Gespiegelte Fassung der elektronischen Zeitschrift auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam, Stand: 8. Juni 2010

Inhalt

Heike Stender:

Die Kinderrechtskonvention

 
Inhaltsübersicht
I. Einleitung
II. Rechte und Garantien der Konvention
III. Umsetzung der Konvention in der Bundesrepublik
IV. Der Kontrollmechanismus der Konvention
  
 
2.
I. Einleitung
 
 
Mit der UN-Konvention über die Rechte des Kindes1 (KRK) wurden erstmalig in einer die Vertragsstaaten bindenden Form individuelle, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Minderjährigen in einem internationalen Übereinkommen festgehalten.

Der Erarbeitung dieser Konvention waren die "Geneva Declaration" des Völkerbundes von 19242 und die "Declaration on the Rights of the Child",3 einstimmig von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1959 verabschiedet, vorausgegangen.

Beide besaßen allerdings unverbindlichen Charakter und konnten nur rein appellative und moralisierende Funktionen ausüben.

Erst im Jahre 1979, dem Internationalen Jahr des Kindes, fand eine polnische Initiative4 zur Erarbeitung eines verbindlichen Abkommens, welches Mindeststandards und Rechte für Kinder beinhalten sollte, Unterstützung durch die Staatengemeinschaft.

Es sollten allerdings noch weitere 10 Jahre der Debatte und Vorbereitung vergehen, bis mit der Verabschiedung der "Convention on the Rights of the Child" durch die Generalversammlung5 am 20. November 1989 das bisher bedeutendste internationale Menschenrechtsinstrument im Bereich des Kinderschutzes entstand.6

Die Kinderrechtskonvention ist Ausdruck eines internationalen Bewußtseinswandels. Denn während zwar in den früheren Deklarationen die besondere Schutzbedürftigkeit von Kindern betont wurde, sah man sie lange eher als Objekte des internationalen Rechts denn als eigenständige Rechtssubjekte , d.h. als Inhaber von Rechten und Freiheiten, an.
 
 

3.
II. Rechte und Garantien der Konvention
1.  
 
Art. 1 der Konvention definiert als minderjährig jeden Menschen, "der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt".

Das Prinzip des Kindeswohls durchzieht das gesamte Abkommen und findet seinen Ausdruck explizit in Art. 3, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, deren Wohl vorrangig zu berücksichtigen ist.

Der Vertragstext umfaßt die traditionellen, allgemeinen menschenrechtlichen Garantien ebenso wie spezielle, die besondere Situation von Kindern als die schwächsten Glieder der Gesellschaft beachtenden Rechte und Freiheiten. So sind neben dem Recht auf Leben (Art. 6), dem Diskriminierungsverbot (Art. 2), dem Verbot der Folter und anderer grausamer Behandlung (Art. 37) auch zu erwähnen: das Recht auf einen Namen, eine Staatsangehörigkeit und auf Kenntnis der Abstammung (Art. 7, 8) oder das Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen (Art. 10).

Bestimmungen zum Schutz vor Gefahren, denen insbesondere Kinder ausgesetzt sind, wie physische und seelische Mißhandlung, sexueller Mißbrauch und wirtschaftliche Ausbeutung sind in Art. 19, 32, 34-37 festgeschrieben.

Weitere Rechte dienen der Förderung der Entwicklung von Kindern wie z.B. Bildung (Art. 28, 29), Freizeit und kulturelle Aktivitäten (Art. 31). Kinder sollen gleichfalls ein Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 13, 17), auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 14) ausüben können.

Besondere Berücksichtigung findet auch die Situation von Kindern, die Minderheiten angehören (Art. 30), Flüchtlingen (Art.22), geistig und körperlich behinderten Minderjährigen (Art. 23, 25) sowie Kindern, die von bewaffneten Konflikten betroffen werden (Art. 38).

Angesichts der sehr verschiedenen Auffassungen, Kulturen und Traditionen der Vertragsstaaten ist es nicht verwunderlich, daß nur durch teilweise unpräzise und vage Bestimmungen ein breiter Konsens in der Annahme der Konvention möglich war.

Einige wenige Rechte und Schutzgarantien sind klar und unbedingt formuliert.

In den meisten Bestimmungen wird den Staaten lediglich auferlegt, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, Rechte zu achten und anzuerkennen, sich nach besten Kräften zu bemühen usw.

Sie erhalten somit einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Art und Weise der innerstaatlichen Durchsetzung.

Dies beeinflußte einerseits die beeindruckende Tatsache, daß die Kinderrechtskonvention bereits am 20. September 1990, ein Jahr nach ihrer Unterzeichnung, aufgrund der Hinterlegung der 20. Ratifikationsurkunde gemäß Art. 49 I der Konvention in Kraft treten konnte. Bis zum heutigen Tage sind ihr 191 Staaten beigetreten.8 Kein anderes menschenrechtliches Abkommen hat bisher in so kurzer Zeit eine derart breite Unterstützung und Anerkennung erfahren.

Auf der anderen Seite allerdings ist nicht zu verkennen, daß etwa ein Drittel der Vertragsstaaten die Ratifizierung mit teilweise erheblichen Vorbehalten und interpretierenden Erklärungen verband.
 

 

4.
III. Umsetzung der Konvention in der Bundesrepublik
2.  
 
Der Bundestag hat am 14. November 1991 das nach Art. 59 II S. 2 GG für die Geltung völkerrechtlicher Verträge im innerstaatlichen Recht erforderliche Zustimmungsgesetz verabschiedet, so daß die Konvention am 5. April 1992 für die Bundesrepublik in Kraft getreten ist.9

Im Zusammenhang mit der Ratifizierung hat auch die Bundesregierung verschiedene Vorbehalte und Erklärungen zu der Konvention generell sowie zu einzelnen Bestimmungen abgegeben.

Hinsichtlich ihrer Geltung im deutschen Recht ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das Abkommen innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet, es begründe nur "völkerrechtliche Staatenverpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland nach näherer Bestimmung ihres mit dem Übereinkommen übereinstimmenden innerstaatlichen Rechts erfüllt".9

Damit würde die Konvention keine Grundlage für die Durchsetzung unmittelbar auf einzelne Konventionsartikel gestützter individueller Rechtsansprüche bieten.

Weiterhin erklärte die Bundesregierung, "daß die Bestimmungen des Übereinkommens auch die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts

a) über die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei der Wahrnehmung ihrer Rechte,

b) über das Sorge- und Umgangsrecht bei ehelichen Kindern und

c) über die familien- und erbrechtlichen Verhältnisse nichtehelicher Kinder

nicht berühren".10

Diese Erklärungen der Bundesregierung sorgten für teilweise heftige Diskussionen, da einige noch geltende Bestimmungen des deutschen Familien- und Erbrechtes, insbesondere in Bezug auf die rechtliche Behandlung nichtehelicher Kinder, das Adoptions- und Scheidungsfolgenrecht als nicht in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik stehend angesehen werden.

Es wird die Auffassung vertreten, daß die Vorbehalte unvereinbar mit dem "Ziel und Zweck dieses Übereinkommens" (Art. 51 II) und somit unbeachtlich für dessen Anwendung seien.11

Ausdruck der Einsicht in die Notwendigkeit einer Überarbeitung des deutschen Rechts, um es mit der Kinderrechtskonvention in Einklang zu bringen, ist die Erklärung der Bundesregierung, daß sie "die Ratifizierung des Übereinkommens zum Anlaß nehmen wird, Reformen des innerstaatlichen Rechts in die Wege zu leiten".12

Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Maße die am 25. September 1997 im Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedete Kindschaftsrechtsreform, deren Kernpunkt die Beseitigung von rechtlichen Unterschieden bei nichtehelich und ehelich geborenen Kindern sowohl beim Sorge- als auch beim Erbschaftsrecht ist, die Diskussion entschärfen kann.

Wenn der Bundesrat den Änderungen zustimmt, soll das neue Gesetz am 1. Juli 1998 in Kraft treten.
 

 

 
IV. Der Kontrollmechanismus der Kinderrechtskonvention
3. 
 
Für die Überwachung seiner internationalen Umsetzung enthält das Übereinkommen über die Rechte des Kindes nur das Berichtssystem als einzige Form der internationalen Kontrolle.

Die Möglichkeit der Staaten- oder Individualbeschwerde über die Verletzung von Konventionsrechten, wie sie etwa der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte kennt,13 ist in der Kinderrechtskonvention nicht vorgesehen.

Gemäß Art. 43 wurde zur "Prüfung der Fortschritte" bei der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen aus der Konvention ein Ausschuß für die Rechte des Kindes eingesetzt, der aus zehn unabhängigen von den Vertragsstaaten gewählten Experten besteht, die sich dreimal jährlich in Genf treffen.

Dieser Ausschuß behandelt in öffentlichen Sitzungen die von den Staaten vorgelegten periodischen Berichte zur Umsetzung der Konvention in das innerstaatliche Recht, kann diese nach Bedarf ergänzen lassen und abschließend Vorschläge und Empfehlungen unterbreiten. Hierbei steht es ihm offen, Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, UNICEF und andere "zuständige Stellen" zur Mitarbeit,14 in Form der Abgabe von Stellungnahmen zum Beispiel, einzuladen (Art. 45).

Der Erstbericht der Bundesrepublik Deutschland stand 1995 auf der Tagesordnung des Kinderrechtsausschusses.15

Eine Verpflichtungserklärung zur allgemeinen Bekanntmachung der Konvention durch geeignete und wirksame Maßnahmen der Vertragsstaaten sieht Art. 42 vor.

Das eher politische Schutzsystem der Kinderrechtskonvention ist mit Sicherheit eines ihrer nicht zu übersehenden Defizite.

Dennoch ist die Bedeutung der Konvention nicht einfach als gering einzustufen, da von ihr, insbesondere im universellen politischen Bereich in der kurzen Zeit ihrer Existenz schon wichtige Impulse ausgingen, wie zum Beispiel ihre Erwähnung im Schlußdokument der UN-Menschenrechtskonferenz im Jahre 1993 in Wien16 mit dem Aufruf an die Staaten, die innerstaatliche Gewährleistung der Rechte sicherzustellen, zeigt.
 



  Anmerkungen:
 
1 Convention on the Rights of the Child, abgedruckt in: C. Tomuschat, Menschenrechte, Dokumentensammlung, 1992, S. 422; siehe auch: Gesetz vom 17.2.1992 zu dem Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl 1992 II S. 121)
2 League of Nations, Official Johttp://nbn-resolving.de/urnal, Special Supplement no. 21, October 1924, p. 43
3 Resolution 1386 (XIV)
4 Unterbreitet während der 34. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission am 7.2.1978
5 Resolution 44/25
6 Bei Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde erklärte die Bundesregierung unter anderem, daß "sie das Übereinkommen über die Rechte des Kindes als einen Meilenstein der Entwicklung des internationalen Rechts" begrüße (BGBl. 1992 II 990).
7 Stand 07.10.1997
8 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, 10. Juli 1992 (BGBl 1992 II S. 990)
9 BGBI. 1992 II S. 990
10 BGBI. 1992 II S. 990
11 zum Beispiel: Kurt Ebert, Zur Konfiguration (Konfron-tation?) von innerstaatlichem Recht und Völkerrecht in der aktuellen deutschen Familienrechtslage, in: FamRZ 1994, S. 273ff.; J. Wolf, Ratifizierung unter Vorbehalten: Einstieg oder Ausstieg der Bundesrepublik Deutschland aus der UN-Konvention über die Rechte des Kindes?, in: ZRP 1991, S. 374ff.
12 BGBl 1992 II S. 990
13 BGBl. 1978 S. 590
14 Hiermit sind wohl auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einbezogen worden.
15 UNDoc. CRC/C15/Add. 43
16 Europa-Archiv 1993, D 498, 513, Ziff. II B 4
 
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 4 - Oktober 1997, S. 21-24

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