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Open Innovation...

... ein Schlüssel für den Erfolg der Innovativen Universität Potsdam?

Dr. André Geßner, Projektmitarbeiter des Teilvorhabens Technologiecampus Golm", war Stipendiat des renommierten "Lab for Open Innovation in Science"- 2018/2019-Programms der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. In diesem Programm lernen Wissenschaftler ein Jahr lang Voraussetzungen, Prinzipien und Methoden von offener Innovation kennen und umzusetzen. Ziel ist es, Konzepte der offenen Innovation bereits im Wissenschaftsbereich einzusetzen, um den Weg von der Erfindung zur Innovation zu verkürzen.

Klingt einfach? Ist es nicht.

Wir haben mit Dr. André Geßner, angestellt am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP, gesprochen. Wir trafen Herrn Geßner, Projektmitarbeiter des Teilvorhabens TechnologieCampus Golm in seinem Büro am Fraunhofer IAP. Das Gespräch führte Julia Schmidt.

Herr Geßner, im März 2019 fand die Abschlussveranstaltung des Programms "Lab for Open Innovation in Science"- 2018/2019 statt. Mit welchen Eindrücken blicken Sie auf das vergangene Jahr als Stipendiat?

Mit sehr vielen - ich denke den wesentlichsten Eindruck haben die vielfältigen neuen Perspektiven hinterlassen, die wir in den verschiedenen Modulen vermittelt bekommen haben. Oftmals kannten wir diese Perspektive als Wissenschaftler nicht, beispielsweise bestimmte Dinge im Hinblick auf ein Business Model zu analysieren. Das war sehr spannend, da man so auch deutlich intensiver über Wechselwirkungen zwischen einzelnen Akteuren in einem Projekt oder an einem Standort nachdenkt. Ebenso war es sehr interessant, mehr über das Konzept der "Open Innovation" zu lernen, bei dem wir als Teilnehmer dann oft gemerkt haben - hey, das haben wir ja sogar schon einmal so ähnlich gemacht, dann aber eher unbewusst. Rückwirkend verstehe ich bestimmte Wechselwirkungen und Vorgänge deutlich besser und es fällt mir leichter, zu analysieren, was wir hier und da noch optimieren können. Für mich war es immer schon wichtig, dass Zusammenarbeit für alle Beteiligten einen Gewinn bringt. Das bisher Gelernte hilft mir, Prozesse, die ich vorher mehr aus einem Gefühl heraus in einer bestimmten Art und Weise gestaltet habe, bewusster zu planen und umzusetzen, insbesondere im Bereich Kommunikation und Führungsverhalten. Es hat mich auch in meiner teamorientierten Herangehensweise bestärkt, so dass ich mit den erlernten Methoden noch gezielter an meiner Entwicklung und der Entwicklung unseres Teams (A.d.R.: Herr Geßner ist verantwortlich für den Bereich der Quantenpunktentwicklung) hier am Fraunhofer IAP arbeiten kann. Ein sehr wichtiger Punkt, der uns im Programm auch immer wieder vermittelt wurde, war, dass man immer sehr genau abschätzen muss, wann Konzepte der "Open Innovation" sinnvoll eingesetzt werden können und wann nicht - "Open Innovation" wird dort nicht als "Allheilmittel" verkauft.

Was sind denn die Basics von Open Innovation?

In einem Lehrbuch würde man jetzt eine Formulierung in der Art "Öffnung des Innovationsprozesses von Organisationen" finden. Es geht im Wesentlichen darum, dass man nicht das gesamte für eine Innovation nötige Wissen selber generiert, das wäre dann "closed innovation", sondern externes Wissen in den eigenen Innovationsprozess mit einbezieht und/oder das eigene Wissen für externe Innovationsprozesse zur Verfügung stellt. Zurückzuführen ist der Begriff auf Henry Chesbrough. In der heutigen Zeit kann "Open Innovation" Firmen helfen, den kürzeren Produktlebenszyklen und dem damit verbundenen höheren Innovationsdruck gerecht zu werden.

Generell glaube ich aber, dass man hier einem gewissen Verhaltensmuster nur einen Namen gegeben hat. Meine persönlichen Basics von Open Innovation sind Offenheit, Neugier, Bescheidenheit und der Drang, Dinge als Team oder Gruppe zu erreichen. Agilität in der Führungsebene ist hier meines Erachtens auch unglaublich wichtig. Wenn ich die Grundlage für Open Innovation mit den Worten unserer Dozenten im LOIS beschreiben müsste, dann sinngemäß zitiert am ehesten so: "From 'not invented here' to 'proudly found elsewhere'." oder "No matter who you are, most of the smartest people work for someone else."

Hört sich ja immer ganz toll an: Innovation, JointLab, Denkräume öffnen… Oftmals bleiben die Konzepte allerdings schwammig. Was bedeutet Innovation in der und für die Wissenschaft?

Innovation wird als Schlagwort tatsächlich immer gerne in den Ring geworfen, ohne dass sich die Leute über die tatsächliche Bedeutung Gedanken machen. Es gibt verschiedene Arten von Innovation, zum Beispiel eine Produktinnovation, in der neue Produkte eingeführt werden, Business Model Innovation, die auf neue Wege das eigene Geschäftsmodell zu gestalten abzielt, oder auch soziale Innovation. Ein Beispiel für soziale Innovation waren die ersten Fahrgemeinschaften in den 70er Jahren während der Ölkrise - ich vermute, viele Leute, mich eingeschlossen, würden im ersten Moment nicht gerade an ein solches Beispiel denken, wenn von Innovation die Rede ist.

Behält man das im Hinterkopf, so kann man über die Bedeutung von Innovation im Bereich der Wissenschaft auch in zweierlei Hinsicht nachdenken. Zum einen ist da die Frage nach neuen Erfindungen, die dann durch Ausgründungen oder in Zusammenarbeit mit Firmen in ein innovatives Produkt überführt werden. Hier hätten wir dann eine ganz klassische Produktinnovation. Dabei ist es für Universitäten und Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer IAP (bzw. die Fraunhofer-Institute) natürlich imminent wichtig, die eigene Forschung zumindest teilweise in eine für die Menschheit praktisch nutzbare, vorteilbringende Form zu überführen. Universitäten und Forschungseinrichtungen dienen hier als Innovationsmotor.

Innovation in der Wissenschaft kann aber auch bedeuten, neue Formen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, Problem- und Lösungsfindung etc. zu entwickeln. Dies würde dann eher in Richtung soziale Innovation oder Business Model Innovation gehen. Wie und wo neue Innovationskonzepte in der Wissenschaft entwickelt und eingesetzt werden und ob sie überhaupt einen positiven Einfluss haben wird momentan u.a. von unseren LOIS-Dozenten untersucht. Ich denke, das ist auch ein Grund, warum viele der Konzepte noch sehr schwammig sind - man ist noch in der Experimentierphase und weiß einfach noch nicht genau, welcher Ansatz wie, wo und unter welchen Voraussetzungen funktioniert.

Zu guter Letzt muss man noch die Frage stellen, ob das in seiner jetzigen Form praktizierte Wissenschafts- und Fördermodell zukunftsfähig ist - ich denke Innovation in diesem Bereich würde nicht schaden. Das ist aber sicherlich eher ein extra Thema.

Und was nehmen Sie von dem LOIS-Programm in Bezug auf die Ausgestaltung des Technologiecampus und der Joint Labs mit?

Inspiration. Der Technologiecampus und die geplanten sowie bereits umgesetzten Joint Labs sind im Grunde genommen eine Testspielwiese, in der wir für den Standort neue Konzepte testen und so anpassen wollen, dass Sie funktionieren. Bei LOIS lernt man auch viele Beispiele für die mögliche Gestaltung solcher Konzepte und auch auf welche Schwierigkeiten man dort gestoßen ist. Das alles hilft bei der Ideenfindung sowie Planung und Umsetzung unserer Konzepte.

Worin besteht aus Ihrer Sicht die Schwierigkeit bei Innovationen in wissenschaftlichen Bereichen (nicht in Arbeitsformen, wie Sie angesprochen haben)? Welche Probleme ergeben sich?

Als Wissenschaftler ist man von seinen Ideen natürlich oft begeistert, es fehlt aber häufig am direkten Bezug zu realen praktischen Problemen, und damit an der Umsetzbarkeit. In der Fraunhofer-Gesellschaft findet man viele tolle Ideen und Entwicklungen, um bestehende industrielle Prozesse, z.B. additive Manufacturing, deutlich zu verbessern. Kontaktiert man dann die Firmen mit seinen Ideen, stellt man oft fest, dass die Industrie an viel kleineren Fortschritten arbeitet, damit diese Prozesse, die man gerne mit sehr innovativen Ideen verbessern möchte überhaupt grundlegend rentabel zu machen. Die aktuellen Fragestellungen sind dann oft völlig andere. Hier ist dann zwar eine innovative Erfindung vorhanden, aber der Weg bis zu einer Produktinnovation ist noch weit, da der Bedarf einfach noch nicht vorhanden ist. Oft werden Innovationen aber auch "erzwungen", weil sich beispielsweise Regularien ändern. Wenn also das chemische Element Cadmium (A.d.R.: Gefahrstoff; giftig und krebserregend) in der Herstellung von Displays verboten wird (A.d.R: Ab 2020 laut EU-Richtlinie), zum Beispiel, dann muss die Forschung einen Weg finden, ohne Cadmium zu arbeiten, die Leistung der Displays aber nicht zu verschlechtern. Wir Wissenschaftler dürfen nicht ausschließlich zum Selbstzweck forschen, sondern sollten an der Kommunikation mit den Unternehmen arbeiten, um aktuelle Fragestellungen in unsere Forschungsarbeit mit einfließen zu lassen. Aber auch die komplett unabhängige Grundlagenforschung darf nicht vernachlässigt werden. Hier gilt es zwischen Universitäten und Forschungseinrichtungen eine gesunde Balance zu finden.

Wie kann der Technologiecampus, wie können Joint Labs da helfen?

Wir schaffen in unseren Joint Labs Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Industrie und somit direkte Synergien. Anstatt erst zusammen zu kommen, wenn eine Idee oder eine Innovation schon gereift ist, entwickeln wir gemeinsam neue Konzepte oder Formate oder, oder, oder. Es ist schwierig, bei Innovationen im Vorfeld alle Möglichkeiten zu nennen, denn es macht ja Innovation aus, dass ich die Lösung vorher noch gar nicht kenne. In den Joint Labs können wir mit Partnern aus der Industrie gemeinsam tüfteln und eine Idee im permanenten Austausch so optimieren, dass sie direkt in die Praxis umzusetzen ist. Das betrifft sowohl die fachlichen Fragestellungen als auch die Formen der Zusammenarbeit, auch hier besteht Bedarf für Innovation für Konzepte jenseits der klassischen Kooperationsprojekte

Also wie ein Brutkasten für Neues?

Ja, so könnte man das formulieren. Die Entwicklung geht schneller und das Ergebnis ist, das ist unser Ziel, besser und industriell und/oder gesellschaftlich relevanter als ohne Brutkasten.

Herr Geßner, vielen Dank für das Gespräch.