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Rhythmus im Kopf – Wie sich das Gehirn mit Sprache und Musik synchronisiert

Dr. Alan Langus | Foto: Tobias Hopfgarten
Das Hirn hört Sprache anders mit Musik | Foto: AdobeStock/ adam121
Photo : Tobias Hopfgarten
Dr. Alan Langus
Photo : AdobeStock/ adam121
Das Hirn hört Sprache anders mit Musik
Er durchdringt unser Bewusstsein, lässt uns mit dem Fuß wippen, bestimmt den Takt unserer Worte. Musik und Sprache kommen nicht ohne ihn aus: den Rhythmus. Aber wie genau nehmen Menschen Rhythmus wahr? Was passiert im Gehirn, wenn wir Musik hören? Werden melodische Rhythmen anders verarbeitet als sprachliche? Dr. Alan Langus, Marie- Curie-Fellow am Linguistik Department der Universität Potsdam, sucht Antworten auf diese Fragen.

„Don’t stop me now!“, singt Freddy Mercury. Unwillkürlich folgen wir dem Beat: Bam, bam-bam, bam. Da ist er, der Rhythmus, wir können ihn spüren, an der Tischkante mitklopfen. In Musikstücken ist er den meisten Menschen leicht zugänglich. Vielleicht weniger bewusst, aber genauso präsent, ist er beim Sprechen. Der Kognitionswissenschaftler Alan Langus ist überzeugt, dass Sprache und Musik in puncto Rhythmus viel gemeinsam haben. Ihn interessiert, inwieweit sich die Verarbeitung von Sprach- und Musikrhythmen im Gehirn ähneln. Erfolgen sie in denselben Bereichen des Gehirns? Was hat es mit der Fähigkeit auf sich, sich synchron zum Rhythmus zu bewegen? Ist die kognitive Verarbeitung von rhythmischen Mustern bei Babys anders als bei Erwachsenen? Diesen und anderen Fragen geht Langus im von der Europäischen Union geförderten Projekt „Rhythmsync: Rhythm synchronization between music and spoken language“ auf den Grund.

Der Rhythmus im Auge

Über 100 junge Erwachsene und 100 sechs bis sieben Monate alte Babys haben dafür an einem von Langus entwickelten Eyetracking-Experiment am von Prof. Dr. Barbara Höhle geleiteten BabyLab teilgenommen. Der Kognitionswissenschaftler machte sich dabei ein spannendes Phänomen zunutze: „Ich konnte feststellen, dass sich die Pupillen synchron zum abgespielten Rhythmus vergrößern und verkleinern. Damit können wir messen, wie Menschen Rhythmus wahrnehmen.“ Eine bahnbrechende Entdeckung, die der Forschung neue Wege eröffnet. Im Experiment spielte der Wissenschaftler den Teilnehmenden allerdings keine ganzen Sätze oder komponierte Musik vor. Sie hörten stattdessen sogenannte künstliche Stimuli – einzelne mit dem Computer erzeugte Silben oder Noten unterschiedlicher Länge. Während des Experiments richteten die Testpersonen ihren Blick auf einen Bildschirm, damit der Eyetracker ihre Pupillen fokussieren konnte. Mit 120 aufgenommenen Bildern pro Sekunde fing dieser jede Veränderung ein. Weil Babys nicht sehr lange still halten können, beschränkte sich das Experiment für sie meist auf fünf bis zehn Minuten. Erwachsene wurden dagegen 40 Minuten lang getestet. Wie sich später zeigte, waren die Daten aber so aussagekräftig, dass auch 20 Minuten gereicht hätten. Denn die Pupillen weiteten und verengten sich stets genau im Rhythmus der abgespielten Laute. Das Gehirn synchronisiert sich also mit Sprache und Musik gleichermaßen, schlussfolgert Langus. Rhythmen in Sprache und Musik werden außerdem anscheinend vom Gehirn auf dieselbe Weise verarbeitet. Langus ist sich sicher: „Für das Gehirn ist es irrelevant woher der Rhythmus kommt. Das Gehirn nimmt ihn immer auf die gleiche Weise wahr, unabhängig von den übermittelten Informationen oder der Quelle.“ Wo genau der Rhythmus im Sprach- oder Melodieverlauf auftritt, ist momentan aber noch nicht ganz klar. Der Wissenschaftler vermutet jedoch, dass er durch Vokale getragen wird, d.h. kurz vor einem Vokal einsetzt. Beim Singen funktioniere eine Note ähnlich wie ein Vokal als rhythmischer Anker. Darauf deute das Verhalten der Pupillen hin.

Licht ins Dunkel bringen

 Doch warum verändern sich Pupillen synchron zum Rhythmus? Im Experiment entdeckte Langus, dass sie sich vergrößern, wenn sich der Takt unerwartet ändert. Seit etwa 60 Jahren sei bekannt, dass sich Pupillen bei Angst oder starken Gefühlen weiten. Die Vergrößerung bewirke, dass mehr Licht ins Auge eindringen kann, um einen besseren Überblick über die Situation zu ermöglichen, erklärt der Forscher. „Derselbe physiologische Ablauf lässt sich bei rhythmischen Veränderungen beobachten. Ein anderer Takt wird wahrgenommen und das Gehirn versucht über das Auge Klarheit darüber zu gewinnen.“ Es handle sich dabei um einen grundlegenden Vorgang, der bereits im frühkindlichen Alter vorhanden sei, denn das Experiment zeigte keine wesentlichen Unterschiede zwischen Babys und Erwachsenen. Auch das Geschlecht scheint keinen erkennbaren Einfluss auf die Verarbeitung zu haben. Eine wichtige Rolle spiele hingegen die Muttersprache. „Eine Besonderheit der deutschen Sprache ist, dass Betonung zur Unterscheidung von Wörtern genutzt wird. Es wird daher vermutet, dass Deutsche unterschiedliche Rhythmen leichter erkennen als z.B. Franzosen oder Ungarn, in deren Sprachen Betonung nicht dieselbe Rolle spielt“, sagt der Forscher.

Alan Langus ist überzeugt, dass der Rhythmus großen Einfluss auf das menschliche Verhalten hat. So imitieren Gesprächspartner unbewusst den Takt der Worte ihres Gegenübers und versuchen beim abwechselnden Sprechen dessen Rhythmus beizubehalten. Das signalisiere Harmonie mit dem Gesprächspartner. In seinem Projekt „Rhythmsync“ hat Alan Langus bereits viele wichtige Erkenntnisse für die Rhythmusforschung gewonnen. Doch seine Arbeit geht weiter, denn einige spannende Fragen wollen noch beantwortet werden. Ist die Synchronisierung von Rhythmus und Gehirn bei musikalischen Menschen exakter als bei weniger musikalischen? Funktioniert sie mit natürlichen Stimuli auf dieselbe Weise wie mit künstlichen? Welchen Einfluss haben Rhythmusmuster, Tempo, Musikgenre, verschiedene Sprechweisen?

Der Wissenschaftler

Der gebürtige Este Dr. Alan Langus studierte Kognitionswissenschaften und Psychologie in Bremen und Amsterdam und promovierte an der Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati in Triest, Italien. Seit Juli 2016 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Linguistik an der Universität Potsdam.
E-Mail: alanlangusgmailcom

Das Projekt

Rhythmsync: Rhythm synchronization between music and spoken language

Laufzeit: 4/2017–3/2019
Förderung: Europäische Union (Horizon 2020)

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Eins 2020 „Energie“.