Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 8. Juni 2010

Inhalt

Julia Crause* / Rudolf Huber

Menschenrechte in Mosambik
—Eine Studie vor Ort

 

"Die Mosambikaner haben mehr Angst vor dem Polizisten als vor dem Dieb". Diese Aussage der Mosambikanischen Liga für Menschenrechte beschreibt die Situation, in der sich Mosambik vier Jahre nach den ersten freien und demokratischen Wahlen befindet. Trotz vieler Fortschritte bei der Verwirklichung wichtiger politischer Grundrechte wie der Meinungs- und Pressefreiheit finden in Mosambik nach wie vor gravierende Menschenrechtsverletzungen statt. Diese geschehen vor allem innerhalb der Polizei, der Justiz und in den Gefängnissen.

Dies ist das Ergebnis einer dreimonatigen Studie, die die Verfasser im Herbst 1997 in Mosambik im Rahmen eines ASA-Projekts durchgeführt haben.1

Wichtigste Informationsquelle war die Liga für Menschenrechte, eine mosambikanische Nichtregierungsorganisation, die Menschenrechtsverletzungen publik macht und Betroffenen zu ihrem Recht auf Entschädigung verhilft. Sie vermittelte Interviewpartner und ermöglichte den Verfassern Besuche von Gefängnissen und Polizeistationen.

Geschichtlicher Abriß

Mosambik erlangte im Jahre 1975 nach etwa zehnjährigem bewaffneten Befreiungskampf die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal. Daran schloß sich ein sechzehnjähriger Bürgerkrieg an, der von den Nachbarstaaten Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika gegen die aus der Befreiungsbewegung hervorgegangene sozialistische Regierung angefacht wurde.

Dieser Krieg verhinderte eine wirtschaftliche Entwicklung des Landes, so daß Mosambik heute zu den ärmsten Ländern der Erde gezählt wird. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen kam es im Jahre 1992 zu einem Friedensabkommen zwischen den Bürgerkriegsparteien, zwei Jahre später wurden die ersten freien und demokratischen Wahlen durchgeführt. Mosambik gilt heute als ein erfolgreiches Beispiel für Demokratisierung in Afrika.

Grundrechte in der Verfassung

Die im Jahre 1990 verabschiedete mosambikanische Verfassung löste sich vom sozialistisch geprägten Staatsverständnis und proklamiert eine Republik mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen. Sie enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog, der neben den klassischen Freiheits- und Justizgrundrechten auch soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Bildung, Gesundheitsvorsorge und Altersversorgung beinhaltet. Es handelt sich dabei aber nicht um von jedermann einklagbare Rechte, sondern vielmehr um Programmsätze, die den Staat eher moralisch als rechtlich in die Pflicht nehmen und sich gleichermaßen an die Bürger richten. Gegen die Verletzung seiner Grundrechte hat der Bürger außerhalb des allgemeinen Rechtsschutzes keinen spezifischen Rechtsbehelf.2 . Einen individuellen Grundrechtsschutz sieht die Verfassung nicht vor.3

Polizei

Tatsächlich sind die Bürger den Willkürakten staatlicher Organe weitgehend schutzlos ausgesetzt: Korrupte Polizisten schikanieren die Bevölkerung, indem sie die Bürger grundlos zur Kasse bitten. Willkürliche Festnahmen, die häufig über die gesetzliche Höchstdauer von 48 Stunden hinausgehen, sind keine Seltenheit.

Aber auch vor körperlicher Gewaltanwendung schrecken manche Polizisten nicht zurück. Immer wieder werden der Liga für Menschenrechte Fälle von Mißhandlungen und Folter in den Polizeistationen bekannt. Es kam auch schon zu Todesfällen im Polizeigewahrsam. Eine schlechte oder fehlende Ausbildung der Polizisten, geringe Bezahlung und mangelhafte Ausstattung der Reviere werden von offizieller Seite als Ursachen für diese Verfehlungen angesehen.

Justiz

Ähnliche Begründungen werden herangezogen, um die mangelnde Effi-zienz der Justiz zu erklären. Die meisten Richter sind unzureichend ausgebildet und bestechlich. Es kommt häufig zu Willkürurteilen und zur Verschleppung der Prozesse. Die Verteidigung eines Angeklagten ist nicht gewährleistet, da sich die Mehrzahl der Betroffenen keinen Anwalt leisten kann und Pflichtverteidiger kaum zur Verfügung stehen.

Menschen, die häufig nur kleinere Vergehen verübt haben oder sogar unschuldig sind, müssen oft lange Haftstrafen absitzen. Ein großer Teil der Häftlinge befindet sich monate- oder sogar jahrelang hinter Gittern, ohne einem Haftrichter vorgeführt worden zu sein. Die Lebensumstände in den Gefängnissen sind menschenunwürdig. Die Häftlinge vegetieren in völlig überfüllten Zellen dahin, werden schlecht ernährt und medizinisch nur mangelhaft versorgt.

Bildung, Meinungs- und Pressefreiheit

Mangelnde Bildung und unzureichende Kenntnis der eigenen Rechte tragen dazu bei, daß die Bevölkerung vieles widerstandslos hinnimmt. Die von den Politikern angekündigte Bildungsoffensive wird wohl noch lange auf sich warten lassen.

Mosambik ist das Land mit der höchsten Analphabetenquote Afrikas: 67% der Bevölkerung beherrschen die offizielle Sprache Portugiesisch nicht. Vor allem auf dem Land ist daher die Reichweite der Medien und der Zugang zu Information sehr gering. In den Städten aber kann im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit eine positive Entwicklung verzeichnet werden. Unabhängige Zeitungen und Sender können kritische Beiträge ungehindert veröffentlichen.

Gleichheit vor dem Gesetz

Die in der Verfassung postulierte rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau steht im krassen Gegensatz zur Realität. In der patriarchalen Gesellschaft Mosambiks bestimmt der Mann das Familienleben. Bei der Liga für Menschenrechte melden sich immer wieder Frauen, die von ihren Ehemännern mißhandelt werden und von der Polizei keinen Schutz erwarten können. Eine Witwe hat gegenüber der Familie des Mannes keine Rechte.

 

Fazit

Angesichts der Konsolidierung des Friedens und der Einführung einer demokratischen Regierungsform mit rechtsstaatlichen Grundsätzen befindet sich Mosambik auf dem Weg zu einer freiheitlichen Gesellschaft, in der Menschenrechte Beachtung finden.

Allerdings tut man sich in der jungen Demokratie 6 Jahre nach Beendigung des Bürgerkrieges noch schwer, alte Feindbilder aufzulösen und mit politischer Opposition umzugehen. Eine systematische Verfolgung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder politisch Andersdenkender findet aber nicht statt.

Bei den festgestellten Menschenrechtsverletzungen handelt es sich dagegen überwiegend um von einzelnen Staats-dienern verübtes Unrecht. Sie sind vor allem darauf zurückzuführen, daß wenige Jahre nach Ende von Einparteienherrschaft und Bürgerkrieg noch keine hinreichenden demokratischen Strukturen vorhanden sind, die eine wirksame Kontrolle der Staatsorgane gewährleisten. Rechtsstaatliche Grundsätze sind den meisten Staatsdienern fremd; der Großteil der Bevölkerung steht staatlichem Unrecht machtlos gegenüber. Die auf allen Ebenen der Gesellschaft vorherrschende Korruption und die Intransparenz der staatlichen Verwaltung sind gewaltige Störfaktoren bei der Demokratisierung des Landes.

Eine schnelle Abhilfe dieser Probleme ist aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen nicht zu erwarten, doch wird dieser Mangel von den politisch Verantwortlichen gerne vorgeschoben, um die eigene Untätigkeit zu kaschieren. Eine grundlegende Verbesserung der Menschenrechtssituation hängt nicht nur von der finanziellen Unterstützung der Geberländer ab, sondern muß von innen eingeleitet werden. Dazu gehört neben viel Kreativität vor allem der politische Wille.


Anmerkungen:
 
* Julia Crause ist Ethnologin und arbeitet für die Carl-Duisberg-Gesellschaft in Berlin; Rudolf Huber ist Rechtsreferendar bei dem OLG Köln.
1 ASA ist ein Stipendienprogramm, das Studierenden und jungen Berufstätigen dreimonatige entwicklungspolitische Arbeits- und Studienaufenthalte in Afrika, Asien und Lateinamerika ermöglicht.

Der vollständige Bericht kann über ASA/CDG Berlin, Postfach 3509, 10727 Berlin angefordert werden.

2 Dem Bürger bleibt daher nur die wenig aussichtsreiche Petition beim Präsidenten der Republik.
3 Konsequenterweise hat Mosambik nicht das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 unterschrieben.
 

Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 3 /98

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