Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 8. Juni 2010

Inhalt

Kinder. Rechte. Kinderrechte.
 
Unter diesem Titel wird  in loser Folge über Entwicklungen im Bereich des internationalen Rechts zum Schutze der Kinder berichtet. Als Schwerpunkte des Gebiets zeichnen sich dabei u.a. ab: Kriminalität von Kindern und Jugendlichen, Kinder und Jugendliche im bewaffneten Konflikt, Erziehung, Familienrecht, das Verhältnis von Kindern und Jugendlichen einerseits und Medien andererseits. Besonderes Augenmerk verdienen natürlich auch Bestrebungen zur Eindämmung der Kinderarbeit 
(vgl. die bisherigen Berichte in MRM Heft 4 / Oktober 1997; MRM 2/1998; MRM 2/1999; MRM 2/2001, MRM 3/2001
 

 Norman Weiß:

Zehn Jahre Kinderrechtskonvention - Ist die Euphorie verfolgen? 

Inhaltsübersicht
I. Inhalt und Zielsetzung der Konvention
II. Praxis und Auswirkungen
III. Offene Probleme
 
 
 
II.

I. Inhalt und Zielsetzung der Konvention

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Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes1 (KRK) markiert einen internationalen Bewußtseinswandel. In früheren Deklarationen2 wurde zwar die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern betont, doch sah man sie lange eher als Objekte des internationalen Rechts denn als eigenständige Rechtssubjekte, das heißt als Inhaber von Rechten und Freiheiten, an.

Mit der KRK wurden individuelle, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Minderjährigen erstmalig rechtsverbindlich in einem internationalen Übereinkommen festgehalten.

Art. 1 der Konvention definiert als minderjährig jeden Menschen, "der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt".

Das Prinzip des Kindeswohls wird in Art. 33 statuiert, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, deren Wohl vorrangig zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus ist es dem gesamten Übereinkommen immanent.

Die KRK beinhaltet die traditionellen, allgemeinen menschenrechtlichen Garantien ebenso wie spezielle, der besonderen Situation von Kindern als den schwächsten Gliedern der Gesellschaft angemessene Rechte und Freiheiten. Das Recht auf Leben (Art. 6), das Diskriminierungsverbot (Art. 2) sowie das Verbot der Folter und anderer grausamer Behandlung (Art. 37) werden ergänzt durch: das Recht auf einen Namen, eine Staatsangehörigkeit und auf Kenntnis der Abstammung (Art. 7, 8) oder das Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen (Art. 10).

Die Art. 19, 32, 34-37 enthalten Bestimmungen zum Schutz vor Gefahren, denen insbesondere Kinder ausgesetzt sind, wie physische und seelische Mißhandlung, sexueller Mißbrauch und wirtschaftliche Ausbeutung.

Andere Rechte wollen die Entwicklung von Kindern fördern, wie beispielsweise Bildung (Art. 28, 29), Freizeit und kulturelle Aktivitäten (Art. 31). Auch Kinder sollen ein Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 13, 17), auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 14) ausüben können.

Die Situation von Kindern, die Minderheiten angehören (Art. 30), Flüchtlingen (Art.22), geistig und körperlich behinderten Minderjährigen (Art. 23, 25) sowie Kindern, die von bewaffneten Konflikten betroffen werden (Art. 38), wird durch eigene Vorschriften unter besonderen Schutz gestellt.

 

 

III.

II. Praxis und Auswirkungen

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Heute sind 191 Staaten an die KRK gebunden; sie ist damit das menschenrechtliche Übereinkommen mit der höchsten Ratifikationszahl. Die hohe Akzeptanz der KRK durch die Staaten zeigte sich auch daran, daß sie bereits ein Jahr nach ihrer Verabschiedung mit der Hinterlegung der zwanzigsten Ratifikationsurkunde in Kraft treten konnte.

Rasches Inkrafttreten und universelle Verbreitung sind das eine, die tatsächlichen Auswirkungen in den Vertragsstaaten das andere. Wie Frauenrechte gelten auch Kinderrechte als "weiches" Thema, zu dem sich Staaten, ohne nachhaltige Konsequenzen befürchten zu müssen, glauben bekennen zu können.

Dies zeigt sich auch in der Arbeit des "Ausschusses für die Rechte des Kindes" (Ausschuß) nach Art. 43. Dieser soll die Fortschritte, die die Staaten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen machen, überprüfen. Dazu nimmt er ihre Staatenberichte entgegen und berichtet seinerseits über den Wirtschafts- und Sozialrat an die Generalversammlung (Art. 44). Außerdem kooperiert er mit den Sonderorganisationen und UNICEF (Art. 45). Weitere Kompetenzen stehen ihm nicht zu. Der Ausschuß hat sich inzwischen jedoch darauf verständigt, der Praxis anderer Vertragsorgane zu folgen und sogenannte Allgemeine Bemerkungen zu verabschieden.

Der Auschuß kam im Jahr 1998 zu seiner 17., 18. und 19. Session zusammen; er traf sich dreimal für jeweils drei Wochen in Genf. Dabei nahm er die Staatenberichte von vierzehn Staaten entgegen. Zu den häufig wiederkehrenden Themen gehörten Kinderarmut und steigende Selbstmordraten unter Kindern, Kindesmißhandlungen, Diskriminierung von aus Randgruppen stammenden Kindern und schließlich die Feststellung, daß eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich nachteilig auf die Förderung der Menschenrechte von Kindern auswirkt. Unabhängig von der Situation in einzelnen Staaten diskutierte der Ausschuß im Jahr 1998 drei Themengebiete: Behinderte, Aids und Kinder in bewaffneten Konflikten.

Während der 20, 21. und 22 Session im Jahr 1999 nahm der Ausschuß siebzehn Staatenberichte entgegen. Gegenstand des Interesses waren dabei insbesondere Aspekte des Kriminalstrafrechts für Jugendliche, Umstände der Polizeihaft, die Benachteiligung von Mädchen und allgemein von Kindern, die Randgruppen (v.a. Ureinwohner) angehören. Eine wiederkehrende Rolle spielten auch die körperliche Züchtigung und nach wie vor hohe Kinderarbeitszahlen.

Am zehnten Jahrestag der Verabschiedung der KRK fand eine besondere Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Hochkommissariat für Menschenrechte statt. Dabei ging es darum, das Erreichte zu würdigen, die Herausforderungen der Zukunft zu beschreiben und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Zu den in diesem Zusammenhang diskutierten juristischen Problemen gehörten die Vorbehalte zu menschenrechtlichen Verträgen, die innerstaatliche Wirkung von völkerrechtlichen Menschenrechtsübereinkommen und ihre gerichtliche Geltendmachung. Darüberhinaus wurden Fragen im Zusammenhang mit der Überwachung durch den Ausschuß diskutiert.

Am 21. Januar 2000 legte eine Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission den Entwurf eines Zusatzprotokolls zur KRK vor, das sich mit der Verwicklung von Kindern in bewaffneten Konflikten befaßt. Dieser Entwurf wird der Menschenrechtskommission während ihrer 56. Sitzung im März/Arpil 2000 vorgelegt werden. Mit ihm soll erreicht werden, daß das Mindestalter für Soldaten im Einklang mit der KRK auf achtzehn Jahre angehoben wird.


Entscheidend für die Wirksamkeit von Menschenrechtsvereinbarungen sind die Konsequenzen, die auf nationaler Ebene gezogen werden, um die Verpflichtungen, die die Staaten völkerrechtlich eingegangen sind, mit Wirkung für den einzelnen umzusetzen. Hier fällt die Bilanz - ungeachtet der Erfolgsgeschichte "Ratifikation" - insgesamt ernüchternd aus.

Die Bundesregierung wollte bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zur Kinderrechtskonvention zunächst erklären, daß das deutsche Recht den Vorgaben der KRK entspreche. Außerdem sollten die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts über die familien- und erbrechtlichen Verhältnisse nichtehelicher Kinder sowie das Sorge- und Umgangsrecht in bezug auf Kinder, deren Eltern bei fortbestehender Ehe dauernd getrennt leben oder geschieden sind, unberührt bleiben.4 Um dem Eindruck entgegegenzuwirken, eine Reform des Sorgerechts nicht vornehmen zu wollen, wurde die letztendlich abgegebene Erklärung modifiziert.5  

So konnte der Bundesminister der Justiz erklären, das Übereinkommen sei ein Anstoß für eine Neuordnung der elterlichen Sorge gewesen und habe zum Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform am 1. Juli 1998 geführt. Das neue Kindschaftsrecht erleichtert die gemeinsame Sorge geschiedener Eltern und ermöglicht ledigen Eltern die gemeinsame elterliche Sorge. Ebenso ist das Umgangsrecht für geschiedene oder ledige Eltern einheitlich ausgestaltet, und das Kind hat ein eigenes Recht auf Umgang mit seinen Eltern. Ein "Anwalt des Kindes" vertritt in Familien- und Vormundschaftssachen die Interessen des Kindes. Damit - so der Minister - entspricht das Gesetz Artikel 20 der Kinderkonvention, die für solche Fälle den besonderen Schutz des Staates einfordert.6  
 

 

 

III. Offene Probleme

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Von besonderer Dramatik gekennzeichnet ist nach wie vor das Bemühen von Vätern, angemessene Umgangsrechte oder gar das Sorgerecht für ihre Kinder eingeräumt zu bekommen. Die Betroffenen müssen häufig die Erfahrung machen, daß sich Behörden und Gerichte nicht um die Herstellung des Kindeswohls im Einzelfall bemühen, sondern dieses a priori bei der Mutter vermuten. Binationale Ehen bergen zusätzliche Risiken in diesem Bereich.

Auf der internationalen Ebene sind im tatsächlichen viele offene Flanken des Schutzes von Kinderrechten festzustellen. Der höchst verwerfliche Einsatz von Kindersoldaten ist hier ebenso zu nennen wie die oftmals schlechte wirtschaftliche Gesamtsituation, die viele Regierungen daran hindert, Mißstände zu beheben.

Erst allmählich setzt sich das Grundprinzip der KRK, demzufolge Kinder selbständige Träger von Menschenrechten sind, allgemein durch. Wie stets erlaubt ein Jubiläum weniger Selbstzufriedenheit, sondern muß einen Ansporn zu weiteren Anstrengungen bilden.

 



  Anmerkungen:
 
1 Vom 20. November 1989, GV-Res. 44/25; BGBl. 1992 II 121. In Kraft seit dem 20. September 1990, für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 5. April 1992.
2 Zur Entstehungsgeschichte vgl. B. Verschraegen, Die Kinderrechtekonvention, 1996, S. 1-10, und H. Stender, Die Kinderrechtskonvention, in: MRM Heft 4/Oktober 1997, S. 21-24.
3 Art. ohne nähere Bezeichnung sind solche der Kinderrechtskonvention.
4 BT-Drucksache 12/42 vom 24. Januar 1991, S. 54.
5 I. Die Bundesrepublik Deutschland erklärt, daß sie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes als einen Meilenstein der Entwicklung des internationalen Rechts begrüßt und die Ratifizierung des Übvereinkommens zum Anlaß nehmen wird, Reformen des innerstaatlichen Rechts in die Wege zu leiten, die dem Geist des Übereinkommens entsprechen und die sie nach Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens für geeignet hält, dem Wohlergehen des Kindes zu dienen. Zu den geplanten Maßnahmen gehört insbesondere eine Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge für Kinder, deren Eltern keine Ehe eingegangen sind, die als verheiratete Eltern dauernd getrennt leben oder geschieden sind. Hierbei wird es insbesondere darum gehen, auch in solchen Fällen die Voraussetzungen für die Ausübung der elterlichen Sorge durch beide Eltern zu verbessern. Die Bundesrepublik Deutschland erklärt zugleich, daß das Übereinkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet. Es begründet völkerrechtliche Staatenverpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatlichen Rechts erfüllt.

II. Die Bundesrepublik Deutschland ist der Auffassung, daß aus Art. 18 Abs. 1 des Übereinkommens nicht abgeleitet werden kann, mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung stehe das elterliche Sorgerecht auch bei Kindern, deren Eltern keine Ehe eingegangen sind, die als verheiratete Eltern dauernd getrennt leben oder geschieden sind, automatisch und ohne Berücksichtigung des Kindeswohls im Einzelfallbeiden Eltern zu. Eine derartige Auslegung wäre unvereinbart mit Artikel 3 Abs. 1 des Übereinkommens. Besonders im Hinblick auf die Fälle, in denen die Eltern über die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts nicht einig sind, sind Einzelfallprüfungen notwendig.

Die Bundesrepublik Deutschland erklärt darum, daß die Bestimmungen des Übereinkommens auch die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts

a) über die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte;
b) über das Sorge- und Umgangsrecht bei ehelichen Kindern;
c) über die familien- und erbrechtlichen Verhältnisse nichtehelicher Kinder

nicht berühren; dies gilt ungeachtet der geplanten Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge, deren Ausgestaltung in das Ermessen des innerstaatlichen Gesetzgebers gestellt bleibt.

III. Entsprechend den Vorbehalten, welche die Bundesrepublik Deutschland zu den Parallelgarantien des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte angebracht hat, erklärt sie zu Artikel 40 Abs. 2 Buchstabe b Ziffern ii und v des Übereinkommens, daß diese Bestimmungen derart angewandt werden, daß bei Straftaten von geringer Schwere nicht in allen Fällen
a) ein Anspruch darauf besteht, "einen rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand" zur Vorbereitung und Wahrnehmung der Verteidigung zu erhalten;
b) die Überprüfung eines nicht auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils durch "eine zuständige übergeordnete Behörde oder ein zuständiges höheres Gericht" ermöglicht werden muß.

IV. Die Bundesrepublik Deutschland bekräftigt ferner ihre am 23. Februar 1989 in Genf abgegebene Erklärung:

Nichts in dem Übereinkommen kann dahin ausgelegt werden, daß die widerrechtliche Einreise eines Ausländers in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder dessen widerrechtlicher Aufenthalt dort erlaubt ist; auch kann keine Bestimmung dahin ausgelegt werden, daß sie das Recht der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, Gesetze und Verordnungen über die Einreise von Ausländern und die Bedingungen ihres Aufenthalts zu erlassen oder Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen.

V. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland bedauert, daß nach Artikel 38 Abs. 2 des Übereinkommens bereits Fünfzehnjährige als Soldaten an Feindseligkeiten teilnehmen dürfen, weil diese Altersgrenze mit dem Gesichtspunkt des Kindeswohls (Artikel 3 Abs. 1 des Übereinkommens) unvereinbar ist. Sie erklärt, daß sie von der durch das Übereinkommen eröffneten Möglichkeit, diese Altersgrenze auf fünfzehn Jahre festzusetzen, innerstaatlich keinen Gebrauch machen wird."

6 E. Schmidt-Jortzig, Menschenrechtliche Entwicklung in Deutschland im Lichte des internationalen Vertragsrechts, in: E. Klein (Hrsg.), "Menschenrechte für alle" - 50 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Studien zu Grund- und Menschenrechten, Heft 2), 1998, S. 7-17 (16).
 

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