Lehren und Lernen Hand in Hand
Offener Brief der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam zur Verbeamtung von Lehrkräften mit Bachelorabschluss im Land Brandenburg
Um dem dramatischen Lehrkräftemangel zu begegnen, können im Land Brandenburg entgegen den Empfehlungen der KMK zukünftig Lehrkräfte mit einem Bachelorabschluss verbeamtet und im Unterricht eingesetzt werden. Wir lehnen diese Reform aus drei zentralen Gründen ab und schlagen Alternativen vor:
1. Die Reform entwertet das lehramtsbezogene Masterstudium.
Die Reform richtet sich ausdrücklich auch an Absolvent:innen eines lehramtsbezogenen Bachelorstudiums. Es ist daher zu befürchten, dass Bachelor-Absolvent:innen ihr Lehramtsstudium im Master nicht fortführen, sondern sich direkt für das Bildungsamt weiterqualifizieren. Dies mag kurzfristig für Entlastung sorgen, führt aber langfristig nicht zu mehr, sondern zu weniger regulär für den Schuldienst ausgebildeten Lehrkräften. Wichtige Bestandteile des Master-Studiums wie das Praxissemester oder die Sprach- und Medienbildung werden von Bachelor-Absolvent:innen nicht mehr durchlaufen.
2. Fehlende Kompetenzen der Bachelor-Lehrkräfte führen zu Qualitätsverlusten.
Damit einher geht ein Qualitätsverlust der Fachkompetenz. Jedes Lehramtsstudium an der Universität Potsdam ist an den Anforderungen der KMK ausgerichtet, die die Standards der Lehrkräftebildung in Deutschland darstellen. Die geringere Qualifizierung, die Bachelor-Lehrkräfte neben ihrer Unterrichtstätigkeit erhalten sollen, unterläuft diese Standards, denn ihr Umfang entspricht lediglich einem Drittel eines Masterstudiums. Der geringe Umfang ist dabei nicht durch ein möglicherweise reduziertes Aufgabenspektrum zu rechtfertigen, denn Bachelor-Absolvent:innen werden zwar als „Personen im Bildungsamt“ bezeichnet – sie tun aber zukünftig dasselbe wie Lehrkräfte: sie unterrichten. Das Absenken der Ausbildungszeit steht im Gegensatz zu den stetig steigenden Anforderungen an Lehrkräfte. Aufgrund der dramatisch verkürzten Ausbildungszeit der Bachelor-Lehrkräfte ist daher ein Qualitätsverlust des Unterrichts zu Lasten der Kinder und Jugendlichen zu befürchten. Ebenso sind Überlastungen und Frustrationen bei den Bachelor-Lehrkräften erwartbar, wenn sie im Zuge ihrer eingeschränkten Ausbildung durch die anspruchsvolle Unterrichtsrealität überfordert werden.
3. Die Reform drängt insbesondere Studierende mit besonders schmalem Geldbeutel früher in den Beruf und beschränkt sie in ihren Entwicklungsmöglichkeiten.
Der schnellere Weg in die Verbeamtung wird insbesondere für jene Lehramtsstudierende attraktiv sein, die finanziell auf sich allein gestellt sind und frühzeitig auf ein stetiges Einkommen angewiesen sind. Die frühe Verbeamtung bereits nach dem Bachelor-Abschluss führt jedoch nur kurzfristig zu finanziellen Vorteilen, denn bereits mittelfristig beschränkt die Reform die Möglichkeit der räumlichen Mobilität und des finanziellen Aufstiegs, gerade weil in keinem anderen Bundesland derartige Abschlüsse anerkannt sind.
Der Lehrkräftemangel erfordert Sofortmaßnahmen zur Sicherung des Unterrichts. Die Dramatik der Lage ist uns allen bewusst. Zugleich ist aber weder den Kindern und Jugendlichen noch den Kollegien an Brandenburger Schulen geholfen, wenn Klassen von unzureichend ausgebildeten Personen unterrichtet werden. Gerade die Ergebnisse des Bildungstrends bundesweit aber auch speziell für Brandenburg zeigen deutlich auf, dass eine Versorgung mit qualitativ hochwertigen Unterricht, der Schüler:innen individuell unterstützt und fördert, dringend notwendig ist.
Wir weisen daher mit Nachdruck auf die Alternativen zur Verbeamtung von Bachelor-Absolvent:innen hin. Hierzu zählen z.B. die wissenschaftsbasierte Nachqualifizierung von Lehrkräften für weitere Lehrämter oder für Mangelfächer, die adäquate Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen, die Versetzung von verbeamteten Lehrkräften an Schulen mit hohem Personalbedarf, die zeitweise Einsetzung von pensionierten Lehrkräften oder Maßnahmen zur Reduzierung von Teilzeitbeschäftigung. Schließlich müssen Lehrkräfte von nicht-unterrichtsbezogenen Aufgaben durch die Einstellung von Personal aus den Bereichen Verwaltung, Technik-Support, Sozialarbeit und Schulpsychologie entlastet werden.
Eine besonders kurzfristig umsetzbare Maßnahme stellt die Schaffung von Unterstützungsstrukturen dar. Lehrkräfte können durch diese Maßnahme durch Lehramtsstudierende spürbar entlastet werden und sehen sich idealerweise häufiger in der Lage, in Vollzeit zu arbeiten. Wir greifen dabei die jüngst veröffentlichten Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK auf und sprechen uns dafür aus, dass (a) Lehramtsstudierende als Unterstützer:innen eingesetzt werden, die sich bereits im Masterstudium befinden, (b) der Einsatz auf zehn Unterrichtsstunden pro Woche begrenzt sein soll und (c) eine verlässliche Zuordnung der Lehramtsstudierenden, die Unterricht erteilen, zu einer erfahrenen Lehrkraft erfolgt. Zudem können Studierende als Korrekturhilfen geschult werden und anschließend entsprechende Beurteilungsaufgaben übernehmen.
Bislang standen Studierende vor dem Dilemma: eher Lehrveranstaltungen des Studiums besuchen oder eher in Schulen arbeiten? Beides lässt sich zeitgleich bislang nicht vereinbaren. Angesichts des dramatischen Lehrkräftemangels wollen wir uns aktiv daran beteiligen, dass unsere Lehramtsstudierenden sowohl studieren als auch in Schulen unterstützen können. Lehren und Lernen Hand in Hand. Dafür ändern wir unsere Lehrangebote an Vorlesungen, Seminaren und Übungen derart, dass sie sowohl von Studierenden, die überwiegend vormittags studieren, als auch von jenen Studierenden, die vormittags in Schulen unterstützend tätig sein wollen und daher eher zu Randzeiten studieren wollen, besucht werden können. Dies stellt einen ersten wichtigen Schritt hin zu einem dualen Studium in der Masterphase dar. Wir wollen ihn gemeinsam mit den Lehramtsstudierenden der Universität Potsdam gehen.
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Erstunterzeichnende Professor:innen der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam
Prof. Dr. Nadine Spörer, Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach, Prof. Dr. Rebecca Lazarides, Prof. Dr. Sebastian Kempert, Prof. Dr. Ana Kuzle, Prof. Dr. Katharina Scheiter, Prof. Dr. Dirk Richter, Prof. Dr. Jürgen Wilbert, Prof. Dr. Ulrich Schiefele, Prof. Dr. Martin Brunner, Prof. Dr. Isolde Malmberg, Prof. Dr. Isabell Wartenburger, Prof. Dr. Werner Beidinger, Jun.-Prof. Dr. Esther Pürgstaller, Prof. Dr. Oliver Wendt, Jun.-Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan, Prof. Dr. Doris Fay, Vertretungsprofessorin Dr. Anna Aleksandra Wojciechowicz, Prof. Dr. Hanna Dumont, Prof. Dr. Birgit Elsner, Prof. Dr. Miriam Vock, Vertretungsprofessorin Dr. Laura Schaefer
Weitere Unterstützer:innen innerhalb und außerhalb der Universität Potsdam
Prof. Dr. Satyam Antoino Schramm, Prof. Dr. Hans-Georg Wolf, Prof. Dr. Monika Fenn, Prof. Dr. Linda Juang, Forian Sievert, Dr. des. Jessica Maier, Lorena Menze, Tina Kowalzik, Prof. Dr. Ralf Brand, Prof. Dr. Harald Clahsen, Ioannis Illiopoulos, Maximilian Krupop, Prof. Dr. Christian Thorau, Prof. Dr. Malte Zimmermann, Simon Ohl, Dr. Katharina Schnitzler, Thora Schwarze, Caroline Hein, Johanna Hildebrandt, Dr. Mirko Degener, Florian Amon, Prof. Dr. Vera Kirchner, Nikita Solodilow, Stefanie Bosse, Sinika Timme, Constantin Späth, Birgit Herke, Djune Wiechers, Prof. Dr. Andreas Brenne, Susanne Gnädig, Jun.-Prof. Dr. Isabelle Penning, Dorothee Bach, Bernadette Hoving, Prof. Dr. Oliver Dickhäuser, Elisabeth Laube, Prof. Dr. Julia Fleischer, Dr. Isabell Hußner, Anja Henke, Maria Makuschkin, Dr. Mareike Trauernicht, Josephine Gehrke, Jens Knitel, Klara Kager, Dr. Jörg Link, Sandra Klaubert, Ina Tausche, Mario Reindl, Prof. Dr. Britta Freitag-Hild, Prof. Dr. Julia Brennecke, Prof. Dr. Ulfert Gronewold, Michael Hess, Dr. Jana Buschmann, Eve Gubler, Robert Wagner, Eric Krüger, Sarah Bormann, Dr. Rebecca Schumacher, Ewa Sliwinski, Natalia Robak, Robert Reggentin, Dr. Anja Rettig, Prof. Dr. Katrin Böhme, Prof. Dr. Antje Ehlert, Dr. Nadine Poltz, Luisa Wagner, Nicole Reinsdorf, Manuela Stübner, Elodie Dammann, Sharleen Pevec, Tuğçe Aral, Karla Morales, Prof. Dr. Jürgen Wilbert, Linda Kuhr, Lydia Küttner, Dr. Pawel Kulawiak, Marie-Luise Gehrmann, Eveline Pinstock, Anne Menke, Anna Haupenthal, Steffi Schuldt, Dr. Cornelia Gresch, Dr. Aleksander Kocaj, Dr. Steve Entrich, Dr. Peter Kossack, Dr. Karoline Lohse, Prof. Dr. Urška Grum, Prof. Dr. Melanie Uth, Prof. Dr. Martin Leubner, Prof. Dr. Marcia Schenck, Prof. Dr. Christine Kleinjung, Dr. Marta Lupica Spagnolo, Prof. Dr. Logi Gunnarsson, Dr. Hans-Michael Haußig, Dr. Brigitte Obermayr, Prof. Dr. Christoph Schroeder, Prof. Dr.Dominik Geppert, Dr. Astrid Seidel, Dr. Sabine Rutar, Prof. Dr. Martin Pfeiffer, Prof. Dr. Katharina Philipowski, Dr. Vinzenz Czech, apl. Prof. Dr. Ilse Wischer, Prof. Dr. Matthias Asche, Stefan Barucha, Prof. Dr. Nanna Fuhrhop, Dr. Anke Bartels, Anja Weise, Prof. Dr. Kathleen Plötner, Prof. Dr. Winnie-Karen Giera, Prof. Dr. Frank Bösch, Dr. Robert Charlier, Prof. Dr. Annette Gerstenberg, Prof. Dr. Thomas Brechenmacher, Prof. Dr. Stefanie Stockhorst, Tim Bräsel, Prof. Dr. Hermann Wentker, Prof. Dr. Filippo Carlà-Uhink, Prof. Dr. Ulrike Demske, Dr. Petra Lenz, Dr. Claudia Lehmann, Alisa Egorova, FSR Primarstufe, FSR Kunst und Kunstpädagogik, Ephraim Desisa, Susanna Lörken, Vertretungsprofessor Dr. Eric Richter, Tim Linka, Laura Scholübbers, Prof. Dr. Ralf Tiedemann, Dr. David James Prickett, Dr. Anna Bittmann, apl. Prof. Dr. Frank Göse, Prof. Dr. Monika Wienfort, Denisa Latić, Irene Gastón-Sierra, Prof. Dr. Matthias Granzow-Emden, Dr. Manuela Franke, Dr. Sara Chiarini, Dr. Charlotte Husemann, Anne Neumann, Prof. Dr. Jana Roos, Marit Aldrup, Dr. Andrea Kinsky-Ehritt, Apl. Prof. Dr. Andreas Degen, Prof. Dr. Johannes Haag, Dvorah Themal, Constanze Lechler, Pia Schüler, Dr. Irene Heidt, Nathalie Bayer, Annett Kurth, Ulrike Wartner, Sörine Selle, Dr. Gunnar Steidel, Carsten Schlottke, Stefanie Petersson, Beatrice Hollander, Florian Schöning, Thea Pecker, Frank Siegmeier, Christina Haase, Reinhard Höhlig, Harald Hoffmann, Karin Wittram, Franziska Dietrich, Peggy Müller, Eric Liebe, Jenny Krause, Lisa Sauerbrei, Frank Gerstner, Karen Gerstner, Kathrin Fischer, Dörthe Krenz, Brigitte Fischer, Birgit Lötzsch, Kristin Hofer, Victoria Blomqvist, Jana Bendig, Stephanie Rüger, Susan Reichelt, Harald Bartke, Phillip Feneberg, Prof. Dr. Guido Nottbusch, Jessica Vogler, Dr. Anja Hildenbrand, Andreas Bandow, Kristin Trapp, Frank Trapp, Jörg Seidler, Marei Seidler, Nico Christian Partsch, Dr. Karin Hassenberg, Franziska Knabe, Andreas Kärcher, Jasmin Heinz , Christian Wiegand, Julia Winklewski, Susann Weber, Christine Prehler, Martina Harbauer, Dr. Berno Bahro, Anja Gutezeit, Katharina Wilke, Sven Bauer, Dr. René Kittel