Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 8. Juni 2010

Inhalt

Norman Weiß:

Auswertung der Tätigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form des Rassismus (CERD) der Vereinten Nationen

- Zusammenfassung der Ergebnisse -

Der Ausschuß für die Beseitigung der Rassendiskriminierung ("Committee on the Elimination of Racial Discrimination" = CERD) ist das Kontrollgremium des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form des Rassismus und seit 1969 tätig.

Der CERD prüft Staatenberichte und ist für Staaten- und Individualbeschwerden zuständig. Er berichtet der Generalversammlung der Vereinten Nationen jährlich durch den Generalsekretär über seine Tätigkeit und kann Vorschläge machen und allgemeine Empfehlungen abgeben (Art. 9 Abs. 21). 

 

II. Staatenberichte der Bundesrepublik Deutschland

1. 11./12. Bericht (1993)

Dem CERD lag mit dem 11./12. Bericht der Bundesrepublik Deutschland (1993) der erste Bericht des wiedervereinigten Deutschlands vor. Besonderes Augenmerk sowohl der Bundesregierung als auch des Ausschusses lag naturgemäß auf den zunehmenden fremdenfeindlichen Ausschreitungen der frühen neunziger Jahre. Der Ausschuß empfahl hier eine rasche und effektive Bestrafung der Täter sowie die Auflösung und das Verbot von Parteien und Gruppierungen.

Der Ausschuß äußerte in den Beratungen Erstaunen darüber, daß die Bundesrepublik Deutschland noch nicht die Erklärung nach Art. 14 abgegeben hat und noch keine Individualbeschwerden zum Ausschuß zuläßt.

Der Ausschuß teilte nicht die Ansicht der Bundesregierung, daß nur die offiziell anerkannten Minderheiten (Dänen und Sorben; der Bericht geht auch auf die Situation von Sinti und Roma sowie der Juden ein) zu berücksichtigen sind und fragte auch nach den in Deutschland lebenden Ausländern. Zu diesen nimmt der Bericht ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und lediglich überblickartig Stellung.

Schließlich empfahl der Ausschuß, ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden und die Neuregelung des Asylrechts zu überprüfen.

 

2. 13./14. Bericht 1996

Der 13./14. Bericht wurde 1997 beraten. In der Minderheitenfrage blieb die Bundesregierung bei ihrem Standpunkt und verwies auf die Erklärung, die sie bei der Ratifikation des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates abgegeben hatte. Darin wurde der Anwendungsbereich dieses Übereinkommens auf die dänische und sorbische Minderheit sowie die traditionell in Deutschland siedelnden Volksgruppen der Friesen und Sinti und Roma erstreckt.

Im Zusammenhang mit der Bekämpfung rassistischer Propaganda verweist der Bericht darauf, daß die Bundesregierung die Auslieferung eines von Dänemark aus operierenden Neo-Nazis erreichen konnte. Der Fall Deckert wird erläutert; der Bericht verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 13. April 1994, 1 BvR 23/94 = EuGRZ 1994, 448ff.), demzufolge die Leugnung der Massenvernichtung in den Konzentrationslagern als erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfaßt wird.

Die Bundesregierung zählt die Verbote rechtsextremistischer Vereinigungen durch den Bundesminister des Inneren auf, um ihre Festigkeit gegenüber rassistischen Gruppen zu unterstreichen.

In dem Bericht wird auch auf die aus-
senpolitischen Bemühungen der Bundesregierung im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hingewiesen; Erwähnung finden Initiativen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, des Europarates, der OSZE und der Vereinten Nationen.

Der Bericht geht ausführlich auf die Neuregelung des Asylrechts ein und unterstreicht, daß damit keine diskriminierenden Unterscheidungen nach dem Herkunftsland des Asylsuchenden verbunden seien. So ist etwa Gambia nach dem Militärputsch von der Liste der sicheren Herkunftsstaaten gestrichen worden.

In Fortführung der vorigen Berichte erläutert die Bundesregierung, daß eine Bestimmung des Versicherungsaufsichtsgesetzes geändert worden sei, derzufolge Tarifeingruppierungen und Beitragsberechnungen, die auf der Nationalität oder der ethnischen Herkunft beruhen, einen (die Aufsichtsbehörde zum Einschreiten berechtigenden) Mißstand begründen.

Zu den Ursachen fremdenfeindlicher Gewalt verweist der Bericht auf eine im Jahr 1994 erstellte Studie, die zeige, daß es kaum rassistische, fremdenfeindliche oder rechtsextremistische Motive allein sind, die solchen Taten zugrunde liegen. Vielmehr handele es sich um ein Bündel von Ursachen, die vor allem mit wirtschaftlichen und familiären Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Woh-nungsprobleme, Ehescheidung), aber auch mit einem niedrigen Bildungsniveau zu tun hätten.

Die Bundesregierung stellt zahlreiche Maßnahmen der Bundesländer vor, die Arbeit der Polizei sowohl im Bereich der Prävention als auch der Strafverfolgung effektiver zu gestalten. Abschließend verweist der Bericht auf vielfältige Aufklärungskampagnen.

 

Der Ausschuß wies eingangs darauf hin, daß der Bericht sich nicht systematisch mit den Abschließenden Bemerkungen zum Vorbericht auseinandersetzt. Erneut wurde beklagt, daß die Bundesrepublik Deutschland noch nicht die Erklärung hinsichtlich der Zulässigkeit von Individualbeschwerden abgegeben hat. Der Ausschuß stellte ferner fest, daß es keine nationale Institution gibt, die sich mit rassischer Diskriminierung beschäftigt.

Lobend nahm der Ausschuß die sinkenden Zahlen von Übergriffen auf Ausländer und Asylbewerber zur Kenntnis, die auf entschlossene Maßnahmen der deutschen Stellen zurückgeführt wurden. Auch die harte Haltung gegenüber Extremistengruppen wurde begrüßt.

Der Ausschuß, betroffen über die anhaltenden Fälle vor allem antisemitischer Ausschreitungen, hielt die Bundesregierung und die Landesregierungen dazu an, in ihren Anstrengungen beim Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht nachzulassen.

Erneut war der Ausschuß betroffen von der Einräumung des Minderheitenstatus nur für die vier als nationale Minderheiten oder als traditionell in Deutschland siedelnden Volksgruppen angesehenen Gruppen. Große Teile der sich seit langem in Deutschland aufhaltenden ausländischen Wohnbevölkerung würden so von spezifischem Schutz ausgeschlossen.

Der Ausschuß äußerte Betroffenheit über die in der Presse berichteten Übergriffe von Polizeibeamten gegenüber Ausländern, insbesondere Schwarzafrikanern und Türken. Erneut nahm er an der Praxis bestimmter Versicherungszweige gegenüber verschiedenen ethnischen Gruppen Anstoß.

Der Ausschuß empfahl erneut die Verabschiedung eines umfassenden Anti-Diskriminierungsgesetzes und die Aus-weitung des Schutzes ethnischer Minderheiten. Der nächste Bericht solle auf rassische Diskriminierungen im privaten Sektor stärker als bisher eingehen und sich u.a. auch mit der Verfolgung von Übergriffen durch Polizisten befassen. Erwartet werden auch Erläuterungen der neuen Asylpraxis, insbesondere mit Blick auf die Drittstaatenregelung.

 

3. Resümee

Es zeigt sich, daß der Ausschuß seine eigenen Vorstellungen sowohl über die Gestaltung der Berichte als auch zu Einzelfragen - wie etwa der Gewährung des Minderheitenstatus - konsequent gegenüber den Vertragsstaaten vertritt.

Kennzeichnend für die Arbeit des CERD im Bereich der Staatenberichte ist der intensive Dialog mit den Delegationen, was auch in den Abschlies-
senden Bemerkungen zum Ausdruck kommt.

Der Ausschuß bringt gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zwar Verständnis für Schwierigkeiten zum Ausdruck, wie sie insbesondere aus der Wiedervereinigung resultieren, verlangt aber gleichzeitig unverminderte Anstrengungen im Kampf gegen rassische Diskriminierung und Gewalthandlungen.

 

III. Entscheidungen des Ausschusses über Individualbeschwerden. 

Der Ausschuß kann über Individualbeschwerden gegen Staaten entscheiden, die seine Zuständigkeit insoweit anerkannt haben. Dies trifft heute für vier-undzwanzig Staaten zu,2 die Bundesrepublik Deutschland ist nicht darunter.

Die vier bis jetzt entschiedenen Fälle betrafen ganz unterschiedliche Situationen:

 

1. Yilmaz-Dogan ./. Niederlande3

Spielen bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rassische Vorurteile des Arbeitgebers eine Rolle, so müssen die Gerichte, sofern ihnen diese bekannt werden, prüfen, ob diese als Kündigungsgrund eine Rolle gespielt haben. Unterbleibt dies, wie im Fall Yilmaz-Dogan ./. Niederlande, ist das Recht des Beschwerdeführers auf Arbeit nach Art. 5 e (ii) nicht gewährleistet.

Da die von der Beschwerdeführer angestrengeten Strafverfolgungsmaßnah-men unterblieben, kam der Ausschuß zu der folgenden Feststellung:

Das Übereinkommen unterläuft nicht den die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden prägenden Opportunitätsgrundsatz, modifiziert ihn aber dahingehend, daß er in jedem Fall rassischer Diskriminierung im Lichte der im Übereinkommen verbürgten Garantien angewandt werden soll.

Der Ausschuß stellte fest, daß sich aus Art. 6 keine Verpflichtung der Vertragsstaaten ergibt, für Fälle behaupteter rassischer Diskriminierung einen mehrstufigen, bis zur Ebene der höchsten Gerichte reichenden Rechtsweg einzurichten.

 

2. Demba Zalibe Diop ./. Frankreich4  

Die Nichtzulassung eines Ausländers zum Rechtsanwaltsberuf in Frankreich verletzt nicht dessen Recht auf Arbeit und stellt eine zulässige Differenzierung zwischen eigenen und fremden Staatsangehörigen i.S.v. Art. 1 Abs. 2 dar.

Der Ausschuß erkannte, "daß die in Art. 5 e geschützten Rechte im Rahmen eines Programms zu gewährleisten und Gegenstand einer sich entwickelnden Anwendung sind. Der Ausschuß hat nicht die Kompetenz, darüber zu wachen, daß diese Rechte eingeräumt werden. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, über ihre Anwendung zu wachen, nachdem sie unter Bedingungen der Gleichheit gesetzt worden sind."

"Die Nichtzulassung des Beschwerdeführers beruhte auf der Tatsache, daß er kein Franzose war, und nicht auf einem der in Art. 1 Abs. 1 genannten Motive. Der Vorwurf des Beschwerdeführers bezieht sich auf eine Situation, in der das Recht zur Anwaltszulassung nur Franzosen eingeräumt wird und nicht auf eine Situation, in der dieses Recht grundsätzlich hätte eingeräumt oder generell hätte geltend gemacht werden können." Der Ausschuß sah deshalb keine Verletzung des Übereinkommens.

 

3. L.K. ./. Niederlande5

Wenn Anwohner sich zusammenrotten, um gegen den Einzug eines Ausländers zu demonstrieren, und drohen, das Haus abzubrennen und seinen Wagen zu demolieren, so reizt das zur Rassendiskriminierung und zur Gewalttätigkeit gegen eine Personengruppe anderer Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit auf und verstößt gegen Art. 4 a. Hieran haben sich "gewissenhafte und rasche" Ermittlungen anzuschließen.

Der Ausschuß kann "nicht akzeptieren, daß das Inkraftsetzen von Gesetzen, die Rassendiskriminierung unter Strafe stellen, für sich allein bedeutet, daß ein Vertragsstaat seinen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen erfüllt." Wenn wie hier, der Aufstachelung nicht gehörig begegnet wird, stellen die Verfahren vor Polizei und Justiz für den Beschwerdeführer kein effektives Rechtsmittel i.S.v. Art. 6 dar.

Der Ausschuß bestätigte seine Äußerungen zum Opportunitätsgrundsatz im Fall Yilmaz-Dogan ./. Niederlande, betonte aber, dieser solle in jedem Fall rassischer Diskriminierung im Lichte der im Übereinkommen verbürgten Garantien angewandt werden.

 

4. Narrainen ./. Norwegen6  

Wenn Geschworene verdächtigt werden, rassische Vorurteile gegenüber einem Angeklagten zu hegen, so sind die nationalen Justizeinrichtungen verpflichtet, diesen Vorwürfen nachzugehen und den Geschworenen für befangen zu erklären und auszuschließen, wenn es hinreichende Beweise dafür gibt, daß er voreingenommen ist.

Der Ausschuß betont, daß es weder seine Aufgabe ist, die norwegischen Vorschriften des Strafprozesses über die Ablehnung von Geschworenen zu interpretieren, noch zu entscheiden, ob die Geschworene auf dieser Grundlage hätte ausgeschlossen werden müssen. Haben die zuständigen Spruchkörper in Norwegen diese Äußerungen und ihre möglichen Auswirkungen auf die Befangenheit der Geschworenen untersucht, und kommen zu dem Ergebnis, daß keine Befangenheit vorliegt, ist der Ausschuß nicht in der Lage festzustellen, daß es zu einer Verletzung des Übereinkommens gekommen ist.

 

Einen fünften Fall erklärte der CERD für unzulässig, weil der Beschwerdeführer den innerstaatlichen Rechtsweg nicht erschöpft hatte. Dabei wurde ihm das Untätigbleiben seines Anwaltes zugerechnet.

 

Weitere drei Fälle sind anhängig.

 

5. Resümee

Die vier entschiedenen Individualbeschwerden bilden eingestandenermaßen eine schmale Rechtsprechungsgrundlage und lassen die Entwicklung dogmatischer Zusammenhänge kaum zu. Allerdings ermöglichen sie einen Blick auf die Standards, die der Ausschuß aus der Konvention ableitet, und die auch die Bundesrepublik Deutschland im Falle der Anerkennung der Kompetenzen des Ausschusses nach Art. 14 zu gewärtigen hätte.

 



Anmerkungen:
 
1 Art. ohne nähere Bezeichnung sind solche des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form des Rassismus.
2 Stand 1. Januar 1998: Algerien, Australien, Bulgarien, Chile, Costa Rica, Dänemark, Equador, Finnland, Frankreich, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Peru, Republik Korea, Rußland, Senegal, Slowakei, Schweden, Ukraine, Ungarn, Uruguay, Zypern.
3 Mitteilung Nr. 1/1984, Entscheidung vom 10. August 1988, Annex IV zu UN.-Dok A/43/18, S. 59ff.; voller Wortlaut in EuGRZ 1990, S. 64ff.
4 Mitteilung Nr. 2/1989, Entscheidung vom 22. August 1990, Annex VIII zu UN.-Dok A/46/18, S. 134ff.
5 Mitteilung Nr. 4/1991, Entscheidung vom 16. März 1993, Annex IV zu UN.-Dok A/48/18, S. 131ff.
6 Mitteilung Nr. 3/1991, Entscheidung vom 15. März 1994, Annex IV zu UN.-Dok A/49/18, S. 128ff.

 
Quelle: MenschenRechtsMagazin 3 / 98

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