Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 8. Juni 2010

Inhalt
 
Kinder. Rechte. Kinderrechte.

 
Unter diesem Titel wird  in loser Folge über Entwicklungen im Bereich des internationalen Rechts zum Schutze der Kinder berichtet. Als Schwerpunkte des Gebiets zeichnen sich dabei u.a. ab: Kriminalität von Kindern und Jugendlichen, Kinder und Jugendliche im bewaffneten Konflikt, Erziehung, Familienrecht, das Verhältnis von Kindern und Jugendlichen einerseits und Medien andererseits. Besonderes Augenmerk verdienen die Bestrebungen zur Eindämmung der Kinderarbeit
(vgl. auch die weiteren Berichte in MRM Heft 4 / Oktober 1997; MRM 2/1998; MRM 1/2000, MRM 2/2001 und MRM 3/2001).

 Norman Weiß:

Weltwirtschaft, Kinderarbeit und Sozialklauseln


  
Inhaltsübersicht
I. Einführung

 

II. Rechtliche Grundlagen für das Verbot der Kinderarbeit

a) Die Kinderrechtskonvention
b) Die Internationale Arbeitsorganisation und ihre Regelungen
c) Die Konferenz über Kinderarbeit in Amsterdam und Oslo 1997
d) Aktivitäten der Vereinten Nationen und von UNICEF
e) Resümee

 

III. Sozialklauseln zur Bekämpfung von Kinderarbeit

a) Allgemeines
b) Vereinbarkeit von Sozialklauseln mit dem Prinzip des freien Welthandels?
c) Interessenlage der Akteure zum Einsatz von Sozialklauseln- die Gewerkschaften

 

IV.Bewertung
 
 
 
II. 
I. Einführung
 
 
Das Phänomen der Kinderarbeit hat in den zurückliegenden Jahren verstärkt Aufmerksamkeit auf sich gezogen.1
Der Wille zu seiner Bekämpfung hat zugenommen und manifestiert sich beispielsweise in Einschätzungen wie der des seinerzeitigen Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm: "Kinderarbeit ist Ausdruck einer verkehrten Welt. Kinder arbeiten, Erwachsene sind arbeitslos. Kinder gehören in die Schule und Erwachsene brauchen Arbeit. Kinderarbeit muß ein Weltthema werden."2  

Dies ist im Bereich des Standard-setting geschehen, die Bemühungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) haben hier mit dem Entwurf der Konvention über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit weitere Früchte getragen (dazu siehe unten II.b bei Fn. 11).

Gleichzeitig hat die Debatte eine neue Ausrichtung erfahren. In verstärktem Masse wird die Bekämpfung von Kinderarbeit mit Fragen des Handels, der Handelsliberalisierung und der Suche nach Möglichkeiten, mit Handelsmaßnahmen gegen Kinderarbeit vorzugehen, verknüpft. Dies ist besonders für die Vorstellung bedeutsam, daß importierende Länder Bedingungen an die Arbeitssituation in den Exportländern stellen, die diese erfüllen müssen, wenn sie einen Marktzugang erhalten wollen. Entspricht die Situation in den Exportstaaten nicht den Anforderungen, sind die importierenden Länder zu Sanktionen berechtigt. In diesem Zusammenhang ist die Einführung sogenannter Sozialklauseln als Bedingung für Handelsabkommen oder -beziehungen wichtig geworden.3

In zunehmenden Maße wird diskutiert, ob Einschränkungen des freien Handels als ein Instrument im Kampf gegen die Kinderarbeit gerechtfertigt ist und ob dies Erfolg verspricht.4 Möglich wäre es, daß solche Handelsmaßnahmen im Zeitalter der Globalisierung zu wachsendem Protektionismus führen, der Handelsbarrieren beibehält oder neu errichtet, statt sie aus dem Weg zu räumen. Allerdings könnte es auch sein, daß protektionistische Haltungen ausgeräumt werden, weil in die internationalen Handels- und Arbeitsbeziehungen ein Kriterium der Ausgewogenheit und Angemessenheit eingefügt wird, das zu größerer Transparenz und Wettbewerbsentzerrung führt.

Die nachfolgenden Überlegungen beschäftigen sich mit diesen Fragen und gehen dabei von der Voraussetzung aus, daß internationaler Handel den Respekt für Arbeitsrechte, Sozialstandards und Kinderrechte fördern kann und sollte. Gleichzeitig kann die Respektierung dieser Rechte zu einer deutlichen Entzerrung des Wettbewerbs beitragen und das gegenseitige Vertrauen der verschiedenen, in diesem Prozeß tätigen Akteure stärken helfen.

 
III. 
II. Rechtliche Grundlagen für das Verbot der Kinderarbeit
I. 
 

a) Die Kinderrechtskonvention

Die globale Anerkenntnis von Kinderrechten zeigt sich darin, daß beinahe sämtliche Staaten der Erde die Kinderrechtskonvention von 19895  (KRK) ratifiziert haben. Die KRK setzt grundlegende Mindeststandards für die weltweite Umsetzung von Kinderrechten fest. Grundsätzlich gilt als Kind ein Mensch unter 18 Jahren. Zu den in der KRK niedergelegten Grundprinzipien zählt die Nichtdiskriminierung, die zum Ausdruck bringt, daß Kinderrechte die Rechte aller Kinder sind, unabhängig von Geschlecht, Rasse und sonstigen Kriterien. Zu den Grundprinzipien zählen weiterhin das Kindeswohl, der Respekt vor den Ansichten des Kindes, seine Meinungsäußerungsfreiheit, das Recht auf Leben und die Förderung des Überlebens, der Entwicklung, des Schutzes und der Teilhabe aller Kinder.

Diese grundlegenden Prinzipien sind eng mit spezifischeren Bestimmungen zum Thema Kinderarbeit verbunden. Kernbestimmung insoweit ist Art. 32 KRK.6

"(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringen, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.

(2) Die Vertragsstaaten treffen Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um die Durchführung dieses Artikels sicherzustellen. Zu diesem Zweck und unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen anderer internationaler Übereinkünfte werden die Vertragsstaaten insbesondere

a) ein oder mehrere Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit festlegen;

b) eine angemessene Regelung der Arbeitszeit und der Arbeitsbedingungen vorsehen;

c) angemessene Strafen oder andere Sanktionen zur wirksamen Durchsetzung dieses Artikels vorsehen."

 

Diese Bestimmung wird durch Artikel 33 ergänzt, der Kinder nicht nur vor dem Gebrauch von Suchtmitteln, sondern auch davor schützen will, bei der unerlaubten Herstellung dieser Stoffe und beim unerlaubten Verkehr mit diesen Stoffen eingesetzt zu werden. In Artikel 34 bemüht sich die Konvention um den Schutz des Kindes vor allem vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Mißbrauch; in Artikel 35 befaßt sie sich mit Kindesentführung und Kinderhandel.

Es liegt nahe, Artikel 32 im Zusammenhang mit diesen Bestimmungen der Konvention zu lesen und anzuwenden, um den Herausforderungen des Phänomens Kinderarbeit umfassend begegnen zu können.

Gleichzeitig ist Artikel 32 insoweit offen, als die Norm kein Mindestbeschäftigungsalter festlegt und nicht die angemessene Regelung der Beschäftigungsbedingungen fordert. Es ist deshalb notwendig, auf die umfangreiche Rechtssetzungstätigkeit der ILO zurückzugreifen, um präzisere Vorgaben für diesen Bereich zu erlangen.

Das begrüßenswerte Anliegen der KRK liegt darin, die effektive Umsetzung der Kinderrechte nicht nur zu fördern, sondern auch zu überwachen. Zu diesem Zweck wurde ein internationaler Ausschuß über Kinderrechte, der zehn Mitglieder umfaßt, (der "KRK-Ausschuß") eingerichtet. Der Ausschuß überwacht - ähnlich wie die anderen, auf menschenrechtsvertraglicher Grundlage eingerichteten Ausschüsse, die sogenannten "Treaty Bodies",7 die Ausführung des Abkommens durch die Staaten. Die Staaten sind nach Art. 44 KRK verpflichtet, periodisch an den Ausschuß zu berichten. Dessen Arbeit ist auf Kooperation angelegt, er berät die Vertragsstaaten bei der nationalen Umsetzung. Obwohl es sich natürlich nicht um ein Gericht handelt, dessen Entscheidungen bindend wirken, sind die Empfehlungen des Ausschusses wirkungsvoll und können zu wesentlichen Reformen führen, mit denen nationale Standards den internationalen Vorgaben angepaßt werden.

Die formalen und inhaltlichen Anforderungen des Ausschusses an die Staatenberichte8 machen deutlich, daß er Wert darauf legt, umfassend, übergreifend und interdisziplinär über das Phänomen der Kinderarbeit und die Maßnahmen zu seiner Bekämpfung in den Staatenberichten unterrichtet zu werden.

Die Anmerkungen und Empfehlungen, die der Ausschuß mit Blick auf die Staatenberichte ausgesprochen hat, betrafen bestimmte Gruppen wie Straßenkinder, Kinder, die im Drogenhandel eingesetzt werden, Kinder, die allgemein zu Verbrechen eingesetzt werden, Kinderarbeit in der Landwirtschaft, im Haushalt und die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Der Ausschuß hat zu Gesetzesreformen aufgerufen und politische Handlungsweisen, Programme und Verhaltensweisen gefordert, mit denen eine raschere und nachhaltigere Umsetzung kinderfreundlicher Maßnahmen sichergestellt werden soll. Auf seine Anregung gehen technische Unterstützungsleistung für Entwicklungsländer zurück, mit denen auf das Problem der Kinderarbeit reagiert werden soll.

1994 hat der Ausschuß eine allgemeine Diskussion über die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern durchgeführt und eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen,9 darunter diese:

"Im Bereich des Schutzes von Kindern vor wirtschaftlicher Ausbeutung sieht der Ausschuß das Kind als eine Person, der in Familie und Gesellschaft mit Respekt und Solidarität begegnet werden soll.

i) Im Falle sexueller Ausbeutung oder der Ausbeutung durch Arbeit betrachtet der Ausschuß das Kind als ein Opfer, dem besonderer Schutz in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Entwicklung angedeihen sollte.

ii) In jedem Fall muß das folgende strikt untersagt werden:

- Aktivitäten, die die Entwicklung des Kindes gefährden oder der Menschenwürde und anderen menschlichen Werten entgegenstehen;

- Verhaltensweisen, die eine grausame, unmenschliche oder herabsetzende Behandlung bedeuten;

- der Verkauf von Kindern oder Sklaverei;

- Verhaltensweisen, die gefährlich oder verletzend für das harmonische körperliche, geistige und seelische Wachstum des Kindes oder verantwortlich zu machen sind für eine Gefährdung der zukünftigen Erziehung und Ausbildung des Kindes;

- Verhaltensweisen, die Diskriminierung bedeuten, insbesondere mit Blick auf verletzliche Gruppen oder gesellschaftliche Randgruppen,

- sämtliche Aktivitäten unterhalb des Mindestalters, das in Artikel 32 Abs. 2 der Kinderrechtskonvention angesprochen wird und insbesondere die von der ILO vorgeschriebene Mindestaltersgrenzen,

- alle Aktivitäten, mit denen Kinder zum Zwecke der Begehung strafbarer Handlungen wie Drogenhandel oder Hehlerei eingesetzt werden.

iii) In Übereinstimmung mit Artikel 32 der Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden. Die Vertragsstaaten müssen das Kindeswohl berücksichtigen und Standards formulieren oder ihre bereits in Kraft befindliche Gesetzlage abändern, um den gesetzlichen Schutz des Kindes vor jeder Form von Ausbeutung zu sichern. […]

iv) Die Vertragsstaaten müssen ebenso Maßnahmen ergreifen, um die Rehabilitation von Kindern zu sichern, die infolge wirtschaftlicher Ausbeutung ernsthafter körperlicher und moralischer Gefahr ausgesetzt sind. […]"

 

Die Bekämpfung der Kinderarbeit ist mithin ein wesentliches Anliegen der Kinderrechtskonvention. Gleichwohl schweigt sie zur Frage, ob es eine Verbindung zwischen Kinderrechten, Kinderarbeit und internationalem Handel geben sollte und ob Handelsbeschränkungen verhängt werden sollten, wenn es zur Verletzung von Kinderrechten kommt. Der Ausschuß hat sich bis heute ebenfalls noch nicht zu diesem Punkt geäußert.

b) Die Internationale Arbeitsorgani-
sation und ihre Regelungen

Obwohl die ILO10  

sich bereits unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg mit Fragen der Kinderarbeit und des Mindestalters beschäftigt hat, ist der in einer Vielzahl von Konventionen und Festlegungen von Mindestaltersstufen zum Ausdruck kommende Schutz betroffener Kinder in diesem Bereich eher gering. Dies liegt zum einen daran, daß sich zum Teil wenige Staaten bereit gefunden haben, die entsprechenden Vereinbarungen zu ratifizieren. Zum anderen ist eine sinnvolle Umsetzung der ILO-Vorgaben auf der nationalen Ebene häufig unterblieben.

Das Thema Kinderarbeit war für lange Zeit bei der ILO monopolisiert. Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges hat die Organisation eine Reihe internationaler Vereinbarungen und Empfehlungen auf den Weg gebracht, die sich damit beschäftigt haben.11 Es hat sich als Nachteil herausgestellt, daß vielen dieser Konventionen zu wenige Staaten beigetreten sind. Außerdem wurden die Regelungen im nationalen Bereich zum Teil nur zögerlich und halbherzig umgesetzt. Konvention Nr. 29 aus dem Jahre 1930 und Konvention Nr. 105 von 1957 über Zwangsarbeit sowie Konvention Nr. 138 über das Mindestbeschäftigungsalter, die durch die ILO Empfehlung Nr. 146 aus dem Jahre 1973 ergänzt wird, stellen die wichtigsten Regelungen zum Problemfeld Kinderarbeit dar.

Obwohl die ersten beiden Konventionen breitere Themengebiete als allein Kinderarbeit aufgreifen, haben sie zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für dieses Problem beigetragen und insbesondere Formen des Abarbeitens von Schulden kritisch in den Blick genommen. Im Laufe der Jahre sind nach diesen Instrumenten viele Vorschläge seitens der ILO zur Verbesserung nationaler Gesetze und Mechanismen gemacht worden.

Inzwischen setzt Konvention Nr. 138 das Mindestbeschäftigungsalter in entwickelten Staaten auf 15 Jahre fest, räumt allerdings die Möglichkeit ein, daß es in Entwicklungsländern auf 14 Jahre herabgesetzt werden kann. Das Mindestalter für leichte Arbeiten wird in entwickelten Ländern auf 13, in Entwicklungsländern auf 12 Jahre festgesetzt. Das grundsätzliche Mindestalter, um Kinder vor gefährlicher Arbeit zu schützen, wird jedoch generell mit 18 Jahren festgesetzt. Diese Konvention wurde häufig als das Schlüsselinstrument angesehen, mit dem arbeitende Kinder vor Ausbeutung und gefährlichen Aktivitäten geschützt werden können. Der Ausschuß über die Rechte des Kindes hat sich auch bei der Prüfung von Staatenberichten nach der Kinderrechtskonvention häufig auf diese ILO-Konvention bezogen. Neben der Tatsache, daß ihr allerdings keine universelle Verbreitung zukommt, muß berücksichtigt werden, daß der Begriff der gefährlichen Arbeit undefiniert und dem ausgestaltenden Regelungsermessen der nationalen Regierungen überlassen bleibt. Auch der Gestaltungsspielraum von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften auf den nationalen Ebenen ist dementsprechend weit.

Dies hat im Laufe der Zeit innerhalb der ILO dazu geführt, das Problem der Kinderarbeit mit neuen Mittel anzugehen.

Hierzu zählt das internationale Programm zur Bekämpfung der Kinderarbeit (IPRC) der ILO, das im Jahr 1997 mit über 700 Projekten in mehr als 40 Ländern aktiv war. Es umfaßt Programme mit genau umrissenen Zielen, Gesetzesreformen und eine verbesserte Anwendung bestehender Vorschriften, Forschung und Ausbildung, schließlich die breite Förderung gesellschaftlichen Bewußtseins zur Abschaffung der Kinderarbeit.

Dieser Trend wird durch den kürzlichen Vorschlag zu einer neuen Konvention aufgegriffen, mit der die sofortige Abschaffung schlimmster Formen von Kinderarbeit erreicht werden soll.12    

Damit wird eine Abgrenzung zu anderen Formen der Kinderarbeit unternommen, die es eher langfristig und nicht mit Sofortmaßnahmen zu bekämpfen gelte. Um Kinder vor schlimmster Kinderarbeit zu schützen, wird ein generelles Mindestalter von 18 Jahren angestrebt. Wie in dem Entwurf formuliert wird, sind die schlimmsten Formen von Kinderarbeit durch Strafsanktionen oder andere Maßnahmen sofort zu beenden. Hierbei handelt es sich um folgende Formen von Kinderarbeit:

- Sklaverei oder vergleichbare Praktiken;

- Verkauf und Kinderhandel;

- Zwangsarbeit und Schuldendienst.

Außerdem soll die Beschäftigung sehr junger Kinder (unter 12 bzw. 13 Jahre) verboten werden. Die Konvention beabsichtigt darüber hinaus einen speziellen Schutz von Mädchen.

Insbesondere für das Zusammenspiel zwischen den Arbeits-(Schutz)-Rechten und internationalem Handel ist die Konvention Nr. 138 wichtig. Sie gilt als eines der zentralen Arbeitsschutzrechte, deren universeller Schutz anzustreben ist. Wenn die Staaten sich auf diesen Standard verpflichten und die neue Konvention ratifizieren, die die schlimmsten Formen von Kinderarbeit angreift, kann dies dazu beitragen, den Sanktionscharakter, der "Sozialklau-seln" innewohnt, abzuschwächen. Denn durch ihre Verpflichtung auf die beiden vorgenannten Konventionen würden die Staaten in ihre gegenseitigen Beziehungen eine Komponente des Fair play einbringen.

Die Rechtssetzungstätigkeit der ILO hat somit zu einem zentralen Bestand von Arbeitnehmerrechten geführt; allerdings fehlt noch der spezielle Bezug zu Kinderrechten. Dies soll durch die neue Konvention, die auf der diesjährigen Jahrestagung verabschiedet werden soll, geändert werden. Aus einer Untersuchung der "Working Party on the Social Dimensions of the Liberalisation of International Trade" der ILO läßt sich ablesen, daß das Phänomen der Kinderarbeit weltweit zugenommen hat, obwohl es durchaus auch Erfolge bei der Bekämpfung zu vermelden gibt. Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, daß eine Verbesserung der Rahmenbedingungen - Schulbildung, Hebung des Lebensstandards und Aufklärung - zu einem Rückgang der Kinderarbeit führen.13 Die ILO überwacht zwar, ob die Mitgliedstaaten ihre Standards einhalten, verfügt aber nicht über die Möglichkeit, etwaige Verstöße zu sanktionieren.

c) Die Konferenzen über Kinderarbeit in Amsterdam und Oslo 1997

1997 fanden zwei internationale Konferenzen statt, die der Bekämpfung der Kinderarbeit neuen Schwung verliehen. Die Amsterdamer Kinderarbeitskonferenz im Februar über die Beseitigung der schlimmsten Form von Kinderarbeit präsentierte foolgende Vorschläge zu Umsetzung der Ziele:

- die sofortige Beendigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit ebenso wie die gesundheitliche Wiederherstellung der Kinder und ihr Zugang zu hochwertiger Erziehung und zu einer angemessenen gesellschaftlichen Infrastruktur einschließlich eines funktionierenden Gesundheitsschutzes, der sozialen Hilfestellung für Familien und verbesserter Bedingungen für die Beschäftigung von Erwachsenen;

- die Verhütung von Kinderarbeit durch universelle Bereitstellung von hochwertiger Erziehung und Zugang zu angemessenen sozialen Infrastrukturen einschließlich eines funktionierenden Gesundheitsschutzes, der sozialen Hilfestellung für Familien und verbesserter Bedingungen für die Beschäftigung von Erwachsenen;

- die Schaffung eines besseren Bewußtseins und Verständnisses für die Rechte von Kindern und dafür, daß Kinderarbeit zu beenden sei.14  

Die Osloer Konferenz über Kinderarbeit fand im Oktober statt und verabschiedete einen Handlungsplan zum Thema Kinderarbeit. Diese Agenda räumt der sofortigen Beendigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit und der physischen und psychologischen Wiederherstellung der beteiligten Kinder oberste Priorität ein.

Daneben werden die Staaten dazu aufgefordert, sich schrittweise der Abschaffung sämtlicher Formen von Kinderarbeit für Kinder im schulpflichtigen Alter (abhängig von den nationalen Regelungen) zu nähern, und dieses Verbot auf alle Aktivitäten zu erstrecken, die die Entwicklung und Ausbildung von Kindern beeinträchtigen können. Die Handlungen auf der nationalen Ebene sollten auf einer sorgfältigen Entwicklung von Programmen und Politikzielen basieren, gesellschaftliche Mobilisierung einschließen und die Rolle der Zivilgesellschaft, Bildung, Erziehung sowie der Gesetzgebung angemessen berücksichtigen.

Vor allem sollen die Staaten bei der Entwicklung und Annahme der neuen ILO-Konvention zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit mitwirken.

Hieraus läßt sich ablesen, daß es bereits Leitlinien für die vorzunehmenden Neuerungen gibt. Hauptaufgabe bleibt es, diese effektiv umzusetzen, um in einem überschaubaren Zeitrahmen geschlechts- und kinderspezifische Wirkungen zu erzielen.

d) Aktivitäten der Vereinten Nationen und von UNICEF

Das Thema Kinderarbeit wird seit vielen Jahren auch von anderen Akteuren innerhalb der Vereinten Nationen aufgegriffen.

Von besonderem Interesse ist zunächst die Arbeit der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und ihrer verschiedenen Unterorgane. Die Kommission verabschiedete 1993 ein Aktionsprogramm zur Beseitigung der Ausbeutung durch Kinderarbeit,15 in dem besonderer Wert auf präventive Maßnahmen wie ein Recht auf Bildung und Zugang zur Bildung gelegt wurde. Andere Ansatzpunkte des Aktionsprogrammes waren eine effektivere Anwendung der bestehenden Gesetze, die Möglichkeit von Rechtsbehelfen und der Wiedereingliederung von Kindern in gesellschaftliche Verhältnisse, eine verbesserte Informationslage und hierauf aufbauend gesellschaftliche Mobilisierung sowie schließlich internationale Zusammenarbeit.

Die Kommission wird unterstützt von der Unterkommission zur Vorbeugung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten, der Arbeitsgruppe zu zeitgemäßen Formen der Sklaverei und dem Sonderberichterstatter über den Verkauf von Kindern. Alle diese haben sich im Lauf der Zeit mit dem Thema Kinderarbeit auseinandergesetzt.16

Auch die neben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte grundlegenden Menschenrechtsdokumente der Vereinten Nationen, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte berühren das Phänomen der Kinderarbeit. Dementsprechend haben sich die auf der Grundlage dieser Verträge arbeitenden Überwachungsgremien, der Menschenrechtsausschuß (MRA) und der CESCR verschiedentlich zu Fragen der Kinderarbeit geäußert, etwa in den Bemerkungen zu den Staatenberichten Boliviens (MRA) und Kolumbiens (CESCR).17  

Von einem anderen Ansatzpunkt her ist das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, zunehmend mit Aktionen gegen Kinderarbeit befaßt. 1990 fand der Weltkindergipfel in New York statt.18 UNICEF war federführend bei der Vorbereitung der "Deklaration zum Überleben, zum Schutz und zur Entwicklung von Kindern", mit der die Mehrheit der Staatsführer sich für den speziellen Schutz des arbeitenden Kindes und die Abschaffung der illegalen Kinderarbeit einsetzten. 1997 legte UNICEF in seinem jährlichen Bericht "Zur Situation der Kinder der Welt"19 dar, welche Bedeutung Kinderarbeit weltweit hat und vermittelte wesentliche Einsichten in den Zusammenhang von Handel und Kinderarbeit. UNICEF hat daneben die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und Verbänden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterstützt, um den Einsatz von Kinderarbeit in den unterschiedlichsten Industrien zu beenden, wobei die Organisation gleichzeitig darauf abzielte, andere Lebensumstände für die Kinder und ihre Familien zu eröffnen.

e) Resümee

Die Staatengemeinschaft hat sich die Bekämpfung der Kinderarbeit zu eigen gemacht. Das Völkerrecht bietet vielfältige Grundlagen, um dieses Ziel zu erreichen. Doch die Erfahrung hat gezeigt, daß der gute Wille sich nicht im Setzen von Rechtsnormen erschöpfen darf. Um die Befolgung der Standards zu erreichen, wird seit längerem über den Nutzen von Sozialklauseln diskutiert, mit denen Produkte, die in Kinderarbeit hergestellt wurden, vom Handel ausgeschlossen werden sollen.

 

 
IV. 
III. Sozialklauseln zur Bekämpfung von Kinderarbeit
 II.
 

1. Allgemeines

Die fortschreitende Liberalisierung des internationalen Handels zielt auf einen ungehinderten Austausch von Waren und Dienstleistungen. Sozialklauseln dagegen wollen den Handel mit Erzeugnissen, die unter bestimmten Produktionsbedingungen hergestellt wurden, verbieten. Wie läßt sich dieser Gegensatz überbrücken?

Um hier zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen, erscheint es sinnvoll, sich zunächst die Prinzipien zu vergegenwärtigen, die den internationalen Handel im wesentlichen prägen. Es sind dies einerseits das System der Meistbegünstigung, wie es in der Welthandelsorganisation (WTO) und deren Vorgängerabkommen, dem GATT, institutionalisiert ist, und das der Allgemeinen Präferenzen andererseits. GATT und WTO erlauben die Öffnung für das System der Allgemeinen Präferenzen, mit dem Entwicklungsländern ein erleichterter Marktzugang verschafft werden soll.

Um festzustellen, ob sich Sozialklauseln sich hierhinein einpassen lassen, ist es erforderlich, den Begriff stärker als bisher zu präzisieren. Es lassen sich nämlich vier Typen von Sozialklauseln unterscheiden:

- die negative Klausel, die innerhalb des GATT/WTO-Systems vereinbart wird und bei Nichtbeachtung von Standards zu Sanktionen berechtigt (bislang noch nicht existent);
- die negative Klausel, die innerhalb des Systems der Allgemeinen Präferenzen vereinbart wird und bei Verletzung zum Fortfall einiger Erleichterungen führt (bereits in Gebrauch);
- die positive Klausel, die dem Partnerland bei Beachtung bestimter Standards weitere Erleichterungen im System der Allgemeinen Präferenzen bringt (bereits in Gebrauch);
- die Klausel, die zwischen zwei Staaten vereinbart wird, von denen mindestens einer nicht dem GATT/WTO angehört, und alle Gestaltungsmöglichkeiten beinhaltet (bislang noch nicht existent).

 

2. Vereinbarkeit von Sozialklauseln mit dem Prinzip des freien Welthandels?

Wie dargestellt, werden Sozialklauseln bereits im System der Allgemeinen Präferenzen angewendet, hauptsächlich von der EG/EU und den USA. Das Präferenzsystem stellt seinerseits bereits eine Ausnahme von den grundsätzlichen GATT/WTO-Prinzipien der Gegenseitigkeit und Nicht-Diskriminierung dar. Die im Rahmen der Allgemeinen Präferenzsysteme durch Sozialklauseln ermöglichte Gewährung weiterer oder Entziehung bestehender Vergünstigungen unterfällt ebenfalls diesem Ausnahmetatbestand und ist daher zulässig.

Für das GATT ist festzuhalten, daß es keine Sozialklauseln vorsieht, auch nicht in seinem Art. XX. Die dort eröffneten Möglichkeiten, den freien Handel zu beschränken, beziehen sich nicht auf unzureichenden Produktionsbedingungen wie Kinderarbeit, sondern haben den Handel und seine Auswirkungen im Blick. Die Diskussion darüber, ob die bestehenden Regelungen des GATT-Abkommens heute weiter als bisher interpretiert werden müssen, um Sozialklauseln zu ermöglichen, ist noch nicht abgeschlossen.20

Die WTO bietet neben ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Ministerkonferenz als dem grundlegenden Diskussionsforum einen Mechanismus, mit dem sich die Einhaltung internationaler Arbeitsstandards überprüfen ließe, ohne daß man eine sanktionsbewehrte Sozialklausel einführen müßte. Auf der Ministerkonferenz im Jahre 1996 in Singapur wurden arbeitsrechtliche Mindeststandards angesprochen. Dabei wurde auf die zentrale Rolle der ILO und die Kooperation mit ihr hingewiesen.

Mit dem Verfahren zur Überprüfung der Handelspolitiken (Trade Policy Review Mechanism = TPRM) soll sichergestellt werden, daß sich alle Mitgliedstaaten an die Vorgaben des mehrseitigen Handelsystems halten. Die Mitgliedstaaten müssen umfangreiche Berichte vorlegen, die dann vom TPRM mit Empfehlungen beantwortet werden. Die WTO wertet diesen Mechanismus positiv, weil er dazu beitrage, die Aufmerksamkeit der Staaten und der Organisation auf neue Problembereiche zu lenken. Ausdrücklich benennt der Jahresbericht 1996 das Verhältnis von Handels- und Wettbewerbspolitik. Eine Erstreckung auf das Phänomen der Kinderarbeit erscheint nicht ausgeschlossen.

Festzuhalten bleibt, daß Sozialklauseln zum Schutz von Arbeitnehmerrechten allgemein und von Kinderrechten, speziell zum Verbot von Kinderarbeit, vom GATT/WTO-System nicht ausdrücklich vorgesehen, aber auch nicht explizit ausgeschlossen sind.

Die zuständigen Organe erachten es in diesem Zusammenhang für sinnvoll, ILO-Standards fruchtbar zu machen. Dahinter steht die Annahme, daß bei einer generellen Einhaltung der dort erarbeiteten Vorgaben das Druckmittel von Sozialklauseln überflüssig sein würde.21  

Auch auf den verschiedenen regionalen Ebenen - NAFTA und EG/EU - sind Sozialklauseln gebräuchlich: Bei den NAFTA-Staaten untereinander; die EG/EU setzt sie zur Gestaltung ihrer Außenbeziehungen22 ein.

Schließlich werden Sozialkauseln auch von einzelnen Staaten, wie den USA, in zweiseitige Handelsabkommen integriert.

 

Insgesamt läßt sich sagen, daß Sozialklauseln im heutigen Welthandelssystem nicht explizit ausgeschlossen sind, ihre Verwendung zum Teil völkervertragsrechtlich vorgesehen ist, und sie in bestimmtem Umfang auch gebräuchlich sind.

 

3. Interessenlage der Akteure zum Einsatz von Sozialklauseln — die Gewerkschaften

In diesem Punkt treffen so viele Akteure und Interessengruppen wie selten aufeinander, deren unterschiedliche Interessenlagen die Verwendung von Sozialklauseln im Rahmen zwischenstaatlicher Handelsbeziehungen zusätzlich komplizieren.

Neben den Regierungen sind die Vereinigungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ebenso zu nennen wie die Verbraucherverbände und die die Zivilgesellschaft repräsentierenden NGOs. Hinzu kommen schließlich die Internationalen Organisationen, die häufig eigene, von denen ihrer Mitgliedstaaten losgelöste Interessen verfolgen.

 

Da es beim Verbot von Kinderarbeit um Arbeitsschutzrechte geht, soll hier die Position von Gewerkschaften zu entsprechenden Sozialklauseln näher beleuchtet werden.

Zunächst ist festzustellen, daß die Haltung der Arbeitnehmervertreter weltweit uneinheitlich ist und aus unterschiedlichen Motiven gespeist wird.

Für viele Gewerkschaften gerade in Ländern der Dritten Welt läßt sich ein Informationsdefizit hinsichtlich des Phänomens der Kinderarbeit erkennen; häufig jedenfalls steht das Problem nicht auf den vorderen Plätzen ihrer Prioritätenliste.

Der US-amerikanische Gewerkschaftsverband AFL-CIO tritt seit Jahren mit einer offen protektionistischen Argumentation für die Einführung von Sozialklauseln ein und stellt dieser Forderung mit einer gewissen Nonchalance ein entschiedenes "Buy american!" an die Seite.23  

Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) verficht seit langem die Einführung einer Sozialklausel in das Regelwerk des GATT. Ihm geht es dabei nicht - wie den Gewerkschaften der Industriestaaten - vorrangig um die Vermeidung der Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den Industrieländern, sondern generell um die Verhinderung von Ausbeutung. Zu diesem Zweck werden fünf zentrale Elemente genannt, die durch eine Sozialklausel zu schützen seien:

- Vereinigungsfreiheit;
- Tarifvertragsfreiheit;
- Verbot der Zwangsarbeit;
- Unterbindung der Kinderarbeit;
- Verbot jeglicher Diskriminierung.

Mit einer solchen Sozialklausel werde es nach Ansicht des IBFG nicht zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt kommen. Vielmehr würden gerade diejenigen Entwicklungsländer profitieren, die die Menschenrechte achteten. Eine Sanktion bei Verstößen gegen die Klausel macht der IBFG von einem mehrstufigen Prüfungsverfahren durch WTO und ILO abhängig.

So positiv das Engagement der IBFG einerseits zu würdigen ist,24 so kann doch nicht übersehen werden, daß der internationale Dachverband, der Organisationen aus 124 Ländern repräsentiert, naturgemäß nur eine Kompromißlinie verfolgt. Da die Interessen der Gewerkschaften aus den Industriestaaten - keine Verlagerung von Arbeitsplätzen - hierdurch nicht hinreichend gewahrt werden, ist ihr Engagement eher zurückhaltend. Dies jedenfalls solange, wie es nicht von einem vorbehaltlosen Willen zur Unterstützung von Gewerkschaften und Arbeitnehmern in den Entwicklungsländern getragen wird.25  

 

Im Gegensatz zu den bislang dargestellten Positionen ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lange Zeit als Verfechter des freien Welthandels aufgetreten und hat Sozialklauseln abgelehnt.26 

Erst im Jahr 1993 kam es zu einer Neuorientierung. Ein Beschluß des Bundesvorstandes äußerte sich zu den durch Sozial-Dumping ausgelösten Gefahren für Arbeitsplätze in Deutschland und lag ganz auf der Linie der bisherigen Haltung der GTB.

Dieser protektionistische Ansatz wurde jedoch rasch zugunsten der Argumentation des IBFG aufgegeben. Inzwischen vertritt der DGB im Bereich der Sanktionierung von Verstößen gegen die Sozialklausel allerdings eine noch weichere Auffassung als der IBFG: Einerseits spricht er sich vorrangig dafür aus, das Einhalten von Standards zu belohnen, andererseits hält er Sanktionen nur dann für zulässig, wenn in eklatanter Weise gegen das Verbot der Zwangsarbeit und gegen Gewerkschaftsrechte verstoßen wird - also nicht bei Kinderarbeit - und fordert als weitere Voraussetzung, daß hierdurch der Welthandel mit einzelnen Produkten verzerrt wird. Damit wird der praktische Nutzen einer solchen Klausel deutlich relativiert.27  

 
 

IV. Bewertung

III. 


Kinderarbeit ist ein weltweit verbreitetes Massenphänomen. Sie beeinträchtigt die weitere Entwicklung von Kindern und ist, jedenfalls in ihren harten und ausbeuterischen Erscheinungsformen, mit der Menschenwürde unvereinbar. Die Bekämpfung der Kinderarbeit ist daher ein vordringliches Ziel des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Verstärkte Aktivitäten im Bereich des Standard-setting, wie sie gerade aktuell zu beobachten sind, reichen hierfür allein offenkundig nicht aus. Es wird daher diskutiert, eine Durchsetzung des Verbots der Kinderarbeit an Handelssanktionen zu knüpfen. Zu diesem Zweck wird die Einführung oder - sofern bereits vorhanden - intensivierte Anwendung von Sozialklauseln erwogen.

Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, daß Sozialklauseln nach geltendem Völkerrecht möglich sind und sich insbesondere mit dem internationalen Welthandelsrecht vereinbaren lassen.

Allerdings ist es nach den bisherigen Erfahrungen mit bereits existierenden Klauseln - etwa im Bereich der Europäischen Gemeinschaft - wenig wahrscheinlich, daß es zu einer automatischen Verknüpfung von Verstoß und Sanktion kommen wird. In diese Richtung weisen auch die bisherigen Vorschläge, die ein gestuftes Überprüfungsverfahren vorsehen und keine bestimmten Reaktionen vorschreiben.

Erneut besteht somit die Gefahr, daß kein echter Durchsetzungsmechanismus geschaffen wird, sondern (wirtschafts-) politische Überlegungen den Ausschlag geben werden, wenn es um die Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen geht.



  Anmerkungen:
 
1 Siehe den Beitrag Kinder.Rechte.Kinderrechte in: MRM 1998, S. 64ff. sowie neuestens FAZ vom 25. Mai 1999, S. 9.
2 N. Blüm; Vorwort zum Bericht der Bundesregierung "Kinderarbeit in der Welt", Aug. 1995, S. 5. Der Bericht wurde dem Deutschen Bundestag als Drs. 13/1079 am 6. April 1995 vorgelegt.
3 Bsp. finden sich vor allem in einseitigen handelspolitischen Instrumentarien der USA.
4 K. de Feyter, The Prohibition of Child Labour as a Social Clause in Multilateral Trade Agreements, in: E. Verhellen (ed.), Monitoring Children’s Rights, 1996, S. 431-444; D. Haas, Mit Sozialklauseln gegen Kinderarbeit? Das Beispiel der indischen Teppichproduktion, 1998, m.w.Nw.
5 Vom 20. November 1989, BGBl. 1992 II 121. Einführend dazu H. Stender, Die Kinderrechtskonvention, in: MRM Heft 4/Oktober 1997, S. 21ff. Vertiefend: B. Verschraegen, Die Kinderrechtekonvention, 1996.
6 Die KRK ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht unmittelbar anwendbar, d.h. der einzelne kann sich vor Gericht nicht auf ihre Bestimmungen berufen.
7 Dazu s. E. Klein (ed.), The Monitoring System of Human Rights Treaty Obligatons, 1998.
8 UN-Dok. CRC/C/58, November 1996.
9 Report of the CRC 1994, S. 104f. (Übersetzung des Verfassers).
10 Zur ILO vgl. Stichwort
11 Zu diesen zählen:
- Konvention Nr. 5 Mindestalter, 1919
- Konvention Nr. 59 Mindestalter (Industrie)
- Konvention Nr. 7 Mindestalter (Seefahrt), 1920
- Konvention Nr. 58 Mindestalter (Seefahrt), 1936 / revidierte Fassung
- Konvention Nr. 10 Mindestalter (Landwirtschaft), 1921
- Konvention Nr. 15 Mindestalter (Trimmer und Heizer), 1921
- Konvention Nr. 33 Mindestalter (nichtindustrielle Beschäftigung), 1932
- Konvention Nr. 60 Mindestalter (nichtindustrielle Beschäftigung), 1937 / revidierte Fassung
- Konvention Nr. 112 Mindestalter (Fischerei), 1959
- Konvention Nr. 123 Mindestalter (Untertagebergbau), 1965
- Konvention Nr. 138 Mindestalter, 1973
- Konvention Nr. 29 Zwangsarbeit, 1930
- Konvention Nr. 105 Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957 (Industrie)
12 Die auf der 87. Tagung der Arbeitskonferenz im Juni 1998 verabschiedet werden soll.
13 Vgl. ILO-Doc. GB.2368/WP/SDL/1/2 (März 1997), S. 3f.
14 Report: Convention the most intolerable forms of child labour: a global challenge (the Hague: Ministry of Social Affairs and Employment, 1997), S. 7-8.
15 Resolution 1993/79, in: E/CN.4/1993/122, S. 231-240
16 Vgl etwa die Zusammenstellung der Unterkommission zur Vorbeugung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten der Berichte von neunzehn Staaten über die gesetzgeberischen und verwaltungstechnischen Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarbeit, in: E/CN.4/Sub.2/AC.2/1994/6.
17 Abschließende Bemerkungen des MRA zu Bolivien, in: A/52/40, S. 35ff. (Ziff. 213); des CESCR zu Kolumbien, in: E/C.12/1996/12, Ziff. 189.
18 Kritisch zu dessen Ergebnissen A. Großmann, Der Weltkindergipfel in New York 1990: Die Lage der Kinder läßt keine Entwarnung zu, in: D. Messner / F. Nuscheler (Hrsg.), Weltkonferenzen und Weltberichte, Ein Wegweiser durch die internationale Diskussion, 1996, S. 170ff.
19

UNICEF, The State of the World’s Children, 1997, darin Kapitel II: Children at risk: Ending hazardous and exploitative child labour.

20 Nachweise bei V. Muntarbhorn, Child Rights and Social Clauses: Child Labour Elimination as a Social Clause?, in: International Johttp://nbn-resolving.de/urnal of Children’s Rights 6 (1998), 255-311 (S. 276ff.)
21 In diesem Sinne auch V. Muntarbhorn (Fn. 20), S. 287.
22 Vgl. dazu Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des 4. Abkommens von Lomé vom 15. Dezember 1989.
23 Vgl. dazu M. Braun, Arbeitnehmerrechte im Wandel, Sozialklauseln - eine neue Perspektive gewerkschaftlichen Handelns?, INEF-Report Heft 14/1995, S. 30 m.w.Nw. in Fn. 127.
24 Dezidiert in diesem Sinne V. Muntarbhorn (Fn. 20), S. 298ff.
25 S. M. Braun (Fn. 23), S. 36f.
26 Nur die Gewerkschaft Textil und Bekleidung (GTB) trat aus protektionistisch motivierten Überlegungen schon seit den siebziger Jahren - wie auch die entsprechenden internationalen Dachverbände - erfolglos für eine Sozialklausel ein, um "Sozialdumping" zu bekämpfen. Dazu M. Braun (Fn. 23), S. 31f. m.w.Nw.
27 Ebenso M. Braun (Fn. 23), S. 40f. D. Haas (Fn. 4), S. 15ff. äußert sich eher neutral, hält Sozialklauseln insgesamt aber nur für ein Mittel zur Linderung von Symptomen und tritt für die Beendigung des internationalen konkurrenzwettlaufs insgesamt ein (S. 127f.).
 
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 2 / 1999

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