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Teil 1 | Teil 2 |
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a) Allgemeine Anmerkungen |
b) Die Berichte im einzelnen |
59. Sitzung |
60. Sitzung |
61. Sitzung |
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aa) Die Fassung der Allgemeinen Bemerkungen von 1997 ist zunächst aus formalen Gesichtspunkten interessant. Überwiegend werden die Bemerkungen als "comments" bezeichnet, ein Ausdruck der neben "observations" und dem viel seltener gebrauchten "comments and recommendations"9 bewußt von dem Begriff der "reports" abweicht, den die Konvention in Art. 40 Abs. 4 CCPR für das Ergebnis des Staatenbeschwerdeverfahrens verwendet. Mit der Bezeichnung als "comments" soll das zunehmende Element der Kontrolle gegenüber der bloßen Prüfung betont werden.10 Ob die Effektivität des Verfahrens hinsichtlich seines eigentlichen Zieles, nämlich kooperativ auf die Staaten einzuwirken, durch diese neue Akzentuierung verbessert wird, muß bezweifelt werden.11
bb) Hinsichtlich der Effektivität des Staatenberichtsverfahrens wiederholt der Ausschuß jeweils in den letzten Ziffern, daß seine Abschließenden Bemerkungen in der breiten Öffentlichkeit verteilt werden sollen. Zudem teilt er das genaue Fälligkeitsdatum des nächsten periodischen Berichtes mit. Wiederholt verweist er für die Abfassung des nächsten Berichtes auf Ziff. 6 lit. a seiner Richtlinien zum Inhalt der Staatenberichte12 und fordert konkrete Informationen an. Diese Formulierungen sind neu. Bisher beschränkte sich der Ausschuß auf die Aufforderung, die Bevölkerung allgemein über die Konvention zu informieren oder im nächsten Staatenbericht bestimmte Informationen zu unterbreiten. Um seinen Bemerkungen mehr Gewicht zu verleihen und ein Kontinuität der Staatenberichte zu errechnen, rügt der Ausschuß außerdem die mangelnde Umsetzung seiner Bemerkungen zu den vorherigen Berichten.13
cc) Der Ausschuß hat fast durchgehend die bisherige Gliederung seiner Allgemeinen Bemerkungen in vier Abschnitte aufgelöst, und die Gliederungspunkte "Hauptsächliche Gegenstände des Interesses" und "Anregungen und Empfehlungen" zusammengezogen.14 Die Verständlichkeit wird dadurch erhöht. Bei den Empfehlungen wurden deutlich überwiegend Schulungs- und Erziehungsmaßnahmen für Tätergruppen nahegelegt, Aufklärung potentieller Opfer über ihre Rechte und das Ziel der Heranbildung einer Menschenrechtskultur wiederholt benannt. Gemeinsamer Kritikpunkt bei allen Berichten ist die mangelhafte Darstellung der Rechtswirklichkeit in den betreffenden Staaten.15
dd)
Materiellrechtlich war die durchgehende Erörterung von Frauenrechten auffällig.
Dies wird mit der Ansprache von Ms. Angela King, Assistant Secretary-General,
Special Adviser on Gender Issues and Advancement of Women während der 59.
Sitzung in Zusammenhang stehen. Vergleicht man das dem Ausschuß vorliegende
NGO-Material mit den erörterten Themenkreisen, wird die Abhängigkeit
der Mitglieder von externen Informationen noch deutlicher.16
Wiederholt erörtert wurde die Todesstrafe. Aus der Beurteilung der mit
der Todesstrafe bedrohten Straftatbestände kann sich inzwischen indirekt
eine Auslegung des Begriffes "schwerste Verbrechen" ergeben.17
Die fast durchgehende Erörterung der Folter in den Staatenberichten ist
angesichts der sehr unterschiedlichen Herkunft der Berichte besorgniserregend.
In diesem Zusammenhang erörtert der Ausschuß regelmäßig
auch den Waffeneinsatz durch Polizei und Sicherheitskräfte.
In der Einführung bedauert der Ausschuß, daß nicht alle Reformgesetze, die im Staatenbericht genannt werden, auch bereits vom Parlament angenommen worden sind.
Der Ausschuß vermerkt positiv den anhaltenden Reformprozeß nach langer Diktatur. Die Reformanstrengungen werden nach Ansicht des Ausschusses durch wirtschaftliche Ungleichheit, einen hohen Grad von Armut und Analphabetismus und mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten für Ureinwohner, Frauen und Arme behindert. Der Ausschuß lobt verschiedene Kodifikationsanstrengungen, insbesondere die Verfassung von 1994 mit einem umfassenden Katalog bürgerlicher und politischer Rechte, das Strafgesetzbuch mit der Abschaffung der Todesstrafe und Gesetzesänderungen im Bereich des Wahlrechts, häuslicher Gewalt und der Prozeßgrundrechte. Positiv wird auch die Einrichtung eines Justizministeriums mit einer Menschenrechtsabteilung vermerkt.
Der Ausschuß
kritisiert aber auch verschiedene neue Gesetze, die dem Pakt widersprechen.
Hinsichtlich der Gesetzgebung zum inneren Notstand hält er zum einen die
Definition des Notstandes für unvereinbar mit dem Pakt, zum anderen könnten
Gesetze über das im Pakt erlaubte Maß hinaus beschränkt werden.20
Die hohe Sterblichkeit von Müttern infolge illegaler Abtreibungen und die
explosionsartige Zunahme von Straßenkindern und Kinderarbeit wird ebenfalls
negativ vermerkt. Deutliche Defizite bestehen nach Meinung des Ausschusses im
gesamten Tätigkeitsbereich von Justiz und Sicherheitskräften, und
zwar sowohl hinsichtlich der Verfolgung und Bestrafung von Menschenrechtsverletzungen
aus den Zeiten der Diktatur, als auch hinsichtlich des heutigen Verhaltens gegenüber
Versammlungen und Gewerkschaftsaktivitäten.
Der Ausschuß begrüßt den Erlaß der neuen Verfassung von 1995 und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs. Die Reformen im Bereich des Strafrechts, des Strafprozeßrechts und des Propiska-Systems werden gelobt.
Wie auch in anderen
Transformationsstaaten kritisiert der Ausschuß die Zustände in den
Gefängnissen. Das Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe
hält der Ausschuß für nicht ausreichend. In diesem Zusammenhang
zeigt sich der Ausschuß besorgt über die Tatsache, daß viele
Geständnisse, auch in Fällen von Kapitalverbrechen, mit Hilfe der
Folter gewonnen werden. Viele Straftatbestände seien hinsichtlich ihrer
Tatbestandsmerkmale zu unbestimmt, und würden daher als Auffangtatbestand
für politische Kritiker genutzt.23
Besonders besorgniserregend ist für den Ausschuß die Situation der
Kinder, die zunehmend von Armut und ihren Folgen betroffen seien.
Der Ausschuß vermerkt positiv die Gründung eines Büros des Menschenrechtshochkommissars der Vereinten Nationen in Kolumbien. Auch nationale Einrichtungen zum Schutz der Menschenrechte sind geschaffen worden, einschließlich einer Untersuchungskommission zum Verschwindenlassen. Der Ausschuß begrüßt die Verfassungsänderung, die internationalen Menschenrechten Verfassungsrang einräumt und eine Überprüfung ihrer Einhaltung durch den Verfassungsgerichtshof ermöglicht.
Der Ausschuß kritisiert allgemein die schweren Menschenrechtsverletzungen großen Ausmaßes durch Polizei, Armee, Paramilitärs und Guerilla. Zwischen Rechtslage und Rechtswirklichkeit bestehe ein großer Unterschied, insbesondere hinsichtlich der Situation von Frauen, Kindern, Strafgefangenen, Ureinwohnern und der schwarzen Minderheit. Straflosigkeit sei weit verbreitet, und die Unabhängigkeit der Justiz sowie ein faires Verfahren durch Druck auf die entscheidenden Richter, sog. "gesichtslose" Richter und anonyme Zeugen gefährdet. Die "sozialen Säuberungen" gegen Straßenkinder und Prostituierte müßten unterbunden werden. Wie in Bolivien ist die Notstandsgesetzgebung nicht konventionskonform.
Entsprechend seiner
Entscheidung von März 1994, der Umsetzung von Entscheidungen im Individualbeschwerdeverfahren
jede mögliche Form von Öffentlichkeit zu geben,25
kritisiert er Kolumbien, das immer wieder Entscheidungen des Ausschusses in
Frage stellt.
Im Unterschied zur sonstigen Gliederung seiner Allgemeinen Bemerkungen nahm der Ausschuß zunächst in einem besonderen Abschnitt zur zukünftigen Berichtspflicht für Macau nach der Rückgabe des Gebietes an die Volksrepublik China am 19. Dezember 1999 Stellung. Darin wiederholt der Ausschuß seine bereits im vergleichbaren Fall Hongkongs vertretene Ansicht, daß die Verpflichtungen aus der Konvention durch Staatennachfolge in das Gebiet übergehen, weil Menschenrechtsabkommen an das Gebiet gebunden seien. Die Berichtspflicht müsse daher von China erfüllt werden.27
Der Ausschuß lobt die besonderen Anstrengungen zum Schutz der Menschenrechte, die zur Abschaffung der Todesstrafe, Verbreitung von Informationen zum Menschenrechtsschutz bei Richtern, Verwaltungsbeamten und Lehrern und zur Einrichtung besonderer Institutionen des Menschenrechtsschutzes geführt haben.
Der Ausschuß
kritisiert, daß trotz der chinesischen Bevölkerungsmehrheit viele
offizielle Dokumente nicht in chinesischer Sprache verfügbar seien, und
nur eine geringe Anzahl von Chinesen hohe Verwaltungspositionen bekleide. Ausdrücklich
besorgt zeigt sich der Ausschuß über das Ausmaß des Frauenhandels
und der Prostitution.
Positiv beurteilt der Ausschuß die Gesetzesänderungen in den Bereichen der Gleichberechtigung, die Einführung eines Verfassungsgerichts und die Gründung einer Kommission zur Überprüfung von Gesetzesvorhaben auf ihre Menschenrechtskonformität.
Gleichzeitig mahnt
der Ausschuß eine Überprüfung des gesamten Staatssystems einschließlich
der Gesetzgebung an, ausdrücklich hinsichtlich des Notstandsrechts, der
Amnestieregelungen, der weiten Kompetenz der Militärgerichte, der Unabhängigkeit
der Richter, der Todesstrafe und der Mediengesetze. Obwohl die Delegation die
Fälle bestreitet, mahnt der Ausschuß eine Untersuchung der ihm von
NGOs glaubhaft mitgeteilten Folterfälle an.
Der Ausschuß vermerkt positiv den Grundrechtskatalog in der Verfassung und den Anwendungsvorrang des internationalen Rechts, einschließlich des Paktes, gegenüber dem nationalen Recht. Letzteres schlägt sich bereits in der Anwendung der Paktrechte und der General Comments durch den Verfassungsgerichtshof nieder. Der Ausschuß begrüßt die Einrichtung von Institutionen des Menschenrechtsschutzes in Form verschiedener Verwaltungskommissionen, insbesondere das geplante Amt eines Ombudsmannes.
Der Ausschuß kritisiert allgemein die mangelhafte Umsetzung der Verfassung, die sich indirekt auch negativ auf die Paktrechte auswirke. Im einzelnen rügt der Ausschuß die Diskriminierung von Frauen und Roma und Übergriffe der Polizei. Trotz entsprechender gesetzlicher Bestimmungen werde Verhafteten der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Aufgrund der derzeitigen Regelung der Richterernennung befürchtet der Ausschuß einen starken politischen Einfluß in der Justiz. Der Ausschuß kritisiert zum Großteil Detailfragen der gesetzlichen Regelungen, etwa im Bereich der Meinungsfreiheit. Dies kann als Indiz für einen hohen Grad von Konventionskonformität gewertet werden.
Der Ausschuß
bedauert, im Rahmen des Dialogs auf bestimmte Fragen keine Antwort erhalten
zu haben.
Der Ausschuß begrüßt die Einrichtung einer Beratenden Kommission für Menschenrechte, der auch NGOs angehören, und die Beendigung der massenhaften Abschiebung illegaler Flüchtlinge über französische Flughäfen. Außerdem wurde die Anwendung des Selbstbestimmungsrechts (vgl. Art. 1 CCPR) durch das geplante Referendum in Neu-Kaledonien gelobt.
Der Ausschuß kritisiert hinsichtlich der überseeischen Gebiete den Rückgriff auf Religion und Gewohnheitsrecht im Personenstandsrecht, der zu Diskriminierungen führe, und das Amnestiegesetz für Neu-Kaledonien. Sehr umfangreich und kritisch nahm der Ausschuß zu den seiner Ansicht nach besorgniserregenden Mißhandlungen von Strafgefangenen und der Behandlung von Asylbewerbern und Flüchtlingen Stellung. Die Prüfungsverfahren für Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei seien in Hinblick auf Dauer und Intensität der Ermittlungen völlig unzureichend. Im Zivilrecht kritisierte der Ausschuß Detailregelungen der Ehemündigkeit und der Anerkennung als Kind.
Der Ausschuß forderte Frankreich auf, in seinem nächsten Bericht Informationen vorzulegen, die auch die Rechte betreffen, zu denen ein Vorbehalt erklärt wurde.
Vergleicht man
diese Abschließenden Bemerkungen mit den milden und knappen Formulierungen
der Bemerkungen zu Deutschland,33
scheint der Ausschuß die Situation in Frankreich sehr viel ernster und
schwerwiegender zu beurteilen.
Der Ausschuß begrüßt die Einrichtung demokratischer Institutionen und die Gesetzgebung zu Menschenrechten, die Hinweise auf Menschenrechte in den Urteilen des Supreme Court und die Existenz der Nationalen Menschenrechtskommission sowie ähnlicher Kommissionen und Menschenrechtsgerichtshöfe in verschiedenen Bundesstaaten. Außerdem vermerkt er die Wiedereinrichtung einer gewählten Legislative und die Abhaltung von Parlamentswahlen im April 1998 positiv.
Trotz gesetzlicher
Maßnahmen registriert der Ausschuß weiterhin vorkommende Menschenrechtsverletzungen
höherer Kasten gegenüber niedrigeren, sowie Kinderheirat und Witwenverbrennung
negativ. In Zusammenhang mit den Anti-Terrormaß-nahmen sorgt sich der
Ausschuß wegen des langen Fortbestehens eines öffentlichen Notstandes
in vielen Gebieten. Die Anwendung der Gesetze sei teilweise unvereinbar mit
dem Pakt (Art. 4 Abs. 3 CCPR). Kritisiert wurde auch die weite Verbreitung der
Folter, die Art ihrer Untersuchung durch staatliche Stellen und die mangelhafte
Zusammenarbeit mit dem Sonderberichterstatter der UN-Menschen-rechtskommission.
Trotz gesetzlicher Gegenmaßnahmen bereitet die nach wie vor weite Verbreitung
von Zwangs- und Kinderarbeit weiterhin Grund zur Sorge.
Der Ausschuß begrüßt die Aufhebung eines Gesetzes, daß die Amputation der Hand in qualifizierten Diebstahlsfällen anordnete. Auch die Straflosigkeit bestimmter sog. Ehrendelikte, wie die Tötung weiblicher Verwandter, sei abgeschafft worden.
Der Ausschuß
kritisierte zunächst grundsätzlich die mangelhaften Antworten der
Delegation auf teilweise konkrete und individualisierte Fälle von Verschwindenlassen
oder Folter, die es offenließen, ob die Delegation gegenüber diesen
Fällen indifferent sei. Die Anwendung des irakischen Familien- und Erbrechts
sei mit dem Prinzip der Gleichheit nicht vereinbar. Ausdrücklich verurteilt
wurde eine gesetzliche Regelung, nach der alle Personen, denen wegen Diebstahls
eine Hand amputiert wurde, zwischen den Augen mit einem X zu brandmarken sind,
um die Straftäter von den Kriegsversehrten unterscheiden zu können.
Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit, insbesondere hinsichtlich politischer
Äußerungen über den Präsidenten und Rundfunkberichterstattung,
seien die gesetzlichen Tatbestände für Regelungen und Strafen zu unbestimmt.
Die Situation ethnischer und religiöser Minderheiten wird kritisiert, einerseits
wegen der Behandlung von Schiiten und Kurden, andererseits wegen der fehlenden
Informationen über die Situation von Turkmenen, Assyrern und Christen.
Der Ausschuß verweist auf die positive Tatsache, daß rund 20% des jährlichen Haushalts für die Überwindung der Tschernobyl-Folgen aufgewendet werden. Außerdem hat der Verfassungsgerichtshof der Konvention Vorrang vor dem nationalen Recht eingeräumt und eine Anwendung der lex-posterior Regel abgelehnt.
Der Ausschuß
kritisiert die Länge der Untersuchungshaft und die Zustände in den
Gefängnissen, die geprägt seien von Überfüllung. Die Unabhängigkeit
der Justiz sieht der Ausschuß durch die teilweise mögliche Entlassung
von Richtern durch die Exekutive gefährdet. Ausdrücklich kritisiert
der Ausschuß die Mißachtung der Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs
durch den Präsidenten der Republik. Die gesetzlichen und tatsächlichen
Regelungen der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit sind mit den Einschränkungsmöglichkeiten
dieser Rechte nach dem Pakt37
nicht vereinbar. Insbesondere soll die Arbeit der NGOs ermöglicht werden.
Der Ausschuß begrüßt die schrittweise Rücknahme der Notstandgesetzgebung und die Arbeit verschiedener Kommissionen, die die neue Verfassung erarbeiten. Die Maßnahmen zur Bestrafung von Polizisten wegen Machtmißbrauchs und Folter seien bemerkenswert, könnten mangels statistischer Angaben aber vom Ausschuß in ihrer Wirkung nicht eingeschätzt werden. Der Ausschuß lobt die Einladung eines Ausschußmitgliedes zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen.
Die Kritik des
Ausschusses bezieht sich sachlich auf annähernd jedes Recht der Konvention.
Von allgemeiner Bedeutung dürfte die Aussage sein, daß verschiedene
Arten von Strafen, die von der Sharia vorgesehen sind, etwa die Prügelstrafe,
Steinigung und Amputation mit der Konvention unvereinbar seien. Der Ausschuß
drückt außerdem seine Irritation über den Widerspruch aus, der
zwischen den Angaben der NGOs zu Fällen von Exekution, Folter und Entführung
einerseits, und der Aussage der Delegation, diese Fälle seien nur unregelmäßig,
besteht. Die Anwendung des unbestimmten Begriffes der nationalen Sicherheit
als Grundlage einer Inhaftierung verbreitet nach Ansicht der Experten ein allgemeines
Gefühl von Unsicherheit und Angst.
Der Ausschuß begrüßt die Ergänzung der Verfassung und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, durch den geänderten Menschenrechtskatalog werde ein stärkerer Diskriminierungsschutz erreicht. Positiv werten die Experten auch die Einrichtung einer Beschwerdestelle für Opfer von Polizeigewalt und der öffentlichen Kommission zur Untersuchung der Gefängnisaufstände im August 1997. Der Ausschuß lobt das Modernisierungsprogramm für Gefängnisse und die umfassend eingeführte Rechtshilfe. Außerdem seien infolge von Individualentscheidungen des Ausschusses und der Reform des Strafverfahrens für Kapitalverbrechen viele Todesurteile in lebenslange Haft umgewandelt worden.
Der Ausschuß bedauert die Kündigung des Zusatzprotokolls durch Jamaika, die am 23. Januar 1998 wirksam wurde (Art. 12 Abs. 1 ZP I). In Hinblick auf Art. 12 Abs. 2 ZP führt der Ausschuß aus:
"a) Jamaika wird weiterhin an die Bestimmungen der Konvention gebunden sein, und anderen Überwachungsmechanismen des Ausschusses unterliegen;Die Auseinandersetzung um die Beurteilung der death-row Fälle geht auch bei der Prüfung des Staatenberichtes weiter. Der Ausschuß weist den Zeitplan des Generalgouverneurs für die Prüfung der Individualbeschwerden durch den Ausschuß zurück, mit dem versucht wurde, eine Vereinbarkeit zwischen der Ansicht des Ausschusses und des Privy-Council herbeizuführen.42 Außerdem kritisierte der Ausschuß die Gefängnisverwaltung, sowohl wegen des schlechten Zustandes vieler Gefängnisse, als auch wegen der Behandlung von Gefangenen. Die mangelhafte rechtliche Beratung in Fällen von Kapitalverbrechen, die mit der Todesstrafe bedroht sind, bedeutet nach Ansicht des Ausschusses eine Verletzung von Art. 6 i.V.m. Art. 14 CCPR. Der Ausschuß kritisiert Körperstrafen und rät im Zusammenhang mit Fällen von Polizeigewalt in Untersuchungshaft zu Verfahren in angemessener Frist (Art. 9 Abs. 3 CCPR).b) Entscheidungen, die der Ausschuß in Individualbeschwerdefällen unter dem Zusatzprotokoll bereits angenommen hat, behalten ihre Gültigkeit und erfordern eine Umsetzung;
c) Vor dem 23. Januar 1998 bereits anhängige oder eingereichte Beschwerden werden von der Kündigung nicht berührt und werden vom Ausschuß im normalen Verfahrensablauf beschieden."41
Der Ausschuß begrüßt die Erarbeitung eines neuen Strafgesetzbuches, das keine Todesstrafe mehr vorsieht. Weitere gesetzliche Maßnahmen mit positiven Wirkungen für die Menschenrechtssituation sind etwa im Bereich der Pressefreiheit und des Polizeigewahrsams ergriffen worden. Positiv ist zudem die Einrichtung von Institutionen zugunsten des Menschenrechtsschutzes, wie der Ombudsmann und die Kommission für Menschenrechte und Angelegenheiten des Minderheitenschutzes. Weitere gesetzliche Maßnahmen sind geplant.
Der Ausschuß
kritisiert die unklare Stellung der Konvention im nationalen Recht. Die Experten
sind besorgt über Gewaltexzesse in Militär und Polizei. In diesem
Zusammenhang wird die Möglichkeit des Verwaltungsgewahrsams kritisiert.
Von der Einwanderungsbehörde werden im Grenzgebiet sehr weitgehende Untersuchungskompetenzen
wahrgenommen, um illegale Einwanderung zu verhindern. Der Ausschuß kritisiert
auch die Beschränkungen der Gründung und Tätigkeit von religiösen
und anderen Vereinigungen.
Der Ausschuß begrüßt die verschiedenen institutionellen Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere die Stärkung der Nationalen Menschenrechtskommission und des Ombudsmannes, und die Einrichtung einer interministeriellen Menschenrechtskommission, nationaler Wahlbeobachtung sowie die Einrichtung eines Ministeriums für Analphabetismus und eines Ministeriums für Frauen, Kinder und Familie. Ausdrücklich lobt der Ausschuß die Umsetzung seiner Entscheidung in einer Individualbeschwerde.46 Der Ausschuß begrüßt den Vorrang, den internationale Menschenrechtsabkommen gegenüber nationalen Regelungen genießen.
In Hinblick auf die Rechte der Frau kritisiert der Ausschuß
ausdrücklich Beschneidung und Polygamie. Die hohe Müttersterblichkeit
führt der Ausschuß auf Beschneidungen, Frühgeburten und illegale
Abtreibungen zurück. Die Experten fordern Maßnahmen gegen die Mißhandlung
von Frauen im häuslichen Bereich. Im Bereich des Strafverfahrensrechts
kritisiert der Ausschuß die Länge der Untersuchungshaft und die unbestimmte
Fassung der Haftgründe. Außerdem würden die Rechte des Beschuldigten,
etwa das Recht auf Beiziehung eines Rechtsbeistandes, nicht gewahrt (vgl. Art.
14 Abs. 3 CCPR). Im Bereich des Strafvollzuges bemängelt der Ausschuß
überfüllte Gefängnisse und schlechte Haftbedingungen. Die Behauptung
Senegals, es existierten keine Minderheiten im Land, wird zurückgewiesen
und entsprechende Informationen im nächsten Staatenbericht gefordert.47
Anmerkungen:
1 | In diesem Teil werden die Bemerkungen des Ausschusses zu den Staatenberichten in ihren wesentlichen Aussagen wiedergegeben und analysiert. In Teil II, der im nächsten Heft erscheint, werden die Entscheidungen im Individualbeschwerdeverfahren und sonstige Erörterungen zusammengefaßt. |
2 | 59. Sitzung vom 24. März bis 11. April 1997 in New York, 60. Sitzung vom 14. Juli bis 1. August 1997 in Genf, 61. Sitzung vom 20. Oktober bis 7. November 1997 in Genf. |
3 | BGBl. 1973 II S.1553. |
4 | 138 Ratifikationen, Stand: 1. August 1997. |
5 | 92 Ratifikationen, Stand: 1. August 1997. |
6 | BGBl. 1992 II S.1246. |
7 | Vgl. zum Verfahren i.e.: Manfred Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights. CCPR Commentary (1993), Art. 40; Dominic McGoldrick, The Human Rights Committee (1994), S. 62ff. |
8 | Die Feststellungen zur Situation in den Mitgliedstaaten können insbesondere für das deutsche Asylverfahren im Hinblick auf Art. 16a Abs. 2, 3 GG Bedeutung gewinnen. |
9 | S. Abschließende Bemerkungen zu Peru, U.N.-Doc. A/51/40, Ziff. 339. |
10 | Manfred Nowak (Fn.76), Art. 40, Rnr. 49. |
11 | Vgl. dazu: Philip Alston, Establishing Accountability: Some Current Challenges in Relation to Human Rights Monitoring, in: Eugeen Verhellen (ed.), Monitoring Childrens Rights (1996), S. 21ff. |
12 | Für den Inhalt der periodischen Berichte vgl.: "Guidelines regarding the form and contents of reports from States parties under article 40, paragraph 1 (b) of the Covenant", Entscheidung des Ausschusses vom 27. Juli 1981, U.N.-Doc. CCPR/C/20, ergänzt in U.N.-Doc. CCPR/C/SR.1002 und 1089. |
13 | Vgl. U.N.-Doc. A/47/40, Ziff. 350ff. |
14 | Vgl. für die übliche Gliederung der Bemerkungen: Manfred Nowak (Fn. 7), Art. 40, Rnr. 49. |
15 | Gemäß Art. 40 Abs. 1 CCPR müssen die Mitgliedstaaten über "[...] die Maßnahmen, die sie zur Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte getroffen haben, und die dabei erzielten Fortschritte [...]" berichten. |
16 | Vgl. zu den Informationsquellen der Ausschußmitglieder: Manfred Nowak (Fn. 7), Art. 40, Rnr. 37ff. |
17 | Der Pakt erlaubt die Todesstrafe nur für "schwerste Verbrechen", s. Art. 6 Abs. 2 CCPR. |
18 | U.N.-Doc. CCPR/C/63/Add.4. |
19 | Vgl. dazu: Ekkehard Strauß, Bericht über die Arbeit des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Jahre 1996, MRM Heft 2, Februar 1997, S. 5ff. (6). |
20 | Vgl. zur Notstandsregelung Art. 4 CCPR; ausführliche Darstellungen bei Joan Fitzpatrick, Human Rights in Crisis, The International System for Protecting Rights During States of Emergency, 1994, S. 83ff. und Jaime Oraá, Human Rights in States of Emergency in International Law, 1992, S. 48ff und passim. |
21 | U.N.-Doc. CCPR/C/100/Add.1 |
22 | Vgl. zur Prüfung der Berichte Rußlands und der Ukraine: Ekkehard Strauß, Bericht über die Arbeit des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Jahre 1995, MRM Heft 1, Oktober 1996, S. 20ff. (21). |
23 | Der Ausschuß nennt ausdrücklich die Tatbestände "Insubordination" und "Sabotage". |
24 | U.N.-Doc. CCPR/C/103/Add.3. |
25 | Vgl. U.N.-Doc. A/51/40, Ziff. 437. |
26 | U.N.-Doc. CCPR/C/70/Add.9. |
27 | Vgl. die gesonderte Erklärung des Vorsitzenden in U.N.-Doc. A/51/40, Ziff. 72. |
28 | U.N.-Doc. CCPR/C/42/Add.14. Der Bericht war am 21. März 1986 fällig, und wurde am 6. Juni 1996 vorgelegt, vgl. U.N.-Doc. A/51/40, Appendix IV. |
29 | U.N.-Doc. CCPR/C/81/Add.9. |
30 | U.N.-Doc. CCPR/C/76/Add.7. |
31 | Der Bericht war am 3. Februar 1992 fällig und wurde am 15. März 1996 vorgelegt, vgl. U.N.-Doc. A/51/40, Annex IV. |
32 | Vgl. zu den Vorbehalten Frankreichs: United Nations (eds.), Status of International Instruments (1987), S. 34f. |
33 | S. zu den abschließenden Bemerkungen zu Deutschland: Ekkehard Strauß, Abschließende Bemerkungen des Menschenrechtsausschusses zum Bericht Deutschlands gemäß Art. 40 CCPR (Übersetzung), MRM Heft 3, Juni 1997, S. 23ff. |
34 | U.N.-Doc. CCPR/C/76/Add.6 |
35 | U.N.-Doc. CCPR/C/103/Add.2. |
36 | U.N. doc. CCPR/C/84/Add.4. |
37 | Die Einschränkungsmöglichkeiten beider Rechte sind unterschiedlich geregelt. Die Meinungsäußerungsfreiheit kann nach Art. 19 Abs. 3 "[...] bestimmten gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, die erforderlich sind a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; b) für den Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit oder der öffentlichen Sicherheit." Die Versammlungsfreiheit kann nach Art. 21 CCPR "[...] den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen oder der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), zum Schutz der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind." |
38 | U.N. -Doc. CCPR/C/75/Add.2. |
39 | Der zweite periodische Bericht Jamaikas war am 1. August 1986 fällig und wurde am 6. Januar 1997 vorgelegt, vgl. U.N. doc. A/51/40, Annex III. |
40 | U.N.-Doc. CCPR/C/42/Add.15. |
41 | S. Ziff. 12 der Allgemeinen Bemerkungen, bisher nicht in einem offiziellen U.N.-Doc. veröffentlicht; Übersetzung durch den Verfasser. |
42 | Vgl. dazu ausführlich: Ekkehard Strauß (Fn. 19), S. 11. |
43 | U.N.-Doc. CCPR/C/81/Add. 10. |
44 | Der Erstbericht Litauens war am 19. Februar 1993 fällig und wurde am 16. April 1996 vorgelegt, vgl. U.N.-Doc. A/51/40, Annex IV. |
45 | U.N.-Doc. CCPR/C/103/Add.1. |
46 | Koné vs. Senegal, No. 386/1989. |
47 | Der Ausschuß verweist auf seinen GC No. 23 (50), U.N.-Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.3. Dort bezeichnet der Ausschuß Art. 27 CCPR als zusätzliches und besonderes Recht, das von den übrigen Rechten der Konvention zu unterscheiden ist. Eine Minderheitendefinition gibt der Ausschuß nicht. |
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 1/98 - März 1998, S. 5-14 |