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„Am Ende des Tages sieht man, was man geschafft hat“ – Kirsten Beyer und Kiron Wahl sind Gärtner im Botanischen Garten

Für Kiron Wahl ist die Arbeit im Botanischen Garten ein Privileg. | Foto: Thomas Roese
Photo : Thomas Roese
Für Kiron Wahl ist die Arbeit im Botanischen Garten ein Privileg.
Kirsten Beyer und Kiron Wahl haben als Gärtner im Botanischen Garten der Universität Potsdam alle Hände voll zu tun. Ob üppig wuchernde tropische Schlingpflanzen in den Gewächshäusern, Heilpflanzen aus ganz Europa auf den Freiflächen oder mächtige Kakteen im Sukkulentenhaus – rund 10.000 Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen wachsen hier auf insgesamt 8,5 Hektar Fläche. Die beiden Gärtner, die im vergangenen Sommer ihre Ausbildung abgeschlossen haben, schätzen diese Vielfalt und auch die Freiräume, die sie für eigene Ideen haben. Einen Tag lang haben wir ihnen bei der Arbeit über die Schulter geschaut.

6:45 UHR
Lange bevor die ersten Besucher kommen, beginnt der Arbeitstag für die Gärtnerinnen und Gärtner im Botanischen Garten. Kiron Wahl füttert erst einmal die Tiere in den Gewächshäusern, von denen es überraschend viele gibt. Die Zwergwachteln im Nutzpflanzenhaus wurden extra für die biologische Schädlingsbekämpfung angeschafft. Und auch Fische, Schildkröten, Zebrafinken und Frösche müssen versorgt werden.
Kirsten Beyer startet ihren Arbeitstag an diesem Morgen ebenfalls in den Gewächshäusern. Eigentlich sind die Freilandanlagen ihr Terrain. Aber im Winter, wenn es morgens noch dunkel und kalt ist, bleibt sie erst einmal drinnen. Die Pflanzen müssen ausgeputzt, tote Blätter entfernt, zu üppig wachsende Stauden gestutzt werden. Dabei geht es nicht nur um einen ordentlichen Eindruck für die Besucherinnen und Besucher. „Es ist auch vorbeugender Pflanzenschutz“, erklärt Kiron Wahl. „Vor allem im Gewächshausklima besiedeln pilzliche Erreger schnell totes Material.“ Damit sich die Pflanzen nicht infizieren, müssen Laub und abgestorbene Triebe regelmäßig beseitigt werden. Etwa 3.000 Quadratmeter umfassen die zehn Gewächshäuser. „Wenn man einmal durch ist, fängt man von vorn an“, sagt Kirsten Beyer lachend.

8:30 UHR
Inzwischen ist es hell, Kirsten Beyer nimmt ihre Arbeitsgeräte und überquert die Maulbeerallee, um zu den Freiflächen im Paradiesgarten zu gelangen. Hier betreut sie die Beete der systematischen Abteilung, auf denen verschiedene Familien der zweikeimblättrigen Pflanzen gezeigt werden, und bereitet sie für die neue Saison vor. Alte, verblühte Pflanzenstängel müssen abgeschnitten, die Beete mit neuer Erde aufgefüllt werden. „Im Sommer ist mehr zu tun“, sagt die Gärtnerin. Dann muss sie vor allem wässern, die Rasenwege mähen und das Unkraut jäten. „Viele mögen das Jäten nicht, aber mir macht das Spaß“, sagt sie. Überhaupt ist sie am liebsten draußen, an der frischen Luft.
Im Nutzpflanzenhaus hat Kiron Wahl derweil eine scharfe Gartenschere und eine Leiter zur Hand genommen. Einige Pflanzen müssen zurückgeschnitten werden. Besonders der Pfeffer, die Passionsblume und andere rankende Pflanzen wachsen gern in die Höhe. „Wenn man da nicht hinterher ist, wuchern sie alle Fenster zu und nehmen den anderen Pflanzen das Licht weg“, erklärt der Gärtner.
10:30 UHR
Die Fenster im Gewächshaus sind wieder frei, das Licht kann nun auch zu den etwas kleineren Pflanzen auf dem Boden vordringen. Jetzt kontrolliert Kiron Wahl die Gewächse auf Schädlinge. Der Kakaobaum leidet unter Wollläusen, die sich auf Blättern und Früchten breit machen und den Pflanzensaft saugen. Die erste Maßnahme: Der Gärtner reinigt die Pflanze mit einem feuchten Lappen. Wenn die Läuse überhandnehmen, muss er aber zu drastischeren Mitteln greifen. „Dann nutzen wir vor allem biologische Pflanzenschutzmittel auf Ölbasis“, erklärt er.

14:00 UHR
Im Kaltgewächshaus prüft Kiron Wahl nun, ob die Kübelpflanzen genügend Feuchtigkeit haben, und versorgt trockene Töpfe mit Wasser. Anschließend schneidet er Stecklinge von ausgewählten Pflanzen, um diese zu vermehren. Im eigens dafür eingerichteten Vermehrungshaus, das nicht öffentlich zugänglich ist, stehen Hunderte kleine Töpfe in den Anzuchtkästen. Die Stecklinge werden in die Erde pikiert, wo sie nach einigen Tagen Wurzeln schlagen. Sind sie gut angewachsen, können sie in größere Gefäße umgetopft werden.
Kirsten Beyer sucht nun nach einigen Stunden in der Kälte wieder die Wärme. Die Samen, die im Herbst geerntet wurden und zur Anzucht von neuen Pflänzchen im Frühling gebraucht werden, müssen gereinigt werden. Mit einem Mörser zerkleinert sie zuerst das Pflanzenmaterial aus den Tüten, wo die Samen noch fest in ihren Samenständen hängen. Danach kommt alles auf ein großes Stück Pappe. Mit gekonnten Bewegungen wirft Kirsten Beyer das getrocknete und zerkleinerte Material in die Luft. Die schweren Samen fallen zurück auf die Pappe, alles andere wird vom Luftstoß davongewirbelt. „Wir nennen das Wedeln“, beschreibt die Gärtnerin die Technik. Anschließend verpackt und beschriftet sie sorgfältig die fertigen Samen. Einige von ihnen werden auch an andere Botanische Gärten versendet.

15:30 UHR
„Am Ende des Tages sieht man, was man geschafft hat“, das sei einer der Gründe, warum sie ihre Arbeit liebe, sagt Kirsten Beyer. Für sie und ihren Kollegen ist die Arbeit im Botanischen Garten ein Privileg. „Wir haben deutlich mehr Möglichkeiten und mehr Abwechslung als in einem Produktionsbetrieb“, erklärt Kiron Wahl. Sich ausprobieren, Beete selbst gestalten, austesten, welche Pflanzen wo am besten gedeihen – all das können die Gärtnerin und der Gärtner hier realisieren und erhalten zugleich Einblicke in die Forschung. Beide würden nach ihrem ersten befristeten Berufsjahr gern bleiben. „Diese Sicherheit würde ich mir wirklich wünschen“, sagt Kiron Wahl.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2020 „Bioökonomie“.

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Online editorial

Sabine Schwarz