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Wissenschaft unter freiem Himmel - Nationale Geoparks vermitteln Geologie als Naturerlebnis

Spaziergang durch den Geopark Muskauer Faltenbogen. Foto: Head office Geopark Muskauer Faltenbogen (UNESCO Global Geopark Muskau Arch)
Photo : Head office Geopark Muskauer Faltenbogen (UNESCO Global Geopark Muskau Arch)
Spaziergang durch den Geopark Muskauer Faltenbogen.
Höhlen, Meteoritenkrater, alte Bergwerke und riesige Findlinge: Solche und andere regionale Besonderheiten gibt es in deutschen Geoparks zu bestaunen. Sie geben Einblicke in die Millionen Jahre alte Erdgeschichte – mit Fossilien ausgestorbener Saurier, Spuren steinzeitlicher Menschen und Schätzen von Kelten und Römern. Die Parks wollen geologische Sehenswürdigkeiten für Wanderer, Naturfreunde und natürlich für Geologie-Begeisterte erlebbar machen. Zertifiziert werden die Parks von der GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung, dem Zusammenschluss der geowissenschaftlichen Fachverbände, Forschungseinrichtungen und Naturkundemuseen in Deutschland. 34 Einrichtungen sind beteiligt, unter ihnen das Alfred-Wegener-Institut, das GeoForschungsZentrum Potsdam und das Forschungsinstitut Senckenberg. Präsident der 1980 gegründeten Vereinigung ist seit nunmehr sieben Jahren der Potsdamer Geowissenschaftler Prof. Manfred Strecker, PhD. Seitdem ist die GeoUnion am Unicampus Golm angesiedelt.

Christof Ellger ist Geschäftsführer der GeoUnion. „Uns geht es vor allem darum, die Geowissenschaften in die Öffentlichkeit zu bringen“, erklärt der Geograf. In der Öffentlichkeit seien diese nämlich vor allem Thema, wenn Katastrophen passierten: bei Vulkanausbrüchen oder Erdbeben zum Beispiel. Die GeoUnion will sie darüber hinaus bekannter machen und hat dafür verschiedene Formen der Wissensvermittlung entwickelt – von Kindersachbüchern über öffentliche Vorträge bis zum Gestein des Jahres, das der Berufsverband der Deutschen Geowissenschaftler seit 2007 auswählt und in dessen Kuratorium Ellger ist. „In diesem Jahr war es Schiefer: ein in Deutschland sehr häufiges Gestein, das ganze Regionen geprägt hat.“

„Die schönste Idee jedoch, geologisches Wissen zu vermitteln, sind die Geoparks“, sagt Ellger. Bei der Einrichtung solcher Parks sei Deutschland weltweit führend gewesen. Schon seit 2002 gibt es sie hierzulande. Die GeoUnion sichert die Qualität der Parks mit einer Kommission, die über das Label „Nationale Geoparks“ wacht. Alle fünf Jahre wird das Zertifikat überprüft. Es kommt auch vor, dass ein Geopark das Gütesiegel verliert – gleichzeitig warten immer neue Anwärter auf die Zusage.

„China ist heute weltweit führend, was die Zahl der Geoparks betrifft. Das Land hat die Parks als Instrument der Tourismusentwicklung für die wachsende Mittelschicht entdeckt.“ Geoparks sind seit 2016 auch Teil eines UNESCO-Programms; wer bereits national zertifiziert ist, kann sich um den Titel „UNESCO-Geopark“ bewerben. Sechs von diesen liegen in Deutschland, einer sogar in Brandenburg: der Muskauer Faltenbogen, der auch zu Sachsen und Polen gehört. „Ein Beispiel für eine tolle deutsch-polnische Zusammenarbeit“, sagt Ellger. Während andere Parks in Deutschland die Geschichte der vergangenen Jahrmillionen erzählen, bietet Brandenburg wie das gesamte norddeutsche Tiefland vor allem Einblicke in die vergleichsweise junge geologische Vergangenheit. Die hiesigen Geoparks veranschaulichen die Naturereignisse der vergangenen 400.000 Jahre.

„Der Muskauer Faltenbogen zeigt, wie die Eiszeit die Region prägte und hier ein besonderes Flusssystem, hunderte Seen sowie Torfmoore entstehen ließ.“ In der sogenannten Elster-Kaltzeit vor rund 340.000 Jahren stauchten und falteten Gletscher das Gestein, so dass nicht nur die charakteristische, hufeisenförmige Stauchendmoräne entstand, sondern auch tieferliegende Erdschichten hochgeschleppt wurden: unter anderem Braunkohle aus dem Zeitalter des Tertiär. Zu bieten hat der Park damit auch ein Stück Industriegeschichte, die in alten Bergbaugruben zu entdecken ist. Nicht zuletzt fand man 1903 in einer Tongrube ein Mammutfossil, das wohl vor ungefähr 120.000 Jahren im Sumpf versank. Es ist das älteste in Deutschland erhaltene Mammutskelett.

Riesige Findlinge, Dünen und Rinnenseen sind im zweiten brandenburgischen Geopark zu bestaunen, dem Geopark Eiszeitland am Oderrand. Die Findlinge, manche von ihnen über 30 Tonnen schwer, haben mit den Gletschern aus dem Norden Hunderte Kilometer hinter sich gebracht. Mythen erzählen von Riesen, die diese Findlinge als Wurfgeschosse nutzten. „Auch forschungsgeschichtlich ein sehr interessantes Gebiet“, sagt Ellger. Die Front der eiszeitlichen Gletscher, die sogenannte Eisrandlage, führte einst durch ebendiese Region. Daher diente sie dem Geomorphologen Albrecht Penck Ende des 19. Jahrhunderts dazu, die Vergletscherung des nördlichen Mitteleuropas nachzuweisen. „Hier gibt es spannende Endmoränenzüge, vor denen sich Kiese und Sande abgelagert haben“, erklärt Ellger. Beide Rohstoffe sind heute von großer Bedeutung für die Bauindustrie.
Ein zentrales Anliegen der Parks ist die Kooperation mit der Wissenschaft. Im Geopark Porphyrland bei Leipzig erforschen Wissenschaftler beispielsweise einen unterirdischen Supervulkan, der vor rund 300 bis 270 Millionen Jahren mehrmals ausgebrochen war. „Der rote Porphyr, nach dem der Park benannt ist, ist ein sehr edles Gestein, das aus den vulkanischen Ablagerungen entstand und schon in römischen Zeiten für die Särge der Kaiser genutzt wurde.“

„Wir wollen die Menschen in ihrer Freizeit abholen“, sagt Ellger. In jedem Park gibt es ein Infozentrum mit kleinen Ausstellungen zu den jeweiligen Attraktionen. Mit Geopfaden im Gelände, eigenen Landschaftsführerinnen und -führern und interaktiven Schautafeln können sich Naturbegeisterte über die regionalen Besonderheiten informieren. Auch die örtlichen Museen kooperieren mit den Parks und präsentieren geowissenschaftliche Forschung. Aber auch Wirtschaftsgeschichte und Architektur, die sich auf die geologische Ausstattung gründen, werden dort erfahrbar. „Die regionalen Gesteine sind im Alltag der Menschen bis heute präsent“, so Ellger. Im Geopark Schieferland in Thüringen zum Beispiel sind die Häuserfassaden und -dächer oft aus Schiefer. In Brandenburg wiederum finden sich neben Sand, Kies und Braunkohle auch Tone, die unter anderem für die Ziegelproduktion genutzt wurden. Und manche Gesteinsaufschlüsse haben nicht nur einen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen, sondern auch einen großen ästhetischen Wert. Wie etwa der Marmor-Bruch Unica im hessischen Geopark Westerwald-Lahn-Taunus, ein 380 Millionen Jahre altes fossiles Stromatoporenriff aus dem Devonmeer. „Hier wird der geologische Aufschluss zum Kunstwerk“, sagt Christof Ellger.

Tourismus, Bildung und Naturschutz, das sind die drei Hauptziele der Parks. „Wir betreiben Geotopschutz“, so Ellger. Die Grube Messel in Hessen zum Beispiel, wo einst Ölschiefer abgebaut wurde, sollte noch in den 1980er Jahren zur Mülldeponie umfunktioniert werden. Dies konnten Forscherinnen und Forscher glücklicherweise verhindern – schließlich wurden dort bedeutende Fossilien gefunden, von Jahrmillionen alten Urpferdchen über Alligatoren bis zu frühen Primaten. Heute ist sie UNESCO-Welterbe. „Man könnte meinen, nur die belebte Natur brauche Schutz – aber auch Steine müssen geschützt werden.“

http://www.nationaler-geopark.de
https://www.geoparks-in-deutschland.de/de/about.html
http://www.muskauer-faltenbogen.de/
https://www.geopark-eiszeitland.de/

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2020 „Bioökonomie“ (PDF).