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Teil 1 | Teil 2 | Teil 3 | Teil 4 |Teil 5 | Teil 6 | Teil 7
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2) Resolution 1235 3) Resolution 1503 a) Zielsetzung b) Voraussetzungen c) Ablauf d) Bewertung |
2) Arbeitsweise der thematischen Mechanismen |
2. | |
Diese Nicht-Vertrags-Verfahren haben in der Folgezeit, mit der zunehmenden Etablierung der vertraglich geregelten Überprüfungsmechanismen, in gewisser Weise an Bedeutung verloren. Allerdings besteht ihre Attraktivität für Individualbeschwerdeführer gerade darin, daß sie die Möglichkeit bieten, die Sache unter etwas erleichterten formellen Bedingungen einer Prüfung zu unterziehen. Dem steht aber der unleugbare Nachteil einer fehlenden Einzelfallprüfung gegenüber.
Die Nicht-Vertrags-Verfahren lassen sich grob in zwei Gruppen untergliedern: Einige beziehen sich auf die generelle Situation in bestimmten Ländern, andere auf Einzelfälle. Daneben gibt es Mischformen, die beide Konstellationen erfassen. Darüber hinaus beschränken sich manche dieser Verfahren nur auf bestimmte Arten von Menschenrechtsverletzungen, während andere das gesamte Feld der Menschenrechte abdecken.
Wichtig für potentielle Beschwerdeführer ist auch, daß der Weg über ein Nicht-Vertrags-Verfahren auch dann eröffnet ist, wenn der Staat, dem eine Menschenrechtsverletzung vorgeworfen wird, Partei eines internationalen Menschenrechtsvertrages mit eigenem Überwachungsmechanismus ist.
Nachfolgend werden das sogenannte 1235er Verfahren, das 1503er Verfahren sowie verschiedene thematisch ausgerichtete Mechanismen vorgestellt. Für die beiden erstgenannten Verfahren sind die Menschenrechtskommission, ihre Unterkommission sowie verschiedene Arbeitsgruppen (work-ing groups) zuständig.
3. | |
1. |
Da jedes Gremium an das jeweils übergeordnete über die Ergebnisse seiner Sitzungen berichtet, ergibt sich typischerweise der folgende Zyklus: Zunächst tagt im August die Unterkommission, dann folgt die Menschenrechtskommission im Februar und März, anschließend ECOSOC im Juli und schließlich die Generalversammlung zwischen September und Dezember.
Nachdem die Menschenrechtskommission ins Leben gerufen worden
war, erhielt sie zahlreiche Beschwerden von Individualpersonen, die auf Menschenrechtsverletzungen
aufmerksam machten. Die Kommission stellte sich jedoch auf den Standpunkt, daß
ihr keine Befugnis zu komme, sich mit ihr bekanntgewordenen Menschenrechtsverletzungen
zu beschäftigen.1
"Informationen zu prüfen, die für schwere Verletzungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten erheblich sind".
Als Beispiel für solche Fälle wurde die Apartheidpolitik benannt.
Der Handlungsspielraum des Expertengremiums Unterkommission ist jedoch beschränkt. Lediglich die Menschenrechtskommission selbst kann "eingehende Studien" über Situationen solcher Menschenrechtsverletzungen anstellen. Man sieht also, daß die Erörterung menschenrechtswidriger Lagen durch politische Gremien der Vereinten Nationen - gerade was die Auswahl des "Übeltäters" angeht - keinen festen Regeln unterliegt. Ein wesentlicher Schritt von diesem offenen politischen Verfahren hin zu einer mehr justizförmigen Überprüfung von Menschenrechtsverletzungen sollte mit dem Verfahren nach Resolution 1503 unternommen werden.
Aus den nachfolgend beschriebenen Gründen wird das Verfahren
nach der Resolution 1253 seit den achtziger Jahren wieder verstärkt betrieben.
Sein durchgängig öffentlicher Charakter erzeugt insgesamt einen stärkeren
Druck auf die Staaten. Allerdings bedeutet es in keiner Weise eine Überprüfung
von Einzelfällen.
Thematisch beziehen sich diese Mitteilungen auf schwere Menschenrechtsverletzungen
wie Folter, Verschwindenlassen, illegale Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen
oder allgemeine Ausreiseverbote. Es kommen aber durchaus auch andere Felder
in Betracht, wobei man sagen kann, daß leichtere Menschenrechtsverletzungen
um so eher zur Untersuchung angenommen werden, desto verbreiteter und systematischer
sie erfolgen.
Die Mitteilung darf nicht anonym sein; Vertraulichkeit ist möglich, kann aber erfahrungsgemäß nicht absolut gewährleistet werden.
Mitteilungen dürfen nicht bloße politische Kampfschriften sein, mit denen die Legitimität der Regierung angegriffen wird.
Es sollte vermieden werden, Massenmedien als einzige Informationsgrundlage zu verwenden. Dies liegt einerseits am amtlichen oder offiziösen Charakter der Medien in manchen Staaten, hat aber andererseits damit zu tun, daß einseitige und tendenziöse Mitteilungen geringere Aussichten darauf haben, angenommen zu werden.
Ferner muß aus der Mitteilung hervorgehen, daß von allen auf nationaler Ebene zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch gemacht wurde und sie erschöpft sind (Rechtswegerschöpfung). Gegebenenfalls muß in der Mitteilung klargestellt werden, daß und warum etwaige Abhilfemaßnahmen ineffektiv oder zu langwierig sind. Hieran werden bei starken Hinweisen auf systematische und andauernde Menschenrechtsverletzungen niedrige Anforderungen gestellt.
Außerdem sollte die Mitteilung so schnell als möglich in Genf angebracht werden. Dieses Erfordernis ist im Zusammenhang damit zu sehen, daß das Verfahren nach Resolution 1503 andauernde Menschenrechtsverletzungen beleuchten will und zu lange Zeitabstände diesen Vorwurf entkräften könnten.
Um den erforderlichen Gesamtzusammenhang herzustellen, wird empfohlen, in der Mitteilung mehrere Menschenrechtsverletzungen aufzuführen. Damit ist der einzelne Beschwerdeführer praktisch ausgeschlossen. Ihm ist daher zu raten, sich an eine NGO zu wenden, die mehrere gleichgelagerte Fälle zusammenfaßt, oder sich mit anderen Opfern zusammenzutun. Für die behaupteten Menschenrechtsverletzungen ist soweit als möglich Beweis anzutreten. Hierfür kommen schriftliche Zeugenaussagen und Dokumente in Betracht.
In der Mitteilung sind die nach der Meinung des Beschwerdeführers verletzten Rechte gemäß den Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anzugeben.
Schließlich sollte als Ziel der Mitteilung angegeben werden, daß man um Maßnahmen der Vereinten Nationen nachsucht, die den dargestellten Menschenrechtsverletzungen ein Ende bereiten.
Es empfiehlt sich im Sinne einer beschleunigten Bearbeitung,
die Mitteilung in Englisch, Französisch oder Spanisch abzufassen; sie ist
in sechsfacher Ausfertigung einzureichen. Eine fundierte Mitteilung sollte gleichwohl
nicht ungebührlich lang sein; erfahrungsgemäß sind zehn bis
zwanzig gehaltvolle Seiten ausreichend.
Nachdem die Mitteilungen beim Menschenrechtszentrum der Vereinten Nationen3 eingegangen sind, werden sie zunächst den Regierungen der betroffenen Staaten zur etwaigen Stellungnahme zugeleitet. Mitteilungen und Stellungnahmen werden in vertraulichen Listen registriert. Anschließend werden sie (gegebenenfalls gemeinsam mit der Stellungsnahme der Regierung) einer fünfköpfigen Arbeitsgruppe der Unterkommission (je ein Vertreter der fünf geographischen UN-Regionen) zugeleitet. Diese prüft in nichtöffentlicher Sitzung, ob die einzelnen Mitteilungen Hinweise darauf enthalten, daß ein Gesamtzusammenhang schwerer und zuverlässig belegter Menschenrechtsverletzungen besteht. Sind drei Mitglieder der Arbeitsgruppe dieser Ansicht, werden diese Mitteilungen der Unterkommission zugeleitet. Die Unterkommission entscheidet in ebenfalls nichtöffentlicher Sitzung darüber, welches Land aufgrund der ihr vorgelegten Mitteilungen der Kommission zur Beratung präsentiert werden soll.
Im Anschluß daran untersucht eine Arbeitsgruppe der Menschenrechtskommission diese Länderdossiers und macht der Kommission Empfehlungen, wie sie mit den dargestellten Situationen umgehen soll. Anders als die Arbeitsgruppe der Unterkommission hat diese keine Kompetenzen, um bestimmte Bereiche von der Überprüfung durch die Kommission auszunehmen.
Sobald die Kommission in ihren nichtöffentlichen Sitzungen selbst mit den Vorgängen befaßt ist, spricht man nicht mehr von Mitteilungen, sondern von den Gegebenheiten oder Situationen ("situations"). Gemäß Resolution 1503 ist die Kommission dazu berechtigt, eine eingehende Studie zu unternehmen oder einen ad hoc-Ausschuß einzuberufen. Letzteres ist bislang noch nie vorgekommen, eingehende Studien wurden in bislang zwei Fällen unternommen und eine davon - zu Äquatorial Guinea - später veröffentlicht.
Wenn sie die Situation für entsprechend ernst hält und die Gegebenheit nicht beendet, greift die Kommission zu den folgenden vier Maßnahmen:
Zum Abschluß der Sitzung teilt der Vorsitzende öffentlich die Namen der Staaten mit, aus denen Gegebenheiten erörtert wurden. Ebenso werden diejenigen genannt, deren Gegebenheiten nicht weiter beobachtet werden.
Die Kommission kann ECOSOC bitten, den Namen des Landes auch
in seinen öffentlichen Bericht aufzunehmen. Dies geschah bisher sehr selten,
beispielsweise auf Bitten einer neuen Regierung im betreffenden Land (Argentinien
nach der Ablösung der Militärdiktatur) oder um auf die völlige
Blockade eines Landes zu reagieren (Äquatorial Guinea, das jegliche Mitarbeit
verweigerte).
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2. |
Bisher wurden fünf solcher thematischer Mechanismen eingerichtet: Die Arbeitsgruppe für gewaltsames oder unfreiwilliges Verschwinden (1980), der Sonderberichterstatter für standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen (1982), der Sonderberichterstatter für Folter (1985), der Sonderberichterstatter für religiöse Intoleranz (1986) und schließlich die Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen (1991).
Ihnen ist gemeinsam, daß sie in ihren jährlichen
Berichten an die Menschenrechtskommission sämtliche Fälle und Probleme
konkret benennen. Dies erhöht natürlich den Publizitätsdruck
auf die betroffenen Staaten.
Hierzu gehört auch das Recht, Reisen in betroffene Staaten zu erbitten und entsprechende Einladungen zu akzeptieren.
Sie berichten jährlich an die Kommission sowie zusätzlich über die Eindrücke eventueller Inspektionsreisen.
Die Mandate geben den Mechanismen keine ausschließlichen Informationsquellen vor. Nachdem Informationen über Nichtregierungsorganisationen an sie gelangt sind, wenden sich die jeweiligen Gremien häufig direkt an die Betroffenen oder ihre Familien, um ergänzende Informationen zu erhalten. Erfahrungsgemäß steigert es aber die Aufmerksamkeit der Gremien, wenn ihnen die Informationen von einer bekannten und vertrauenswürdigen Nichtregierungsorganisation übermittelt wird.
Bestimmte formelle Ansprüche an die Mitteilungen werden nicht erhoben, doch empfiehlt es sich, die behauptete Menschenrechtsverletzung möglichst genau und umfassend darzustellen.
Ergänzend
ist darauf hinzuweisen, daß der Ausschuß
über den Status der Frauen (CEDAW) versucht hat, ein Verfahren parallel
zu dem nach Resolution 1503 zu etablieren, welches auf ungerechte Behandlnug
und Diskriminierung von Frauen beschränkt ist. Daneben gibt es ein Individualbeschwerdeverfahren,
in dessen Rahmen CEDAW die unterbreiteten Mitteilungen zur Kenntnis nimmt. Beide
Mechanismen haben bisher wenig Verbreitung erfahren und keine nennenswerte Bedeutung
erlangt. Dies hängt auch damit zusammen, daß CEDAW sich - aufgrund
der extrem kurzen Sitzungsperioden - nur alle zwei Jahre mit diesen Fragen befassen
kann.
1 | bestätigt durch zwei Resolutionen des ECOSOC: Res. 75 (V) von 1947 und Res. 728 (XXVIII.) von 1949 |
2 | im Original: "Consistent pattern of gross and reliably attested violations of human rights" |
3 | Adresse:
Centre for Human Rights
United Nations Office 8-14 avenue de la Paix 1211 Geneva 10, Switzerland |
4 | Vgl. zu diesem Komplex Eckart Klein (Hrsg.), Stille Diplomatie oder Publizität? Überlegungen zum effektiven Schutz der Menschenrechte, 1997, insbesondere S. 39ff. |
5 | Allerdings wirken NGOs hier als Katalysatoren, indem sie in großer Zahl Beschwerden vor die Kommission bringen und so das Anliegen der Opfer bündeln. |
6 | Arbeitsgruppe
für gewaltsames oder unfreiwilliges Verschwinden, Res. MRK 20 (XXXVI);
Sonderberichterstatter für standrechtliche oder willkürliche Hinrichtungen, Res. MRK 1982/35; Sonderberichterstatter für Folter, Res. MRK 1985/33; Sonderberichterstatter für religiöse Intoleranz, Res. MRK 1986/20; Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftungen, Res. MRK 1991/42. |
Quelle: MenschenRechtsMagazin Heft 4 -Oktober 1997, S. 6-11 |