbauen. Die Expertise des DAAD ist dafür aber unverzichtbar, nicht nur in Bezug auf „dual use“ oder den Umgang mit bestimmten Wissenschaftsnationen. Außerdem könnte der Austausch zu Kolleginnen und Kollegen über die Grenzen des DAAD hinaus zu anderen Wissenschaftsorganisationen, um wirklich alle Expert*innen zu einem bestimmten Thema zusammenzubringen, noch stärker genutzt werden.
Was wünschen Sie sich vom und für den DAAD in den kommenden 100 Jahren?
Oliver Günther: In den letzten 100 Jahren hat sich viel getan. Vorhersagen für die Zukunft sind schwierig, denn die weltpolitische Ordnung wird sich massiv verändern, nicht durchweg zum Besseren. Und die Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Bildung wird wachsen. Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass der DAAD weiterhin für kulturelle Vielfalt und internationalen Austausch steht.
Katharina Schmitt: Ich wünsche mir, dass der DAAD weiterhin fundierte Studien betreibt, um die Bedeutung des Austauschs für persönliche Entwicklung, Völkerverständigung und demokratische Prozesse hervorzuheben. Es ist längst erwiesen, dass austauschgeprägte Menschen nicht nur für ihr Fach, sondern fürs ganze Leben lernen und überdurchschnittlich beruflich Initiative und Engagement zeigen. Ich wünsche dem DAAD stabiles Funding und weniger Bürokratie, verbunden mit vielen neuen Ideen, Freundschaften und natürlich internationalen Kooperationen.
Universität Potsdam feiert „100 Jahre DAAD“
Das Jahr 2025 markiert ein beeindruckendes Jubiläum – der DAAD feiert 100 Jahre internationalen akademischen Austausch! Als Universität Potsdam sind wir stolz, Teil dieser bedeutenden Erfolgsgeschichte zu sein. Der DAAD hat nicht nur unzähligen Studierenden, Forschenden und Fachkräften weltweit Türen geöffnet, sondern auch aktiv dazu beigetragen, Brücken zwischen Ländern, Kulturen und Bildungssystemen zu bauen. In dieser Artikel-Serie erzählen wir davon.
Weitere Informationen:
Zur Arbeit des International Office: https://www.uni-potsdam.de/de/international/kontakt/uebersicht
Zur Arbeit des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD): https://www.daad.de/de/