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Nachdem die seit langem eingeforderte Reisefreiheit für Bürger des ehemaligen Ostblocks Wirklichkeit geworden ist, und das Recht auf Niederlassung dies in absehbarer Zeit werden wird, steht man ihnen auf westlicher Seite sehr skeptisch gegenüber und beginnt mit der Errichtung einer "Festung West-Mittel-Europa". Deren Charakteristik besteht einerseits im Abbau der Grenzen innerhalb der Union und andererseits im Ausbau des Grenzschutzes an den Außengrenzen. Das Schengener Abkommen, gefolgt von der Borders Convention und der Dublin Convention stehen als Synonyme für diese Entwicklung. Dabei kann man im Zusammenhang mit dem europäischen Erweiterungsprozess, zwischen Forderungen nach Übergangsfristen in Bezug auf Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit der Arbeitnehmer aus den zukünftigen neuen EU-Mitgliedstaaten sowie der Abschottung der EU nach außen als solche unterscheiden. Die Aufnahme neuer Staaten aus Mitteleuropa verändert in diesem Sinne die Abgrenzungstendenzen nicht, sondern verleiht ihnen eine neue Dimension. Die frühere Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl, aber auch die Landesregierungen im Osten Deutschlands plädierten für eine Übergangsfrist bis zum Jahre 2015. Die neue Regierung sprach sich dagegen, nach einjährigen Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Wirtschafts- und Arbeitsministerium, für eine 7jährige Übergangsfrist aus. Das Arbeitsministerium forderte zunächst eine Übergangszeit von 15 Jahren. Dies obwohl die bevorstehende Osterweiterung der EU, nach einer von der Europäischen Kommission in Brüssel in Auftrag gegebenen Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Bonner Institutes zur Zukunft der Arbeit (IZA), keine massive Zuwanderung nach Deutschland und in andere Länder der Gemeinschaft auslösen soll. Das DIW erwartet, daß bei voller Freizügigkeit der Arbeiter jährlich 350.000 Menschen aus den MOE-Staaten in die jetzige EU ziehen werden. Knapp 220.000 Personen sollen davon nach Deutschland kommen. Die polnische Seite streitet bei den Beitrittsverhandlungen für funktional nicht zusammenhängende Verhandlungsmaterien, wie die von ihr geforderte Übergangsfrist von jeweils 25 und 5 Jahren, in Bezug auf die staatliche Kontrolle über die Veräußerung von forst- und landwirtschaftlichem Boden an Ausländer sowie Baugrund für Investitionen. Dem steht die deutsche Forderung nach Schutz des Arbeitsmarktes durch die erwähnte 7jährige Übergangsfrist gegenüber. Danach soll, so die polnische Seite, lediglich die finanzielle Unterstützung der polnischen Landwirtschaft durch EU-Reformmaßnahmen und damit die Verringerung der Arbeitslosigkeit und des daraus resultierenden Arbeitsmigrationspotentiales mit dem ungehinderten Zugang Polens zum Arbeitsmarkt der Gemeinschaft in einer funktionellen Beziehung stehen. Insgesamt stellt Polen in 20 der 29 Beitritts-Verhandlungspakete Forderungen nach Übergangszeiten auf. Grundgedanke sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist es, die Herstellung eines gemeinsamen Binnenmarktes, nicht zuletzt durch den Abbau der Personenkontrollen, und die Sicherung eines freien Verkehrs der Personen, Waren und des Kapitals zu gewährleisten. Im Gegensatz dazu dienen die Grundrechte primär dem Ziel, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu schützen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, daß Anforderungen an das parlamentarische Regierungssystem sowie die Gewährleistung der Achtung der Menschenrechte schon bei Aufnahme der Beitrittsverhandlungen vorliegen müssen. Wirtschaftliche Merkmale dagegen können auch während einer Übergangszeit implementiert werden. Da eine gemeinschaftliche EU-Ausländerpolitik nur schrittweise und ohne ein von allen Mitgliedstaaten akzeptiertes Gesamtkonzept vorankommt, spielen bei der Aufnahme von Migranten aus Drittstaaten vornehmlich nationale und politische Interessen der Mitgliedstaaten eine Rolle. Hauptleidtragende dieser Situation sind Migranten, deren Fluchtursachen stark von denen divergieren, die noch zur Zeit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention aktuell waren Es wäre wünschenswert, daß in Zukunft ein Ausgleich zwischen internationaler Gewährleistung des Schutzes der Menschenrechte und Grundfreiheiten in dritten Staaten sowie der Niederlassungsfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten gefunden werden würde.
1. Migrationspotential Polen Die Freizügigkeit des Personenverkehrs – auch über nationale Grenzen hinweg – zählt zu den vier Grundfreiheiten der EU. Im Zuge der Osterweiterung ist daher die Frage, ob dieses Recht nicht zu erheblichen und politisch schwer verkraftbaren Wanderungen führen könnte, wesentlich. Betrachtet man ausschließlich das allgemeine Migrationspotential (Personen, die daran denken, ins Ausland zu gehen) so scheinen sich die Migrationsszenarien, die Anfang der 90er Jahre in Umlauf gebracht wurden, zu bestätigen..2 16,6 % der polnischen Befragten denken laut eigenen Angaben daran, ins Ausland zu gehen. Bedeutend niedriger ist das wahrscheinliche Migrationspotential (Personen, die erste Schritte unternommen haben, um auszuwandern). Nur ein Drittel der Polen, die eine Migration potentiell in Betracht ziehen, haben auch konkrete Schritte zu deren Realisation unternommen, und nur knapp 400.000 haben sich tatsächlich um offizielle Einreise- oder Beschäftigungsgenehmigungen bemüht (tatsächliches Migrationspotential).
(Quelle: Erhebung Gallup, Juni-Juli 1996)
(Quelle: Erhebung Gallup, Juni-Juli 1996)
2. Migration - Zielland Polen3 Auf die über 80 Millionen Ausländer, die jährlich nach Polen kommen, kann der Begriff des Migranten nur schwerlich pauschal angewendet werden. Die meisten von ihnen verbringen in Polen nicht mehr als einen Tag, größtenteils um einzukaufen. Wenn man von dieser Gruppe jedoch diejenigen – wie Touristen, Personen die ihre Familienangehörigen besuchen, Diplomaten etc. – außer Betracht läßt, bleibt immer noch eine beachtliche – und wachsende Zahl – von Personen, die unter den Begriff des Migranten subsumiert werden können.
In der Konvention zum Schutz der Rechte aller
Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen4
versteht unter einem Wanderarbeitnehmer a) sogenannter Kleinhandel Unter den Arbeitsmigranten, die nach Polen kommen, stellen Kleinhandeltreibende die größte Gruppe dar. Anfang der 90er Jahre beschäftigten sie sich hauptsächlich mit dem Import verschiedener Waren nach Polen, mittlerweile wechselten sie jedoch zum Export über. Von typischen Einkaufsbummlern unterscheiden sie sich dadurch, daß sie die in Polen erworbenen Waren in ihrem Heimatland oder in einem anderen weiterverkaufen. Der Kleinhändler ist das typische Erscheinungsbild für die polnische Ostgrenze. Nach Angaben des staatlichen polnischen Statistik-Instituts aus dem Jahre 1997 übersteigen die durchschnittlichen Ausgaben eines – die östliche Grenze überquerenden – Ausländers mehr als viereinhalbmal die Ausgaben der Ausländer, die nach Polen über die westliche Grenze einreisen. Die vor kurzem vorgenommene Formalisierung von Einreisevoraussetzungen für Staatsangehörige der GUS führte zu massiven Protesten der im Grenzgebiet betroffenen polnischen Bevölkerung. Eine weitere Abschottung zum Osten, wie dies durch die EU-Erweiterung vorgesehen ist, könnte aufgrund der geopolitischen Lage Polens und der historischen Erfahrungen in dieser Region schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. b) Arbeitssuchende Das Baugewerbe sowie die Landwirtschaft stellen die typischen wirtschaftlichen Sektoren mit einer Nachfrage nach elastischer, niedrigbezahlter, auf kurzfristiger Basis beruhender unqualifizierter Arbeit. Dabei ist festzuhalten, daß die Mehrheit dieser Arbeiter sich nicht registrieren läßt. Nach der Zunahme im Jahre 1992 hat sich die Anzahl der gestellten (und genehmigten) Anträge auf Arbeitsgenehmigungen stabilisiert und beträgt jährlich ca. elf- bis zwölftausend. Die Zahl der illegal Beschäftigten ist nach Schätzungen viel höher. Diese Migranten verbleiben jedoch in der Regel relativ kurz in Polen – ca. drei Monate. Oft ist es aber auch so, daß diese Personen in regulären Abständen nach Polen im Pendeltakt kommen (z.B. dreimal im Jahr) und dies über mehrere Jahre hinweg c) Langzeitmigranten Aus formellen Gründen kann als Langzeitmigrant nur jemand mit einer ständigen Aufenthaltsgenehmigung (karta stałego pobytu) angesehen werden. Die Gruppe von Personen, die über solch einen Aufenthaltsstaus verfügen, ist auf relativ wenige begrenzt. Im Jahre 1993 waren es 2669, ein Jahr später 3205 und 1996 waren es 4336 Personen. d) Motivation Als Grund für die Auswahl Polens als Zielland gibt fast die Hälfte der Migranten familiäre Beziehungen an (meistens ist der Ehepartner Pole). 30 % der Befragten gaben an, polnische Vorfahren zu haben. Die Tatsache, daß eine Vielzahl der Migranten – mit ständigem Aufenthalt – sich auf ihre polnische Abstammung beruft oder in ethnisch gemischten Familien lebt, wirkt sich positiv auf ihre gesellschaftliche Integration in Polen aus. Nicht zu verkennen sind jedoch auch und vor allem die wirtschaftlichen Aspekte (relativ freier und ungehinderter Zugang zum polnischen Arbeitsmarkt – speziell der sog. grauen Zone, wo derzeit selbst ca. 2 Millionen Polen beschäftigt sind) sowie die geographische Nähe der Herkunftsländer und eine gut funktionierende – auf die Migration eingestellte – Kommunikationsinfrastruktur, welche die Migrationskosten nach unten drückt. Von den Arbeitsmigranten stellen 29 % Ukrainer und 26,6 % Weißrussen die größten Bevölkerungsgruppen dar. Hierbei ist auch die wirtschaftliche und politische Situation der Herkunftsländer sowie die Frage nach der Gewährleistung von Menschenrechten und Grundfreiheiten nicht zu verkennen.
Polen selbst gehörte bis Ende der 80er Jahre mehr zu den flüchtlingsgenerierenden als flüchtlingsaufnehmenden Staaten. Der politische Umbruch in Ost- und Mitteleuropa, der seinen Anfang in Polen genommen hatte, breitete sich schnell auf dessen Nachbarstaaten aus. In diesem Zusammenhang muß man auch die Ratifikation der Genfer Flüchtlingskonvention im Jahre 1991 (Dz. U. 1991 Nr. 119, poz. 515 und 516) betrachten, die davor – in der Ost-West-Auseinandersetzung des Kalten Krieges – als ein Akt der Westmächte gegen den sozialistischen Block gewertet worden war 1. Recht im Asyl - Flüchtlingsstatus (status uchodźcy) a) Das Ausländergesetz von 1997 Am 25. September 1997 ist ein neues Ausländergesetz (AuslG) in Kraft getreten (Ustawa o cudzoziemcach vom 25. Juni 1997 r. - Dz. U. vom 26. September 1997 r. Nr. 114 Poz. 739). 5 Dieser seit langem erwartete Rechtsakt löste das alte Ausländergesetz vom 29. März 1963 ab und schuf somit neue, der polnischen Rechtsordnung völlig fremde Begriffe und Rechtsinstitute. Bislang fehlte es nämlich an weitgehend gesicherten Grundlagen für die Behandlung von Asylgesuchen.6 Das Gesetz unterscheidet nunmehr zwischen einem sicheren Herkunftsstaat, sicherem Drittstaat und einem offensichtlich unbegründetem Antrag auf ein Asylbegehren. In Kapitel IX des neuen AuslG wurde die Verantwortlichkeit der Beförderungsunternehmen geregelt für den Fall, daß ihre Kunden nicht über die erforderlichen Dokumente verfügen. Darüber hinaus werden nach Art. 56 AuslG von Personen, gegen die eine Abschiebungsentscheidung ergangen ist, Photos angefertigt und Fingerabdrücke genommen (vgl: Übereinkommen von Dublin / Schengener Abkommen).
Der Flüchtlingsstatus wird nach wie vor gemäß den
Voraussetzungen der Genfer Flüchtlingskonvention und des New Yorker
Protokolls anerkannt, soweit der Ausländer nicht schon in einem anderen
Land einen solchen Status erhalten hat. Flüchtling ist danach (Art. 1 A
Abs. 2), Diese Definition des Flüchtlings wird aber durch zusätzliche Merkmale stark eingeschränkt (Schutz im sicheren Drittstaat, allgemeine Verfolgungsgefahr, Verfolgung durch den Staat). Auch prozessuale Einschränkungen spielen hierbei eine Rolle (offensichtlich unbegründeter Antrag, Aufschiebung der Antragsprüfung noch vor Prüfung der Zulässigkeit, Antragstellung an der Grenze). Hervorzuheben ist auch, daß Polen derzeit über keine rechtlichen Rahmenbedingungen verfügt, die es ermöglichen würden, an humanitären Hilfsaktionen wie in Mazedonien und Albanien teilzunehmen. Die Aufnahme von kosovarischen Flüchtlingen unter den bestehenden Bedingungen konnte nur als provisorische Lösung betrachtet werden und sollte als Ansporn dienen, ein entsprechendes humanitäres Flüchtlingsgesetz zu schaffen.
Das neue Ausländergesetz beinhaltet auch
Abschiebungshindernisse. Im Sinne von Art. 46 AuslG sind
Abschiebungsentscheidungen per Gesetz schwebend unwirksam –
soweit der Betroffene einen Asylantrag stellt. Art. 53 AuslG stellt fast
die wörtliche Übersetzung von Art. 3 der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) dar, welche eine Abschiebung in ein Land
in welchem der Betreffende aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung
verfolgt werden könnte oder einer Folterung, einer unmenschlichen oder
erniedrigenden Behandlung Der Antrag auf Asyl kann und sollte an der Grenze gegenüber einem Grenzsoldaten eingereicht werden oder innerhalb von 14 Tagen nach Grenzübertritt, soweit der Betroffene nachweisen kann, daß dies zunächst aufgrund einer begründeten Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit nicht möglich war. Bei sogenanntem illegalen Grenzübertritt sollte der Antrag unmittelbar nach Grenzübertritt gestellt werden, was jedoch den betreffenden Flüchtling nicht von der gerichtlichen Verantwortung für den "illegalen" Grenzübertritt befreit, welcher einen Straftatbestand darstellt. Fraglich ist aber, ob die polnischen Grenzsoldaten für die Entgegennahme solcher Asylanträge vorbereitet sind und wissen, daß ihnen eine solche Pflicht zur Entgegennahme zukommt. Nach wie vor könnte hierbei die Gewährleistung der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention angezweifelt werden (vgl: Polen kein sicherer Drittstaat – Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Dez. 1994: "wenn ein Schutzersuchen an die Grenzbehörden oder die Polizei gerichtet wird, ist nicht sichergestellt, daß dieses auch an das Amt weitergeleitet oder die Flüchtlinge von der Möglichkeit der förmlichen Antragstellung in Warschau unterrichtet werden"). Ähnliches gilt jedoch gleichzeitig für die sogenannten Anhörer bei dem Amt für Grenzschutz, Migration und Flüchtlingswesen in Warschau, das dem Ministerium für Inneres und Verwaltung unterstellt ist, da diese nur über unzureichende Kenntnisse der Rechte eines Antragstellers im Verwaltungsverfahren verfügen. An dieser Stellte sollte unterstrichen werden, daß unbegleitete minderjährige Flüchtlinge keinen Zugang zu einem fairen Asylverfahren in Polen genießen. Aufgrund der familienrechtlichen Bestimmungen kann für minderjährige ausländische Kinder, deren Eltern sich im Ausland befinden, kein Vormund bestellt werden. Demnach ist davon auszugehen, daß Polen keinen sicheren Drittstaat für diese Personengruppe darstellt, was auch Auswirkungen auf die mit Polen geschlossen Rückübernahmeabkommen haben könnte. Die endgültige Entscheidung über die Anerkennung als Flüchtling sollte hierbei gemäß Art. 41 AuslG nicht später als drei Monate nach der Asylantragstellung erfolgen (in der Praxis kommt es jedoch hierbei zu erheblichen Verzögerungen von bis zu über einem Jahr). In Kapitel X des AuslG wurde der Rat für Flüchtlingsangelegenheiten (Rada do Spraw Uchodźców) ins Leben gerufen, der als Berufungsinstanz für die erste Entscheidung über die Anerkennung als Flüchtling, die im Namen des Ministers für Inneres und Verwaltung ergeht, gilt. Klärungbedürftig erscheint jedoch, ob dieser Rat als eine wirksame Berufungsinstanz im Sinne von Art. 13 EMRK angesehen werden kann (die Vorschriften darüber traten erst am 1. Januar 1999 in Kraft). Hierbei ist zu bemerken, daß "illegal" nach Polen eingereiste Ausländer keine Möglichkeit besitzen, gegen ihre Abschiebungsandrohung vor dem Hauptverwaltungsgericht zu klagen. Diese Situation muß als ein Verstoß gegen den in der Verfassung garantierten Gleichheitsgrundsatz gewertet werden. b) Die Verfassung vom 2. April 1997 Auch die neue polnische Verfassung (Dz. U. Nr 78, poz. 483), die am 2. April 1997 von der Nationalversammlung verabschiedet wurde, enthält ausländerrechtlich relevante Implikationen. Solche Rechtsschutzgarantien die unmittelbar anwendbar sind, enthielt die alte Verfassung vom Anfang der 50er Jahre nicht. In Art. 30 der neuen polnischen Verfassung wird die Unantastbarkeit der Menschenwürde garantiert, und in ihrem Art. 38 verpflichtet sich Polen, das Leben jedes Menschen unter rechtlichen Schutz zu nehmen. Art. 40 garantiert das Verbot von Folter, unmenschlicher oder grausamer Behandlung sowie das Verbot von Körperstrafen. Diese Rechtsschutzgarantien können in Zukunft als mögliche Abschiebungshindernisse an Bedeutung gewinnen. Hierbei ist jedoch hervorzuheben, daß eine Verfassungsklage gegen eine negative Entscheidung des Ministers für Inneres und Verwaltung über die Gewähr von Asyl nach Art. 79 Abs. 2 der Verfassung ausdrücklich ausgeschlossen ist. 2. Soziale Sicherung a) Der anerkannte Flüchtling
Dem Ausländer kann nach Art. 40 AuslG, wenn dies
erforderlich und für die Zeit des Verfahrens unabdingbar ist, sowie in
besonders begründeten Fällen für drei Monate nach dem Ergehen der
endgültigen Entscheidung eine: b) Integration7 Eines der schon mehrmals von verschiedenen Organisationen und zum Teil auch staatlichen Institutionen beklagten Probleme ist das Fehlen von Programmen, die anerkannte Flüchtlinge und Ausländer im allgemeinen gesellschaftlich integrieren würden. Die Aufgabe der Integration von anerkannten Flüchtlingen liegt in den Kompetenzen der Gemeinden. Am 17. April 1998 wurde dazu zwischen dem Innenministerium und dem Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik ein Übereinkommen unterschrieben, das die stufenweise Übernahme der Aufgaben einer Integrationspolitik durch das Ministerium für Arbeit regelt. Danach wurden die Asylheimverwaltungen verpflichtet, spätestens zwei Monate vor dem Verlassen des Heimes durch den anerkannten Flüchtling die zuständige Gemeinde zu informieren, um ihr eine Vorbereitung zur Aufnahme des Flüchtlings zu ermöglichen. Derzeit sind jedoch Probleme mit der Finanzierung entstanden, so daß augenblicklich keine Integrationsprogramme durchgeführt werden. In der Theorie sollte die Durchführung auf lokaler Ebene, die Koordination dagegen auf zentraler Ebene erfolgen. Daneben bestehen jedoch – zwar auf wenige Personen begrenzte - einzelne Maßnahmen des UNHCR sowie bis vor kurzem der Polska Akcja Humanitarna.
Da auch nach wie vor von einem beachtlichen Migrationspotential der von der Osterweiterung mitumfaßten Länder Mitteleuropas auszugehen ist, kann die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Abschottungspolitik der EU und dem Anspruch vieler Menschen auf ein würdiges Leben zur Destabilisierung an Europas Außengrenzen führen. Eine Hinwendung zu postkommunistischen und populistischen Parteien sowie verschiedenen Nationalismen ist Beweis dafür, daß ein friedliches Zusammenleben der Völker Europas nur durch offene wirtschaftliche und politische Beziehungen gewährleistet werden kann. Gleichberechtigung und Partnerschaft können dabei einen positiven Beitrag in Wirtschaft und Kultur sowie in der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, speziell zwischen Polen und seinen östlichen Nachbarn, leisten. Die positive Erkenntnis der Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich sowie Deutschland und Polen sollte hierbei nicht auf Rhein und Oder begrenzt werden. Bei einem Zuwachs ausländerfeindlich motivierter Straftaten und unter Berücksichtigung der Bemühungen Polens um einen Beitritt zur EU, in der ein Zusammenleben verschiedener Kulturen und Nationen grundlegend ist, kann die Mißachtung dieses Anliegens schwerwiegende Folgen haben. So wurden nach Angaben der größten polnischen antifaschistischen Organisation Nigdy Więcej [Niemals Wieder] in Polen seit Anfang der 90er Jahre bereits 20 Personen infolge rechtsextremer Straftaten getötet. Entscheidend ist, daß Migrationsbewegungen vor allem in einem bestehendem Wohlstandsgefälle begründet sind. Insoweit einen Ausgleich zu schaffen, sollte als maßgebliche friedenssichernde und -fördernde Aufgabe verstanden werden, für die sich Polen als verständnisvoller Ansprechspartner für seine östlichen Nachbarn – gerade auch als EU-Mitglied – einsetzen muß, denn eine Destabilisation ist in niemandes Interesse.
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1 | Der Beitrag greift auf Erfahrungen zurück , welche der Verfasser im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Asylberater gemacht hat. Aus der spärlichen deutschsprachigen Literatur zu diesem Thema sind die folgenden Aufsätze hervorzuheben: Doyé, Louise: Die gesetzlichen Grundlagen des Asyl- und Flüchtlingsrechts in Polen, ZAR 3/1999, 134-138; Henkel, Joachim: Asyl in Polen – Probleme – Perspektiven, ZAR 2/1993, 79-81; Zimmermann, Andreas: Aktuelle Fragen des Flüchtlings- und Asylrechts in Polen, DÖV 1993, 559-564. |
2 | Erhebung des Österreichischen Gallup-Instituts in den Monaten Juni und Juli 1996. |
3 | Dieser Abschnitt beruht auf den Ergebnissen einer Erhebung von Dariusz Stola (Institut für Soziale Studien der Universität Warschau) aus den 90er Jahren. |
4 | GV Res. 45/158 vom 18. Dezember 1990. |
5 | Sowohl das alte Ausländergesetz als auch das neue unterscheiden zwischen Flüchtlingsstatus und Asyl, wobei letzteres sich an keine Voraussetzungen knüpft, sondern nur im Ermessen der Behörden liegt. In diesem Beitrag wird jedoch der Begriff Asyl im deutschen Sinne verwendet. |
6 | Vgl. Majchrzak, Kamil: Die prozessuale Durchsetzung von Artikel 3 EMRK in der polnischen Rechtsordnung, Frankfurt/Oder 1997. |
7 | Bei der Lustration des Abschiebegefängnisses in Wrocław (Südpolen), die der Verfasser durchgeführt hat, beklagte der Direktor der Anstalt, daß mehrmals Ausländer – aufgrund des Ablauf der 90 tägigen Haftfrist - ohne jegliche Mittel verfügend auf die Straße gesetzt werden, da es an Integrationsprogrammen der Regierung fehlt und mit Ausnahme einiger NGO’s dieses Problem nicht wahrgenommen wird. |
Inhalt | Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 2 / 2001 | nach oben |