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Virtuelle Bohrkerne als neues Referenzgestein – Präzisere Modelle der digitalen Gesteinsphysik sind ein Schlüssel zur Erkundung und nachhaltigen Nutzung unterirdischer Reservoire

Virtueller Bohrkern eines Bentheim-Sandsteins, typisch für das Norddeutsche Becken: Quarzkörner (hell) und Porenraum (dunkel). Grundlage für 3D-Simulation der Strömungsgeschwindigkeit: niedrig (blau), hoch (rot). So lassen sich chemische und mechanische Prozesse auf kleiner Skala besser verstehen und auf die Makroebene der Reservoire hochskalieren. | Bild: Maria Wetzel, GFZ
Photo : Maria Wetzel, GFZ
Virtueller Bohrkern eines Bentheim-Sandsteins, typisch für das Norddeutsche Becken: Quarzkörner (hell) und Porenraum (dunkel). Grundlage für 3D-Simulation der Strömungsgeschwindigkeit: niedrig (blau), hoch (rot). So lassen sich chemische und mechanische Prozesse auf kleiner Skala besser verstehen und auf die Makroebene der Reservoire hochskalieren.
Für die Gewinnung von Erdwärme sowie zur unterirdischen Speicherung von Energie in Form von Wärme, Druckluft oder Gas ist eine sehr gute hydraulische Durchlässigkeit der Reservoirgesteine eine Grundvoraussetzung. So entscheiden bei Sandsteinen die Struktur und Verteilung von Sandkörnern und Poren darüber, ob eine Formation technisch und wirtschaftlich effizient genutzt werden kann. Mit virtuellen Bohrkernen lassen sich die Eigenschaften potenzieller Reservoire ohne kostspielige Feldversuche und aufwändige Laboranalysen untersuchen. Ein Team um Maria Wetzel vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) und der Universität Potsdam hat einen neuen Ansatz zur „Herstellung“ solcher Bohrkerne für drei Arten typischer Reservoirsandsteine entwickelt. Er ahmt den natürlichen Prozess der Entstehung nach. Dabei können erstmals vielfältige natürliche Kornformen abgebildet werden, was zu einem wesentlich realistischeren Modell als bisher führt. Die Arbeit war Titelgeschichte des Fachmagazins Minerals.

Vorteile der digitalen Gesteinsphysik

Die digitale Gesteinsphysik entwickelt sich zu einem wichtigen Werkzeug, um die Verfügbarkeit von Georessourcen zu bewerten und den geologischen Untergrund nachhaltig und umweltfreundlich zu nutzen. Auf Basis von Computer-Tomographie-Aufnahmen werden virtuelle Bohrkerne erstellt, mit deren Hilfe die Entwicklung der mechanischen und hydraulischen Eigenschaften von Gesteinen berechnet und dann auf das gesamte Reservoir hochskaliert werden kann. Sie hängt vom Zusammenspiel zwischen Korn- und Porenraum und den durchströmenden Fluiden ab. Wenn zum Beispiel Minerale den Porenraum zusetzen, verringert das die Strömungsgeschwindigkeit von Gas oder Wasser. Letztlich bestimmt die Durchlässigkeit des Gesteins, wie effizient und wirtschaftlich ein Reservoir genutzt werden kann, zum Beispiel um Erdwärme zu gewinnen oder Wärme, Druckluft oder Gas zu speichern.

In den letzten Jahren haben Fortschritte bei den bildgebenden Verfahren und die weiter gestiegene Rechenleistung die Simulation verschiedenster physikalischer Prozesse ermöglicht, basierend auf hochaufgelösten digitalen 3D-Abbildungen des Porenraums von Gesteinen mit mehreren Millionen Elementen. Die Qualität der Vorhersagen hängt jedoch entscheidend von der Qualität der genutzten Modelle ab.

Neuer Ansatz für die Modellierung von Sandstein

Maria Wetzel und ihre Kollegen Thomas Kempka und Michael Kühn, alle vom GFZ und dem Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam, haben nun einen neuen Ansatz vorgestellt, mit dem sie typische Referenzgesteine in digitalen Modellen präziser und naturgetreuer als bisher nachbilden können. Hierbei handelt es sich um drei Sandsteine, die zum Beispiel im Norddeutschen Becken vorkommen: Fontainebleau, Berea und Bentheim.

Simulation der Gesteinsbildung

Ausgangspunkt ihrer Modellierungen sind Mikro-Computertomographie (CT) -Aufnahmen eines Sandsteins, denen sich typische Formen und Größenverteilungen der Sandkörner entnehmen lassen. Dann simulieren die Forschenden den Prozess der Gesteinsbildung: Zunächst lagern sich Sandkörner unter Einfluss der Schwerkraft als Sedimente ab und verfestigen sich. Wenn Wasser dazukommt, beginnt die sogenannte Zementierung: Vom Wasser mitgetragene gelöste Minerale – Abrieb der Steinchen selbst oder Fremdmaterial – lagern sich vorzugsweise an Kornkontakten und in Porenhälsen ab und verkitten so die Körner miteinander.

Die Forschenden haben hierbei drei unterschiedliche Abläufe durchgespielt und die Ergebnisse mit Mikro-CT-Scans realer Proben verglichen. Dabei betrachteten sie die granularen Eigenschaften, die sich zum Beispiel in Poren- und Porenhalsdurchmesser ausdrücken, die hydraulischen Eigenschaften, welche die Durchlässigkeit des Gesteins bestimmen, und die elastischen Eigenschaften. „Eine Kombination aus Zementierung von Kornkontakten und uniformem Mineralwachstum hat eine sehr gute Annäherung ergeben“, sagt Maria Wetzel, die gerade über dieses Thema promoviert wurde.

Abbildung realistischer Formen und Größen

„Neu an unserem Ansatz ist, dass wir die vielfältigen natürlichen Formen, Sortierungen und Größen der Sandkörner berücksichtigen. Daher können wir insbesondere die hochkomplexen Strukturen der Porenräume jetzt sehr gut abbilden, das zeigen die Vergleiche mit den realen Bohrkernen. Und je genauer wir die Prozesse auf der Porenraumskala verstehen, desto besser sind wir in der Lage, deren Effekte auf das gesamte Reservoir hochzurechnen“, betont Wetzel.

Michael Kühn, Leiter der Sektion Fluidsystemmodellierung am GFZ, ergänzt: „Mit unserem Verfahren können wir die generellen Einschränkungen der bildgebenden Verfahren überwinden. Das betrifft insbesondere die Bildqualität, zu geringe Auflösungen der Kornkontakte kleiner Poren sowie durch die Bildprozessierung induzierte Ungenauigkeiten.“

Virtuelle Experimente auf Basis der digitalen Bohrkerne

Die virtuellen Bohrkerne dienen den Forschenden als Grundlage für weiterführende virtuelle Experimente. Mit denen untersuchen sie zum Beispiel, welche Auswirkungen die Auflösung von Mineralen oder das sich Ablagern mineralischer Bestandteile eines Fluids auf die Durchlässigkeit des Gesteins hat. Das ist für eine Erkundung und nachhaltige Nutzung des geologischen Untergrundes von besonderer Bedeutung.

Aufgrund fehlender Alternativen werden dafür bislang analytische Methoden genutzt, deren Aussagekraft allerdings begrenzt ist, da sie von idealisierten Mikrostrukturen – zum Beispiel runden oder elliptischen Körnern – ausgehen. „Mithilfe unseres Ansatzes lässt sich die Aussagekraft von Reservoirmodellen erheblich verbessern, weil damit die Unsicherheiten aufgrund von Vereinfachungen verringert werden. Die digitale Gesteinsphysik ist damit eine wertvolle Ergänzung zu kostenintensiven Feldversuchen und aufwendigen Laboranalysen“, resümiert Maria Wetzel.

Originalstudie: Wetzel, M.; Kempka, T.; Kühn, M. Diagenetic Trends of Synthetic Reservoir Sandstone Properties Assessed by Digital Rock Physics. Minerals 2021, 11, 151. DOI: 10.3390/min11020151  
 
Kontakt:
Maria Wetzel
Tel.: +49 331 288-28669
E-Mail: maria.wetzelgfz-potsdamde

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Sabine Schwarz