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Hilfe bei Prüfungsdruck – Wie die Examens-Ambulanz an der Juristischen Fakultät Studierende unterstützt

Innovative Lehrprojekte 2022

Björn Steinrötter
Lina Marie Schauer vor dem Schloss Sansoucci
Photo : Sandra Scholz
Björn Steinrötter
Photo : Franziska Herrmann
Lina Marie Schauer

Die Studierenden des Examensstudiengangs der Rechtswissenschaft stehen am Ende ihrer universitären Ausbildung vor der Herausforderung, die Erste Juristische Prüfung zu bestehen. Diese gilt als sehr anspruchsvoll und darf in der Regel nur einmal wiederholt werden. Wer auch den zweiten Versuch nicht besteht, muss sich noch einmal ganz neu orientieren. Das sogenannte erste juristische Staatsexamen bedeutet für die Studierenden daher einen enormen Druck. Um ihnen bei der Prüfungsvorbereitung zur Seite zu stehen, haben Prof. Dr. Björn Steinrötter und Dipl. Jur. Lina Marie Schauer an der Juristischen Fakultät eine „Examens-Ambulanz“ eingerichtet, die von der Unileitung als „innovatives Lehrprojekt“ gefördert und von den Studierenden sehr gut angenommen wird.

Worum geht es in Ihrem Projekt?

Lina Marie Schauer: Das Projekt der „Examens-Ambulanz“ richtet sich speziell an Jura-Studierende in der Phase der Examensvorbereitung und möchte ihnen die in dieser Zeit benötigte Unterstützung gewähren. Das Angebot baut auf zwei Säulen auf. Zum einen bieten wir die sogenannte „Klausuren-Reha“ an. Dabei erhalten die Studierenden die Gelegenheit, bereits erstellte Klausurbearbeitungen detailliert zu besprechen und individuelle Hinweise und Tipps zur Verbesserung der eigenen Gutachtentechnik, der Herangehensweise an Klausursachverhalte, der Argumentation, dem Aufbau und der Schwerpunktsetzung zu bekommen. Die zweite Säule stellt die Examenssprechstunde dar, welche die Studierenden nutzen können, um persönliche Herausforderungen, Unsicherheiten und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Examensvorbereitung im individuellen Gespräch zu thematisieren.

Warum wollten Sie mal etwas anders machen?

Björn Steinrötter: Es war uns, auch und gerade in Zeiten der Pandemie, ein Anliegen, unseren Jura-Studierenden in einer ihrer wichtigsten und auf sehr vielen Ebenen schwierigsten Phasen ihrer Ausbildung als Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin zur Seite zu stehen. Dabei geht es uns nicht ums Detail, sondern allein um übergreifende Fragen, deren Beantwortung aber enorm wichtig für den Studienerfolg, wohl aber auch für eine möglichst „gesunde“ Examensvorbereitung ist. Das Wort „ganzheitlich“ wird ähnlich inflationär gebraucht wie das Wort „innovativ“, aber in der Tat wollen wir auf besagten großen Linien nicht nur in bestimmten Bereichen helfen, sondern möglichst umfassend. Frau Schauer, die das Projekt in allererster Linie umsetzt, berichtet hierbei, wie unglaublich positiv das Angebot angenommen wird und auch, wie sehr persönlich die Gespräche mitunter geraten. Es geht für die Studierende um viel, die Examensvorbereitung ragt weit in das Privatleben hinein und prägt es deutlich. Ich bin sehr angetan, mit wieviel Empathie und Fingerspitzengefühl Frau Schauer hier die unterschiedlichsten Anliegen der Studierenden bewältigt. Ich fungiere bei alledem eher im Hintergrund. Wir besprechen besonders „heikle“ Fälle und machen uns Gedanken darüber, welchen Tipp man am besten geben und wie man ihn sensibel „verpacken“ könnte. Ich bin sehr dankbar für die Förderung durch die Universität Potsdam, weil uns die Resonanz zeigt, wie sinnvoll das Angebot ist.

Wie entstand die Idee für das Projekt?

Lina Marie Schauer: Die Idee der Klausuren-Reha fußt auf meiner Erfahrung als Korrektorin in den Examensklausurenkursen verschiedener juristischer Fakultäten. Sie hat mich gelehrt, dass der Unterschied zwischen einer bestandenen oder nicht bestandenen bzw. zwischen einer befriedigenden und vollbefriedigenden Klausur nicht zwangsläufig in einem „Mehr“ von materiellen Wissen liegt, sondern viel mehr in der Art und Weise mit diesem Wissen, dem Gesetz und dem zu bearbeitenden Sachverhalt umzugehen. Das Beherrschen des „juristischen Handwerkszeugs“ wird häufig kolossal unterschätzt. Daher ist es unser Anliegen, den Studierenden dieses Potenzial näher zu bringen, um so die Qualität ihrer Klausurbearbeitungen zu steigern.

Warum ist es für die Studierenden so wichtig, bei der Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung unterstützt zu werden?

Lina Marie Schauer: Die Examensvorbereitung ist für zahlreiche Studierende die intensivste und psychisch sowie physisch herausforderndste Phase des Studiums. Anders als bei den Bachelor- und Masterstudiengängen setzt sich die Abschlussnote der Studierenden nicht aus den während des Studiums gesammelten Leistungen zusammen, sondern hängt allein von der abschließenden Ersten Juristischen Prüfung und der universitären Schwerpunktbereichsprüfung ab. Dementsprechend hoch ist für viele Kandidat*innen der Druck, die Prüfungen (möglichst gut) zu bestehen. Das Angebot soll Studierenden eine Ansprechperson auf Augenhöhe bieten, die mit Verständnis für diese Ausnahmesituation bei der Überwindung von Problemen, Unsicherheiten und (Selbst)Zweifeln unterstützt. Dass Studierende diese Unterstützung benötigen und gerne annehmen, belegt die hohe Nachfrage nach Terminen innerhalb der ersten Projektmonate. Ihre Anliegen sind vielfältig, wobei neben den „Klausurensoftskills“ häufig Themen wie z.B. die Planung der Examensvorbereitung in Eigenregie, der Umgang mit Prüfungs- und Versagensängsten, Lernstrategien, Nachbereitung von Arbeitsmaterialien, die Vorbereitung auf den Letztversuch oder Studienabbruchgedanken auf der Tagesordnung stehen.

Was erhoffen Sie sich davon?

Lina Marie Schauer: Wir hoffen mit dem Angebot eine Anlaufstelle für Examenskandidat*innen zu schaffen, die sich vertrauensvoll mit ihren Anliegen an uns wenden können. Dies gilt insbesondere auch für Studierende mit persönlichen Problemstellungen wie Krankheiten, finanziellen Nöten, Sprachbarrieren oder familiären bzw. privaten Schwierigkeiten. In derlei Situationen fehlt es häufig an Ansprechpartner*inne*n und Betreuungsangeboten, um individuelle Herausforderungen mit der Examensvorbereitung in Einklang zu bringen, sodass wir diese Lücke gerne füllen möchten.

Gibt es erstes Feedback der Studierenden?

Lina Marie Schauer: Die Rückmeldungen unserer Teilnehmer*innen waren bislang ausnahmslos positiv, wobei das beste Feedback natürlich die wiederholte Inanspruchnahme des Angebots ist. Ich freue mich sehr über die vielen Anfragen und Nachrichten von Studierenden und selbstverständlich über das entgegengebrachte Vertrauen, die persönlichen und zum Teil hochemotionalen Themen mit mir zu besprechen.

 

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