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Teil 1 | Teil 2 |
Inhaltsübersicht |
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Der Menschenrechtsausschuß kam im vergangenen Jahr zu seiner 62., 63. und 64. Sitzung zusammen.1 Die Abschließenden Bemerkungen der 18 unabhängigen Experten aus den Vertragsstaaten des Paktes über bürgerliche und politische Rechte (CCPR),2 die sie zu den 16 behandelten Staatenberichten (gem. Art. 40 Abs. 4 CCPR)3 abgegeben haben, sollen hier - soweit sie bisher veröffentlicht sind - in komprimierter Form dargestellt werden.4 Auf diese Weise soll sich ein Einblick in die Tätigkeit des Menschenrechtsausschusses und ein Überblick über die Situation in den einzelnen Staaten und ihre Vereinbarkeit mit den Paktrechten gewinnen lassen.
Neben der Prüfung von Staatenberichten ist die Prüfung von Individualbeschwerden die zweite Säule der Ausschußarbeit. Sie wird in der nächsten Ausgabe des MRM dargestellt.
II. | I. 62. Sitzung |
2. |
1. Zypern |
Der
Verwirklichung der Paktrechte stehe auch vor der Schwierigkeit, daß das Schicksal
von Griechen und Türken, die noch immer verschwunden sind, nicht aufgeklärt
werden konnte und Zypern infolgedessen keine Angaben über den Schutz der Rechte
dieser Menschen machen könne. Der Ausschuß begrüßt in diesem Zusammenhang aber
die Vereinbarung zwischen der zypriotischen Regierung und den Vertretern der
türkisch-zypriotischen Stellen zum Zwecke der Aufklärung des Schicksals der
seit 1974 Verschwundenen und ermutigt beide Seiten, diese Bemühungen mit Hilfe
internationaler Vermittlung fortzusetzen. Kritisch
vermerkt der Ausschuß, daß die tatsächliche und rechtliche Ungleichbehandlung
von Männern und Frauen andauert, insbesondere durch Regelungen in den Bereichen
Ehe, Staatsbürgerschaft, Einwanderung, Arbeit und Bildung. 2.
Finnland
Im Falle Zyperns sieht der Ausschuß das Haupthindernis für die
Verwirklichung der Paktrechte darin, daß Zypern infolge des Militärputsches
von 1974, der zu der Besetzung von Teilen des zypriotischen Staatsgebiets
führte, nicht in der Lage ist, Staatsgewalt über das gesamte Staatsgebiet auszuüben.5
Die Anwendung
des Paktes könne in diesen Gebieten nicht gewährleistet werden.
3.
1.
Andererseits
zeigt der Ausschuß sich sehr besorgt über die zunehmend ablehnende Haltung von
Teilen der finnischen Bevölkerung gegenüber den einheimischen Roma und gegenüber
Einwanderen, die von "de-facto-Diskriminierungen" betroffen seien.
Die menschenrechtliche Situation in Finnland scheint weitgehend
unproblematisch zu sein.6 Der Ausschuß
begrüßt die Verfassungsreform von 1995, mit der die Paktbestimmungen und andere
menschenrechtliche Instrumentarien in den Verfassungsrang gehoben wurden.7
Insbesondere lobt der Ausschuß, daß das Recht der Sami8
und Roma,
ihre Sprache und Kultur zu pflegen, nun verfassungsrechtliche Anerkennung gefunden
hat. Der sogenannte "Sami Act", mit dem die Rechte der Lappen an ihrem
Land anerkannt werden sollten, steht jedoch noch aus.
4. |
3. Uruguay |
2. |
Unter weiteren begrüßenswerten Gesetzesänderungen befindet sich
die (im Juli 1998 in Kraft getretene) Strafprozeßrechtsreform. Sie wird grundsätzlich
begrüßt, der Ausschuß kritisiert aber etwa die Bestimmung, derzufolge ein Beschuldigter
bis zur Entscheidung, ob es zur Gerichtsverhandlung kommt oder nicht, "incomunicado"
in Haft gehalten werden kann.10 Der
Ausschuß kritisiert auch die fehlende Ämtertrennung von Verfahrens- und Ermittlungsrichter.
Zum Staatenbericht Uruguays9
vermerkt
der Ausschuß positiv die Änderung des Wahlsystems, das transparenter geworden
und nun mit internationalem Recht konform sei.
Im Mittelpunkt der Kritik steht das geltende Amnestiegesetz.11 Es stehe im Widerspruch zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, effektiven Rechtsschutz für jeden von Menschenrechtsverletzungen Betroffenen zu gewährleisten (Art. 2 Abs. 3). Die Anwendung des genannten Gesetzes verhindere aber die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit der Diktatur.
Mißbillung erfährt auch die Rechtspraxis in Uruguay, wonach jemand, dessen Individualbeschwerde vor dem Ausschuß Erfolg hatte, vor nationalen Gerichten ein erneutes Verfahren anstrengen und die Menschenrechtsverletzung dort nochmals bestätigen lassen muß.
5. |
|
3. |
Der
Ausschuß moniert außerdem, daß noch nicht alle Paktrechte in nationales Recht
umgesetzt worden seien. Aber auch dort, wo eine Umsetzung erfolgt sei,
mangele es an effektiven institutionalisierten Mechanismen, um eine systematische
Verwirklichung und Überwachung dieser Rechte zu gewährleisten. Kritisiert
wird vor allem auch der Rang, den die Paktbestimmungen in der innerstaatlichen
Rechtsordnung einnehmen. Die Rechtsordnung Simbabwes ist gekennzeichnet durch
eine starke Stellung des nationalen Gewohnheitsrechts, das im Kollisionsfall
nicht nur dem (nationalen) geschriebenen Recht vorgeht, sondern auch Vorrang
gegenüber den Paktbestimmungen beansprucht. Dem Ausschuß zufolge komme erschwerend
hinzu, daß dort, wo der Supreme Court menschenrechtlich relevante Fragen im
Sinne des Paktes entscheide und entgegenstehendes Recht für nichtig erkäre,
eine zunehmende Tendenz zu beobachten sei, diese höchstrichterlichen Entscheidungen
im Wege der Gesetzes- und Verfassungsänderung zu konterkarieren.
Simbabwe legte seinen Erstbericht vor.12
Neben
der positiven Würdigung von Verfassungs- und Gesetzesänderungen, die inbesondere
die Rechtsstellung der Frau verbesserten, wird nach Ansicht des Ausschusses die
volle Verwirklichung der Menschenrechte im wesentlichen durch gesellschaftliche
Konventionen sowie kulturelle und religiöse Bräuche behindert. Um dies zu ändern,
bedürfe es weiterer staatlicher Maßnahmen.
III. | II. 63. Sitzung |
6. | 5. Italien |
4. |
Im
Hinblick auf Art. 13 (Schutz vor willkürlicher Ausweisung) würdigt der Ausschuß
die Gesetzesänderungen, die die Rechtsstellung von illegalen Einwanderern jedenfalls
im Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung über den jeweiligen Antrag verbessern
sollen. Erfreut
zeigt sich der Ausschuß auch darüber, daß Italien seinen Bedenken, die er anläßlich
des dritten Berichts wegen der exzessiven Konzentration der Massenmedien in
Italien geäußert hatte, Rechnung getragen hat: Es wurden Gesetze verabschiedet,
welche die - in der Hand einer kleinen Personengruppe liegende - Medienmacht
regulieren sollen. Die
größten Defizite sieht der Ausschuß im Bereich des Justiz(vollzugs)wesens. Die
in Italien übliche Untersuchungshaft bis zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen
Entscheidung, deren Dauer sich nach der drohenden Strafe richtet und die bis
zu sechs Jahren betragen kann, könne gegen die Unschuldsvermutung (Art. 14 Abs.
2) und gegen das Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren (Art. 9 Abs. 3) verstoßen.
Er empfiehlt daher, die Höchstdauer der Untersuchungshaft von der Dauer der
drohenden Strafe abzukoppeln und stattdessen Haftgründe zu definieren.
Diese sollten sich auf Fälle beschränken, in denen die Haft zum Schutz legitimer
Interessen (z.B. Erscheinen des Angeklagten vor Gericht) erforderlich ist.
Italien legt seinen vierten periodischen Bericht vor.13
Der
Ausschuß begrüßt ein Urteil des italienischen Verfassungsgerichts aus dem Jahre
1996, wonach die Auslieferung in ein Land, im dem die Todesstrafe droht, verfassungswidrig
ist.
7. | 6. Algerien |
5. |
Im
einzelnen äußert der Ausschuß sein Erschrecken über die große Zahl von Massakern,
denen Frauen, Männer und Kinder zum Opfer fallen, insbesondere weil Polizei-
oder Militärkräfte häufig keine Schutzmaßnahmen ergriffen würden, auch wenn
sie sich in Tatortnähe aufhalten würden. Mitglieder der Sicherheitskräfte werden
überdies verdächtigt, selbst mit den Terroranschlägen in Verbindung zu stehen. Seine
Besorgnis äußert er außerdem über die unzähligen Berichte über willkürliche
und außergerichtliche Hinrichtungen, über die Verlagerung staatlicher Hoheitsgewalt
auf private "legitimate defence groups" und über die damit verbundene
Mißbrauchsgefahr. Zwar dementierten die Vertreter Algeriens die Praxis staatlicher
Folter; dessen ungeachtet zeigt der Ausschuß sich tief besorgt angesichts der
ständig wiederholten Vorwürfe, daß in Algerien systematisch gefoltert werde. Zur
Verbesserung der Situation in Algerien macht der Ausschuß eine Reihe von Vorschlägen.
So verlangt er, effektive Maßnahmen zu ergreifen, um Anschläge zu verhindern
oder wenigstens, falls diese sich dennoch ereignen, zügig zum Schutz der Bevölkerung
tätig zu werden. Unabhängige Ermittler sollen auch auf allen Ebenen der Sicherheitskräfte
nach den Tätern fahnden. Der Staat soll die Hoheitsgewalt ausüben; überläßt
er sie ausnahmsweise Privaten, soll er diese einer strengen Kontrolle unterwerfen.
Staatliche Folter soll außer durch den Einsatz unabhängiger Ermittler durch
die Schaffung eines Überwachungssystems in Haftanstalten (zwecks Überwachung
des Personals) verhindert werden.
Die Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses zum Bericht Algeriens
zeichnen ein düsteres Bild von der dortigen Menschenrechtssituation.14
Massive
und willkürliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung, der Verlust unzähliger Menschenleben
und ein allgemeines Klima der Gewalt verhinderten die Verwirklichung der Menschenrechte
in Algerien. An dieser Stelle können nur einige der wichtigsten Aspekte aufgezeigt
werden.
8. | 7. Mazedonien |
6. |
Demgegenüber stehen aber die bereits erwähnten Schwierigkeiten
bei der tatsächlichen Verwirklichung der Menschenrechte. So sei ein Fall ethnisch
motivierter Gewalt vom 7. Juli 1997, in dessen Verlauf drei Menschen ihr Leben
verloren und Hunderte verletzt wurden, noch nicht ausreichend aufgeklärt und
die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Machtmißbrauch
im allgemeinen sowie im einzelnen rechtswidrige Verhaftungen und körperliche
Mißhandlungen durch Polizeikräfte, insbesondere gegenüber Angehörigen von Minderheiten,
nimmt der Ausschuß besorgt zur Kenntnis.
Dem Ausschuß lag der Erstbericht der ehemaligen Jugoslawischen
Republik Mazedonien vor.15 Der
Ausschuß nimmt zur Kenntnis, daß das Hauptproblem bei der Verwirklichung der Paktrechte
in dem Übergang von einem auf kollektiven Rechten aufbauenden Gesellschaftssystem
zu einem System, das individuelle Rechte respektiert, liege. Doch gerade angesichts
dieses tiefgreifenden Wandels von politischem und wirtschaftlichem System und
angesichts der "Neudefinierung" staatlicher Institutionen lobt der Ausschuß
den Versuch der Regierung, den Schutz der Paktrechte auch unter diesen Umständen
zu gewährleisten. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind günstig: Nach Art.
118 der Verfassung ist der Pakt Teil der inneren Rechtsordnung; eine Abänderung
der übernommenen Bestimmungen durch nationales Recht ist nicht möglich. Die Rechte
aus dem Pakt können unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden.
9. | 8. Tansania |
7. |
Die Verwirklichung der Menschenrechte in Tansania ist insbesondere
erschwert durch die Gesamtsituation, in der das Land sich derzeit befindet:16
Sie ist geprägt
von enormen Flüchtlingsströmen aus den benachbarten Staaten und aus Somalia, von
überfüllten Flüchtlingslagern und von der Unmöglichkeit, Einzelfällen durch individuelle
Prüfungen gerecht zu werden. Unter Hinweis auf Art. 6, 7 und 13 macht der Ausschuß
allerdings deutlich, daß eine Abschiebung in einen Staat, wo eine Hinrichtung
oder Folter droht, zu unterbleiben hat.
Darüber hinaus hält der Ausschuß die Umsetzung der 1992 von der Nyalali-Kommission17 gemachten Vorschläge für längst überfällig, wonach eine Reform des Notstandrechts (zwecks Vereinbarkeit mit Art. 4), der Zwangsarbeit bei kommunalen Projekten (Art. 8) und der Befugnis des Präsidenten, Personen verhaften und incomunicado gefangenzuhalten, angestrebt wurde. Keiner von diesen Vorschlägen wurde bisher umgesetzt.
Positiv vermerkt der Ausschuß, daß die durch eine Verfassungsänderung (Art. 25) erfolgte Wiederherstellung des politischen Pluralismus die Bevölkerung in die Lage versetzt hat, an allen Bereichen des öffentlichen Lebens teilzuhaben. Beschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit für Presse, Hörfunk und Fernsehen wurden entschärft. Um die Verwirklichung der Menschenrechte besser kontrollieren zu können, empfiehlt der Ausschuß die Errichtung eines Verfassungsgerichts.
10. | 9. Israel |
Der
Verwirklichung der Paktrechte stehen in Israel nach Ansicht des Ausschusses
vor allem folgende Faktoren entgegen: staatliche Sicherheitsinteressen, häufige
Anschläge auf die Zivilbevölkerung, Probleme, die aus der Besetzung fremder
Gebiete resultieren und die Tatsache, daß Israel offiziell im Kriegszustand
mit einigen seiner Nachbarn lebt. Der
Ausschuß begrüßt unter anderem die Einrichtung eines Public Defender´s Office
sowie die Einrichtung einer Untersuchungsstelle für Fälle polizeilichen Fehlverhaltens.
Auch die Bemühungen um die Verbesserung der Stellung der Frau, beispielsweise
durch Schaffung einer nationalen Behörde für Frauenförderung, hebt der Ausschuß
positiv hervor. Der
günstige Eindruck dieser Errungenschaften verblaßt schnell angesichts der im
übrigen zahlreichen und schwerwiegenden Bedenken, die der Ausschuß geltend macht.
Konkret wird die Weigerung Israels, in den besetzten Gebieten die Verantwortung
für die volle Umsetzung der Paktrechte zu tragen, mit tiefer Besorgnis zur Kenntnis
genommen. Der Ausschuß verweist darauf, daß Israel in den besetzten Gebieten
bereits langandauernde Präsenz zeige und effektive Staatsgewalt ausübe. Dann
müsse Israel die Verpflichtung zur Umsetzung des Paktes aus Art. 2 Abs. 1 auch
für diese Gebiete übernehmen. Die gleichzeitige Anwendung von Regeln des humanitären
Völkerrechts stehe dem nicht entgegen, wie der Ausschuß betont. Gegenstand
der Kritik ist auch die permanente Geltung des Notstands in Israel. Israel wird
aufgefordert, die Notwendigkeit für den rechtlichen Ausnahmezustand zu überprüfen,
nicht ohne Hinweis auf Art. 4, wonach bestimmte Rechte auch im Notstand nicht
außer Kraft gesetzt werden dürfen, also "notstandsfest" sind. Der
Ausschuß beschäftigt sich ausführlich mit der Situation der arabischen Israelis
und mit der der Palästinenser in den besetzten Gebieten. Die
meisten arabischen Israelis sind von rechtlichen und tatsächlichen Diskriminierungen
betroffen, was zu einem vergleichsweise niedrigen Lebens-, Bildungs- und Gesundheitssstandard
geführt hat. Dadurch, daß sie keinen Militärdienst leisten, profitieren die
meisten arabischen Israelis nicht von den damit verbundenen finanziellen Vergünstigungen
(z.B. Stipendien, Baudarlehen). In
den besetzten Gebieten werden Palästinenser gegenüber jüdischen Siedlern benachteiligt,
insbesondere bei der Erteilung von Baugenehmigungen und beim Zugang zu Grundstücken
und Wasservorräten. Die Benachteiligung von Nicht-Juden bei der Erteilung von
Baugenehmigungen führt zwangsläufig zu illegalen Bauten, denen dann der teilweise
oder vollständige Abbruch droht. Diese "practice of demolitions" sei
nicht vereinbar mit dem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 17), dem
Recht auf Freizügigkeit (Art. 12) und dem Gleichbehandlungsgebot (Art.
26).
Mit fünf Jahren Verspätung legte Israel seinen gemessen an der
Seitenzahl sehr umfangreichen Erstbericht vor.18
Doch wie
viele der Berichte leidet auch der israelische an unzureichenden Informationen
über die tatsächliche Implementierung der Paktbestimmungen.
Gegenstand der Kritik ist außerdem, daß beim Verhören mutmaßlicher Terroristen "moderate physical pressure" zur Anwendung gelangen darf. Die israelische Delegation räumte überdies ein, daß Vernehmungsmethoden wie "hooding"19 "sha-king" oder Schlafentzug angewendet werden, die gegen das (notstandsfeste) Folterverbot gem. Art. 7 verstoßen.
Offensichtlich hat die Anzahl und Schwere der Bedenken den Ausschuß dazu bewogen, die Vorlage des nächsten Berichts bereits zum Juni 2000 zu verlangen.
11. | 10. Ecuador |
Im
einzelnen äußert der Ausschuß sich besorgt über die sehr hohe Selbstmordrate
von jungen Frauen, die ungewollt schwanger wurden. Er führt dies jedenfalls
zu einem Teil auf das in Ecuador bestehende Abtreibungsverbot zurück. Solange
Ecuador nichts unternehme, um diesem Zustand abzuhelfen, seien Art. 3 (Gleichbe-rechtigung
von Mann und Frau), Art. 6 (Recht auf Leben) und Art. 7 (Verbot der Folter und
anderer unmenschlicher Behandlung) verletzt. Neben
Kinderarbeit, die trotz gesetzlicher Beschränkungen verbreitet ist und der rechtlichen
wie tatsächlichen Diskriminierung von Frauen sieht der Ausschuß die Situation
der Indios als besonders problematisch an. Obwohl ihnen gesetzlich die vollen
Nutzungsrechte an ihrem angestammten Territorium zugesprochen wurden, wird in
diesen Gegenden Öl gefördert. Die Minderheitenrechte aus Art. 27 seien dann
nur schwer zu verwirklichen.
Der Ausschuß begrüßt die im August 1998 in Kraft getretene neue
Verfassung für Ecuador, die nun einen breiten Katalog von Menschenrechten enthält
sowie, in Art. 23, ein Amnestieverbot für Menschenrechtsverletzungen.20
III. 64. Sitzung |
Während der 64. Sitzung wurden die Staatenberichte Armeniens,
Österreichs, Japans, Islands, Belgiens und Lybiens geprüft. Offizielle Anmerkungen
des Ausschusses liegen nur zu den drei letztgenannten Berichten vor.
12. | 11. Island |
Dies
hat nach Ansicht des Ausschusses dazu beigetragen, daß es zu weiteren rechtlichen
Nachbesserungen in menschenrechtsrelevanten Bereichen kam. So wurde etwa die
Europäische Menschenrechtskonvention in die nationale Rechtsordnung inkorporiert.
Der Ausschuß lobt diese und andere Maßnahmen des Gesetz- und Verfassunggebers,
erinnert aber daran, daß die entsprechenden Bestimmungen des Paktes22
weitergehende Gewährleistungen enthalten als die EMRK und dies bei künftigen
Rechtsänderungen zu berücksichtigen sei. Konkret
bestehe bei der Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern,
insbesondere im Berufsleben, Verbesserungsbedarf. Auch die tatsächliche und
rechtliche Diskriminierung von nichtehelichen Kindern verstoße verletze die
Diskriminierungsverbote aus Art. 24 und 26.
Wie Finnland kann auch Island als Musterland in Sachen Menschenrechte
gelten.21 Dazu
trägt wohl auch der hohe Grad an Transparenz bei, mit der die Menschenrechtsdiskussion
im Land geführt wird. Der vorhergehende zweite Bericht Islands sowie die entsprechenden
Concluding Observations waren, da sie in großem Umfang zugänglich gemacht wurden,
Gegenstand öffentlicher Debatte.
13. | 12. Belgien |
Schwerpunkt
der Erörterungen des Ausschusses bildet der Bereich der Justiz und des Justizvollzugs.
Positiv vermerkt der Ausschuß die Bemühungen um die Reform des belgischen Justizsystems,
insbesondere die Bemühungen um eine Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit
sowie um eine genauere Abgrenzung der Rolle der Polizei und des Ermittlungsrichters. Besorgt äußert
sich der Ausschuß unter anderem über den weitverbreiteten ("widespread")
Mißbrauch von Polizeigewalt gegen Untersuchungshäftlinge. Auch die im Zusammenhang
mit der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber gebräuchliche Praxis, den Widerstand
des Betroffenen mit einem ins Gesicht gepressten Kissen zu brechen, verstoße
wegen der damit verbunden Lebensgefahr gegen Art. 6 (Recht auf Leben). Die Gefährlichkeit
dieser "Technik" beweise der - im übrigen nach Ansicht des Ausschusses
noch aufklärungsbedürftige - Fall des kenianischen Staatsangehörigen, der vor
kurzem infolge solcher "Abschiebungstechniken" zu Tode kam.
Detallierte Informationen zu Rechtsänderungen, aber wenige zur
tatsächlichen Anwendung bietet der belgische Bericht.23
Die Überfüllung der Haftanstalten, insbesondere die große Zahl an Untersuchungshäftlingen und die lange Untersuchungshaft, gebe Anlaß zu Besorgnis. Der Verweis der belgischen Delegation auf die (dadurch verursachte) Überfüllung der Gefängnisse sei im übrigen kein überzeugendes Argument, um die Aufrechterhaltung des belgischen Vorbehalts zu Art. 10 Abs. 3 (Trennung von jugendlichen und erwachsenen Straffälligen) zu rechtfertigen.24
Im Hinblick auf Art. 19 (Meinungsfreiheit) kritisiert der Ausschuß die im belgischen Recht getroffene Unterscheidung zwischen der Versammlungsfreiheit und dem - sehr beschränkten - Demonstrationsrecht und fordert die belgische Regierung zu einer entsprechenden Liberalisierung auf.
|
12. |
Der
Ausschuß begrüßt die unmittelbare Anwendbarkeit und individuelle Einklagbarkeit
des Paktes vor den nationalen Gerichten. Jedoch konnte weder durch den Bericht
noch durch die mündliche Anhörung der Delegation geklärt werden, welchen Rang
der Pakt in der innerstaatlichen Rechtsordnung einnehmen wird und welche Bestimmungen
im Falle der Kollision mit nationalem Recht zur Anwendung kommen. Im
einzelnen äußert der Ausschuß größte Sorge über außergerichtliche, willkürliche
(Massen-) Hinrichtungen, über extrem unbestimmt formulierte Straftatbestände,
deren Verwirklichung mit der Todesstrafe geahndet werden kann, über systematische
Folter und Mißhandlungen von Gefangenen und über die zahlreichen Beschränkungen
der Meinungsfreiheit, insbesondere soweit es um regierungs- oder systemkritische
Äußerungen geht.
Auch dem Bericht Libyens mangelt es an Informationen zur tatsächlichen
Verwirklichung des Paktes.25 Daß
es in diesem Punkt erhebliche Probleme gibt, begründet die libysche Regierung
mit dem im Jahre1992 vom Sicherheitsrat verhängten Flugverkehrsembargo, das zu
wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt und seinerseits die Verwirklichung von
Menschenrechten erschwert habe.
Die Existenz von (ethnischen, religiösen oder kulturellen) Minderheiten wird von Libyen bestritten. Der Ausschuß verweist dazu nur auf seinen General Comment Nr. 23 (50),26 in dem er objektive Kriterien zur Feststellung einer Minderheit aufgestellt hat. Nicht nur in diesem Zusammenhang bedauert der Ausschuß, daß er weder Informationen von Nichtregierungsorganisationen noch Informationen über sie erhalten hat.27
1 | Die 62. Sitzung fand vom 23. März bis 9. April 1998 in New York statt, die 63. vom 13. bis 31. Juli 1998 und die 64. vom 19. Oktober bis 5. November 1998, beide in Genf. |
2 | GV-Res. 2200 A (XXI) vom 19. Dezember 1966, UNTS Bd. 999, S. 171 ff. (BGBl. 1973 II S. 1534). |
3 | Artikel ohne nähere Angabe sind solche des Paktes. |
4 | Siehe die Bearbeitungen von Ekkehard Strauß, MRM 2/1997, S. 5ff. und MRM 1/1998, S. 5ff. |
5 | Zypern legte seinen dritten periodischen Bericht vor, UN-Dok. CCPR/C/94/Add. 1; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 88. |
6 | Vierter Bericht
Finnlands, UN-Dok. CCPR/ C/95/Add. 6; Concluding Observation CCPR/ C/79/Add. 91. |
7 | Dies ist in Finnland Rechtspraxis. Zwar ist das Verhältnis zwischen innerstaatlichem Recht und völkerrechtlichen Verträgen in Finnland ein dualistisches. In Finnland werden jedoch praktisch alle völkerrechtlichen Verträge durch sog. Blankogesetze ins innerstaatliche Recht inkorporiert, so daß bisweilen vom finnischen Dualismus auch als de facto-Monismus gesprochen wird. |
8 | Die Sami (Lappen) bilden in Nordlappland eine ethnische Minderheit von ca. 2400 Personen. |
9 | Vierter Bericht, UN-Dok. CCPR/C/95/Add. 9; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 90. |
10 | Das Verbringen Verdächtiger an einen unbekannten Ort und das Abschirmen von der Außenwelt ("detención incomunicada") war auch 1979 Gegenstand der ersten Sachentscheidung des Ausschusses über eine Individualbeschwerde nach dem Fakultativprotokoll. Damals ging es insbesondere um die Frage, ob die Beschwerdeführerin auch die Verletzungen von Verwandten geltend machen konnte, ohne dazu ausdrücklich bevollmächtigt gewesen zu sein. Siehe dazu EuGRZ 1979, S. 498ff. m. Anmerkung von Ch. Tomuschat. |
11 | "Ley de Caducidad de la Pretensión Punitiva del Estado". Ein Plebiszit über seine Aufhebung scheiterte im April 1986. 55,9 % sprachen sich für die Beibehaltung des Gesetzes aus, 41,3 % stimmten für die Abschaffung. |
12 | UN-Dok. CCPR/C/74/Add. 3; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 89. |
13 | UN-Dok. CCPR/C/103/Add. 4; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 94. |
14 | Zweiter Bericht,
UN-Dok. CCPR/C/101/ Add. 1; Concluding Observation CCPR/ C/79/Add. 95. |
15 | UN-Dok. CCPR/C/74/Add.4; Concluding Ob-servation CCPR/C/79/Add. 96. |
16 | Dritter Bericht, UN-Dok. CCPR/C/83/Add.2; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 97. |
17 | Benannt nach dem Leiter der Kommission, die von der Regierung eingesetzt worden war. Ihre Aufgabe war es, das Landesrecht auf seine Vereinbarkeit mit Menschenrechten und Grundfreiheiten zu überprüfen. Bei Verstößen machte die Kommission sehr konkrete Änderungsvorschläge. |
18 | UN-Dok. CCPR/C/81/Add. 13; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 93. |
19 | "Hooding" meint das Überstülpen einer Kappe über den Kopf des Beschuldigten, was regelmäßig zu Angstzuständen und zu einem Verlust der räumlichen Orientierung führt. |
20 | UN-Dok. CCPR/C/84/Add. 6; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 92. |
21 | Dritter periodischer Bericht Islands, UN-Dok. CCPR/C/94/Add. 2; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 98. |
22 | Der Ausschuß führt konkret die Art. 3, 4, 12, 22, 24-27 an. |
23 | Dritter Bericht Belgiens, UN-Dok. CCPR/C/94/Add.3; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 99. |
24 | Zum Vorbehalt vgl. Manfred Nowak, CCPR Commentary (1993). |
25 | Dritter Bericht Libyens, UN-Dok. CCPR/C/102/Add. 1; Concluding Observation CCPR/C/79/Add. 101. |
26 | General Comment zu Art. 27 (1994). |
27 | Zur Bedeutung der NGOs siehe Jürgen Schramm (Hrsg.), Non-Governmental Organizations (NGOs) im System der Vereinten Nationen, UN-Forum 1/1995; Michael O´Flaherty, Human Rights and the UN (1996), S. 1-15; Eckart Klein (ed.), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligations (1998), S. 28f. |
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 1 / 1999 |