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Unbekannte Helden und mehr Demokratie in der Grundschule wagen – Neuerscheinungen aus der Universität Potsdam

Buchcover: Monika Wienfort: Geschichte Preussens
Buchcover: Ottmar Ette: Anton Wilhelm Amo. Philosophieren ohne festen Wohnsitz
Buchcover: Johann Ev. Hafner: Indigene Selbstbehauptung Und Katholischer Ökokommunismus. Der Philippinische Rebellenpriester Conrado Balweg
Buchcover: Iris Baumgardt / Dirk Lange (Hrsg.): Young Citizens. Handbuch Politische Bildung In der Grundschule
Photo : C.H. Beck, 3. Auflage 2022
Monika Wienfort: Geschichte Preussens
Photo : Kadmos, 2. Auflage 2022
Ottmar Ette: Anton Wilhelm Amo. Philosophieren ohne festen Wohnsitz
Photo : Ergon Verlag 2022
Johann Ev. Hafner: Indigene Selbstbehauptung Und Katholischer Ökokommunismus. Der Philippinische Rebellenpriester Conrado Balweg
Photo : Bundeszentrale Für Politische Bildung 2022
Iris Baumgardt / Dirk Lange (Hrsg.): Young Citizens. Handbuch Politische Bildung In der Grundschule

Monika Wienfort: Geschichte Preussens C.H. Beck, 3. Auflage 2022

Zur hohen Kunst für jeden Historiker dürfte die Gattung „Schmales Einführungswerk“ gehören. Die Geschichte Preußens in 120 kleine (!) Seiten pressen zu müssen, macht diese Aufgabe gewiss nicht leichter. Monika Wienfort, seit Anfang 2022 Professorin für Brandenburgisch- preußische Geschichte an der Universität Potsdam, hat es gewagt und zur Reihe C.H.Beck Wissen den Band „Geschichte Preußens“ beigesteuert. Im Parforceritt geht es durch 850 Jahre Geschichte, die sich spätestens mit der Reichsgründung 1871 zum deutsch-preußischen Wechselblick aufweitet. Kenntnisreich, aber bewusst mit leichter Feder zeichnet die Historikern die großen Linien von Albrecht dem Bären bis zur Auflösung des preußischen Staates durch die Alliierten 1947. Ihr Fazit, als „historische[s] Urteil über Preußen“ fällt – man möchte sagen: natürlich – „vielschichtig, mehrdimensional und differenziert aus“. Nicht mehr nur „konservative politische Anschauungen mit einem positiven Preußen-Bild“ versus „entgegengesetzte Vorstellungen mit einem klaren Verdammungsurteil“. Interessierte Geister verweist die Autorin auf geeignete historische Literatur größeren Ausmaßes wie die von Christopher Clarke oder aber die „lebendige Gegenwart Preußens als Kulturbegriff“ – vor allem in zahlreichen Museen und der Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft. Denn, so ihr eigentliches Fazit: „Man kann Preußen heute ohne Schwarzweißmalerei zeigen und damit auch einen Beitrag zu aktuellen Fragen politischer Kultur in Deutschland leisten.“

Ottmar Ette: Anton Wilhelm Amo. Philosophiren ohne festen Wohnsitz Kadmos, 2. Auflage 2022

Schon mal von Anton Wilhelm Amo gehört? Nicht? Damit sind Sie sicher nicht allein. Heute kennt ihn kaum jemand. Vor knapp 300 Jahren ziemlich viele, zumindest in der damals noch recht kleinen Wissenschaftscommunity. Amo war Anfang des 18. Jahrhunderts „als Sklave an einen Fürstenhof gekommen, war nicht mehr als ein Geschenk gewesen“. Doch das Geschenk „dachte nach“, entpuppte sich als außerordentlich klug – und wurde gefördert. Als erster – und für lange Zeit letzter – Student afrikanischer Herkunft schrieb er sich 1727 an der Universität Halle ein und wurde vom „deportierten Sklaven“ zum „verehrten Doktor der Philosophie“. Der Potsdamer Romanist Ottmar Ette hat Amos Leben und Denken rekonstruiert – als Biografie einer „Philosophie ohne festen Wohnsitz“. Ette, der mit seinem Buch „ZwischenWeltenSchreiben“ und anderen das Feld von „Literaturen ohne festen Wohnsitz“ etabliert und an zahlreichen Autoren ausformuliert hat, holt seine Denkfigur mit Amo in die Welt der Wissenschaft. Er verschafft Amos außergewöhnlichem Weg und seinem Denken einen Platz in der Gegenwart: „Er ist der Fremde, der zu unserem Eigenen geworden ist.“ Aber er zeigt auch das Ausmaß von Amos Scheitern, der es zwar vom Sklaven zum „Ausstellungs- und Vorzeigeobjekt“ brachte, dem aber – aufgrund seiner Herkunft – auch viele Türen verschlossen blieben. Viele seiner Zeitgenossen wie der „Urahn der Aufklärung“ Immanuel Kant ignorierten ihn schlicht. Deshalb ist, so Ette, Amo nicht nur ein außergewöhnlicher Denker, den es wiederzuentdecken gilt. Er ist auch „wichtig für unsere Erinnerungspolitiken im heutigen Deutschland und erinnert uns in vielerlei Hinsicht an die kolonialen Wurzeln des heutigen Rassismus“.

Johann Ev. Hafner: Indigene Selbstbehauptung und katholischer Ökokommunismus. Der philippinische Rebellenpriester Conrado Balweg Ergon Verlag 2022

Auch der Potsdamer Religionswissenschaftler Johann Ev. Hafner hat sich auf die Suche nach einem heute weitgehend Vergessenen begeben, der einst in aller – oder zumindest vieler – Munde war: dem „philippinische[n] Rebellenpriester Conrado Balweg“. Und ist dabei einem Stück eigener Vergangenheit wiederbegegnet. Denn, so Hafner in seinem Vorwort, „von September 1984 bis August 1985 arbeitete ich als ‚Missionar auf Zeit‘ in den Philippinen“. Es war die Zeit des gewaltsamen Widerstands gegen den Diktator Ferdinand Marcos. Balweg „hatte sich dem kommunistischen Untergrund angeschlossen“, wo er zum militärischen Anführer aufstieg. „Unter Marcos war er der meistgesuchte Mann der Philippinen, überall zuschlagend, aber nie zu fassen. Ein Robin Hood der Bergvölker.“ Nach dem Ende der Diktatur setzte er sich für die Autonomie der Bergvölker ein. 1999 wurde er ermordet. Johann Hafner hat Balweg 1986 selbst getroffen. Mehr als 30 Jahre danach machte er sich auf die Suche nach den Spuren seines Lebens und Wirkens. Er reiste quer durch die Philippinen und sprach mit rund 30 Menschen, die Balweg kannten. Herausgekommen ist „keine Biografie im engeren Sinne“, wie der Autor selbst sagt. Stattdessen soll das Buch zeigen, „wie sich in ein und derselben Person verschiedenste Entwicklungen kreuzen: der Konflikt zwischen indigener Bergkultur und US-orientierter Stadtkultur, zwischen Naturbewahrung und Industriepolitik […], zwischen Maoismus und Katholizismus.“ Und natürlich ist das Buch aus der Feder eines Religionswissenschaftlers auch ein religionswissenschaftliches – als „Beitrag zur Zeitgeschichte des philippinischen Katholizismus“, der zu erklären versucht, „wie ein katholischer Priester dazu kommt, sich dem bewaffneten Kampf einer kommunistischen Guerilla anzuschließen“.

Iris Baumgardt / Dirk Lange (Hrsg.): Young Citizens. Handbuch Politische Bildung in der Grundschule,  Bundeszentrale für Politische Bildung 2022

„Kinder sind hier und jetzt schon Young Citizens“, schreibt Iris Baumgart. Und als solche sollten sie schon „im Grundschulalter ihre demokratischen Handlungskompetenzen ausdifferenzieren“. Wie? „Durch konkrete partizipative Erfahrungen und deren Reflexion“, schlägt die Professorin für Grundschulpädagogik Sachunterricht an der Universität Potsdam vor. Damit es nicht bei der Forderung bleibt, hat die Forscherin gemeinsam mit ihrem Kollegen Dirk Lange den Sammelband „Young Citizens“ herausgegeben, der sich als „Handbuch politische Bildung in der Grundschule“ versteht. Er will Grundlagen und (demokratische) Prinzipien zusammentragen, quasi als theoretisches Rüstzeug vor allem für Lehrende in allen (Grundschul-)Lebenslagen. Es stellt aber auch Dimensionen vor, in denen Demokratie gelehrt und gelernt werden kann – von der genuinen Politik über Ökonomie bis zur Kultur. Nicht zuletzt bietet der Band mit handfesten, lebensnahen Themen praktische Einstiege in demokratische Lehre. So gibt es Beiträge zu Krieg und Frieden oder Klimawandel ebenso wie Kinderrechte, Konsum oder der Berufswelt. Das Buch möchte mehr sein als nur Appell. Eben ein Handbuch, das Demokratie fördert, denn, so Iris Baumgardt: „Kinder wollen stärker beteiligt werden – es liegt an den Erwachsenen, ihnen diese Partizipationsmöglichkeiten zu eröffnen.“

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer - 2022/2023 (PDF).