Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Die Informationen über das Erasmus+ Programm habe ich in meinem Einführungssemester von der Präsentation Frau Kettmans mitgeteilt bekommen. Als es dann Zeit wurde mich konkreter zu informieren, habe ich das, ganz oldschool, im Büro bei Frau Schmidt getan. Zwischendurch gab es dann noch den International Day, der jede Menge Infos bezüglich des Studiums in Frankreich geboten hatte. Ich würde allen prospektiven Erasmussstudent*innen hierzu raten. Die Bewerbungsunterlagen sind durch das Erasmusprogramm ja schon sehr standardisiert, was es einfacher macht einen Überblick zu behalten. So ein Papierkramszenario, wie in dem Film „L’auberge Espagnole“, ist es dann zum Glück nicht. Jedoch wurde von mir vom Buro Relations Internationale (BRI) der Faculté de Droit eine E-mail geschickt (diese kam im Vergleich zu allen anderen Universitäten sehr spät, also bitte in keine Panik verfallen wie ich das gemacht habe) mit Einladung, mich in das Uni Online-Portal einzuschreiben, das elektronische Formular auszufüllen und die nötigen Dokumente hochzuladen. Dazu gehörten mein Ausweis, Krankenkassenkarte, Abiturdiplom, Leistungsübersicht (auf Englisch) und Sprachzertifikat. Auch ein Dokument zur Bewerbung für einen Wohnheimsplatz wurde uns bereitgestellt. Ich rate allen Studenten*innen, die nach Montpellier gehen wollen, sich hierfür so früh wie möglich zu bewerben. VOR eurer Abreise solltet ihr jedoch daran denken, dass ihr in Frankreich noch andere wichtige Dokumente vorzeigen müsst, wenn es um administrative Vorgänge gilt (und davon gibt es viele in Frankreich). Zum einen solltet ihr eure Internationale Geburtsurkunde beantragen, damit ihr diese bereits habt, wenn ich in Frankreich seid. Diese wird nämlich zur Beantragung des CAF (französisches Wohngeld) gebraucht und gegebenenfalls auch für die Eröffnung eines Bankkontos, das Ihr braucht, falls ihr das CAF beantragen wollt (wozu ich JEDEM rate). Sowohl eine assurance responsibilité civile für euer Wohnheim sowie eine assurance étudiante für die Uni sind Pflicht und so früh wie möglich nach Ankunft einzureichen. Wenn Ihr über eure Eltern Haftpflichtversichert seid, oder selber in Deutschland eine Haftpflichtversicherung habt, könnt ihr diese Fragen, ob sie euch eine Bescheinigung in FRANZÖSISCH hierfür ausstellen. Die Sprache der Administration in Frankreich ist Französisch, es werden in allen öffentlichen Institutionen keine Bescheinigungen, Zertifikate etc. auf irgendeiner anderen Sprache angenommen (nein, auch auf Englisch nicht, nein auch nicht an der Uni).
Studium an der Gastuniversität
Ich hatte vorher schon gehört, dass die Uni in Frankreich viel verschulter ist als in Deutschland. Das hat sich bewahrheitet. Als Erasmusstudierende durften wir nur an den Vorlesungen, den cours magistraux, teilnehmen, was das Leben erleichtert hat, denn der Arbeitsaufwand für die Seminare, den travaux dirigés, ist erheblich mehr und ein Studium in einer Drittsprache ist nicht zu unterschätzen. Bei den Vorlesungen läuft es in Frankreich so, dass jeder seinen Laptop mitbringt und von Anfang bis Ende alles mitschreibt, was die Professoren sagen. Mein Tipp: fragt eure französischen Kommilitonen nach deren Notizen, falls ihr sprachlich nicht mitkommt. Die meisten haben hierfür totales Verständnis und teilen diese gern. Auch für Verständnisfragen am Ende der Lehrveranstaltung waren meine Professoren immer sehr hilfreich. Falls ihr etwas nicht versteht, fragt gleich nach, nicht erst am Ende des Semesters, denn da werdet ihr von der Fülle an Informationen viel zu überfordert sein. Dies macht auch für die spätere Klausurenphase zusätzlichen Eindruck, da ihr von der gleichen Professor*in geprüft werdet und diese somit euer Gesicht schon kennt und weiß, dass ihr die Lehrveranstaltung kontinuierlich besucht habt. Einer meiner Professoren*innen hatte mir gleich am Anfang schon gesagt, dass es jedes Semester sogenannte „Geisterstudenten“ gibt, die nur mal für die Klausur am Ende erscheinen. Da ihr euch am Ende eurer Lehrveranstaltungen in der ersten Woche sowieso bei den Professoren vorstellen müsst, seid euch bitte bewusst, dass euer Fehlen auffällt.
Bei der Kursauswahl würde ich darauf achten, am Anfang des Semesters überall in die Vorlesungen zu gehen um zu sehen, wie gut Ihr die Professoren versteht und ob der Kurs euch auch wirklich interessiert. Am Ende des Semesters habt ihr für eine Vorlesung locker 30 Seiten Notizen auswendig zu lernen, da solltet ihr schon im Thema drin sein, dass macht das sprachliche Unterfangen auch viel leichter. Nutzt euer Learning Agreement During Mobility! Ich hatte am Ende 3 andere Lehrveranstaltungen belegt als ich ursprünglich auf meinem Learning Agreement Before Mobility angegeben hatte. Das ist einer der besten Sachen am Erasmusprogramm: ihr seid sehr flexibel. Mein Tipp wäre außerdem bei den 5 Kursen für das Erreichen der 30 ECTS zu bleiben und nicht mehr zu machen. Ihr solltet den Arbeitsaufwand nicht unterschätzen und genug Zeit haben für alle eure Kurse regelmäßig, unter dem Semester, zu lernen. Das Semester ist wirklich sehr kurz und die Zeit vergeht wie im Flug. Ein paar Tage in der Woche nach den Lehrveranstaltungen in den Lesesaal zu gehen lässt euch immer noch genug Zeit am Wochenende eure Freizeit zu genießen.
Als Erasmusstudenten werdet ihr anders behandelt als der Rest der französischen Studenten. Die Prüfungen am Ende des Semesters sind mündlich, anders als bei den französischen Kommilitonen, und somit ist es leichter eine gute Note zu bekommen. Die mündlichen Prüfungen laufen so ab, dass euch ein Thema vom Professor gegeben wird, für die ihr dann 10-15 Minuten Vorbereitungszeit habt. Ihr redet dann ungefähr 10 Minuten über dieses Thema und im Anschluss werden euch noch mal 10 Minuten Fragen diesbezüglich gestellt. Diese Zeiten können je nach der Professor*in kürzer ausfallen. Es wird am Prüfungstag von euch erwartet, dass ihr etwas zu jedem Thema sagen könnt. Ein „Ich habe für diese Prüfung gar nicht gelernt, weil ich vor lauter anderen Kursen keine Zeit hatte und kann dazu nichts sagen, tut mir leid“ wird am Prüfungstag als respektlos den Professoren gegenüber gewertet. Ihr werdet anschließend vom Erasmusbüro vorgeladen, die euch einiges hierzu zu sagen haben (wahre Geschichte einer Kommilitonin, die genau dieses Problem hatte). Alle Professor*innen, die ich hatte, waren bei den Prüfungen extrem verständnisvoll was mein Französischniveau an ging. Also keine Angst vor der Klausurenphase! Es ist machbar.
Das Erasmusbüro hier war immer sehr hilfreich und hat sich bei Problemen oder Fragen gleich zurückgemeldet. Was gleich in der Willkommensveranstaltung ausdrücklich gesagt wird: an der Uni wird ausschließlich französisch gesprochen. Dies ist auch für das Erasmusbüro der Fall. Die technische Ausstattung meiner Fakultät viel leider sehr mager aus. Außer einen Lesesaal gab es weder eine Mensa noch eine Bibliothek auf dem Campus. Der Lesesaal ist zwar mit Computern ausgestattet, jedoch gibt es keine Möglichkeit etwas zu drucken. Hierfür muss man dann in einen nah gelegenen Copyshop gehen und vergleichsweise viel zahlen. Ich würde jedem empfehlen, gleich am Anfang eine Abonnementkarte zu kaufen. Gerade am Anfang müsst ihr noch viele administrative Sachen erledigen, ihr werdet öfters dort sein. Eine Cafeteria gibt es zwar, diese ist jedoch sehr klein und hat eine kleine Auswahl an Snacks und Getränken. Es lohnt sich also sein eigenes Mittagessen mitzunehmen.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Von meinem 5 Kursen waren 3 davon Master 1 Kurse, was hieß, dass ich vielen neuen französichen Studenten begegnet bin, die am Anfang des Semesters Kennenlerntreffen organisiert hatten. So konnte ich engere Kontakte zu französischen Kommilitonen aufbauen, was ziemlich rar ist. Als Erasmustudent*in ist man nämlich leider wirklich oftmals in der Erasmusblase gefangen. Meine anderen zwei Kurse waren in der Licence 1 und Licence 2, also die ersten beiden Studienjahre des Bachelors. Da die Ersties in Frankreich noch sehr jung sind, um den Dreh 18 Jahre, und die Studenten sich im zweiten Studienjahr schon alle kennen, konnte ich zu diesen Gruppen keinen Kontakt knüpfen. Das System der Uni funktioniert so, dass die Studenten von Anfang bis Ende ihres Studiums ihre Zeit in den gleichen Kursen besuchen, wie alle anderen Studenten ihres Jahrganges, genannt promo. Anders als in Deutschland ist das Studium hier strikt organisiert und die Freiheit die Kurse zu belegen die man will, über verschiedene Semester verteilt, gibt es hier so nicht.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Sprachkompetenz hat sich enorm verbessert. Wo ich am Anfang des Semesters noch ratlos im Erasmusbüro saß und mich die Koordinatorin mit Stirnrunzeln ansah, hatte ich bei meinem allerletzten Besuch im Dezember keine Probleme mehr mich verständlich auszudrücken. Nicht nur werdet ihr durch eure Revisionen der Vorlesungsnotizen viele Vokabeln lernen, im Laufe eures Aufenthalts werdet ihr, wie ein Schwamm, vieles „aufsaugen“, das in eurem Gehirn stecken bleibt. Aber: Sprachen lernt man nicht durch Osmose. Man sollte sich aktiv die Mühe machen, in Gespräche mit Kommilitonen*innen zu kommen und sich aus seiner Komfortszone begeben. Auch den Sprachkurs der Uni, der einmal in der Woche am Abend stattfindet, kann ich empfehlen. Mein Motto war: je mehr Französisch um mich rum, desto besser. Auch wenn neben dem Studium nicht viel Zeit bleibt nicht-studienrelevante Bücher zu lesen: Die Médiathèque Emile Zola ist ein toller Ort, um sich mal einen Sonntagvormittag hinzusetzen und zu schmökern.
Bitte seid euch im Klaren, dass ein gutes Französischniveau vorausgesetzt wird, um an der faculté de droit erfolgreich zu studieren. Ihr solltet auf jeden Fall auf einem höheren B1 Level des europäischen Referenzrahmens sein, wenn das Studium anfängt. Euer tägliches Leben werdet ihr in dieser Sprache führen müssen. Ich habe für 6 Wochen vor Semesterstart in Montpellier einen Sprachkurs gemacht und kann dies jedem empfehlen.
Wohn- und Lebenssituation
Ich hatte das große Glück einen Wohnheimsplatz, genannt CROUS, zu ergattern. Hierzu solltet ihr euch, direkt nachdem euch das Erasmusbüro der Gastuni das Formular schickt, bewerben. Der Wohnungsmarkt in Montpellier ist, vor allem zum Semesterstart, hart umworben. Um eure Unterkunft solltet ihr euch so früh wie möglich bemühen. Die Preise können teilweise so hoch sein wie in Berlin, deswegen...der frühe Vogel fängt den Wurm. Falls Ihr euch den Adrenalinkick antun wollt und auf dem privaten Wohnungsmarkt eine Unterkunft suchen wollt, sind Websites wie Leboncoin.fr, selouer.fr, roomlala.fr, IBuddy.fr und diverse Facebook Gruppen wir Étudiants de Montpellier, immer gute Optionen.
Bezüglich meines Wohnheims Voie Domitienne: Die Zimmer sind 10m2 klein, das Badezimmer inklusive Dusche, Toilette und Waschbecken befindet sich im Zimmer. Jede Etage hat eine Gemeinschaftsküche, die aus zwei Spülbecken und zwei Herdplatten besteht. Meine Miete Betrag monatlich 247 Euro; inklusive Strom, Internet, Wasser, Heizung. Aber aufgepasst, die Administration im Wohnheim möchte, dass du den vollen Betrag schon ganz am Anfang deines Aufenthalts zahlst. Wenn alles gut klappt kriegt man das CAF (eine Rückerstattung von einem Teil der Miete) am Ende des Semesters. Zu der administrativen Organisation in CROUS ist nur zu sagen: Zähne zusammenbeißen und durch...und google translate bei sich zu haben ist auch immer gut.
Bezüglich der öffentlichen Verkehrsmittel: Die Monatsakarte für Bus und Tram kosten im Monat 28 Euro. Ich habe die Tram gerne genutzt, obwohl es nur 4 Linien gibt. Die Trams und Busse bringen einem außerhalb der centre-ville gut überall hin. Innerhalb der Altstadt läuft man und ist innerhalb von wenigen Minuten an seinem Ziel angekommen. Eine schöne Abwechslung für eine Berlinerin wie mich.
Ein Bankkonto zu eröffnen ist relativ simpel, hängt jedoch auch von der jeweiligen Bank ab. Ich habe von vielen Leuten gehört das Crédit Agricole die beste Bank sein soll. Da ich jedoch in der Nähe einer Filiale der BNP Paribas gewohnt habe, habe ich hier auch ein Konto eröffnet. Mitzubringen waren: Studienbescheinigung der Uni Montpellier, Ausweis und Mietvertrag. Das letztere kriegt ihr von eurem Wohnheim ausgehändigt. Administrative Prozesse in Frankreich können sich hinziehen. Ich würde dazu raten, sobald ihr eure Unterlagen zusammen habt, zur Bank zu gehen und einen Termin für die Kontoeröffnung zu vereinbaren. Ihr kriegt die Karte schnellstens in 2 Wochen. Dies wirkt sich auch auf die Beantragung des CAFs aus, für diese ihr das französische Bankkonto benötigt. Auch hier gilt: je früher ihr das Wohngeld beantragt, desto schneller habt ihr euer Geld, und desto mehr Geld habt ihr am Ende auf dem Konto.
Bezüglich Krankenkasse müsst ihr euch als EU-Bürger*innen nicht zu viele Sorgen machen. Wenn ihr zum Arzt geht, müsst ihr 25€ zahlen, plus die verschriebenen Medikamente in der Apotheke. Um einen Teil dieser Kosten zurückerstatten zu können, schickt ihr einfach die Krankschreibung an eure Krankenkasse nach Deutschland. Dies geht bei der TK ganz einfach mit Scan über die Website. Zusätzlich zu meiner deutschen/europäischen Krankenkassenkarte, musste ich eine assurance etudiante für ungefähr 20€ kaufen. Diese gilt 1 Jahr.
Lebensmittel sind in Frankreich teurer. Stellt euch darauf ein, bei einem Einkauf bei Carrefour oder Monoprix hier mehr Geld auszugeben als ihr das bei Edeka in Deutschland tut.
Sonstige Hinweise
Die einzige, weniger gute Erfahrung habe ich als Frau in Montpellier machen müssen: In manchen Bezirken Montpelliers kann das, eigentlich simple, Langgehen auf dem Bürgersteig manchmal einem Spießrutenlauf ähneln. Das Hinterherrufen ist hier leider üblicher und Männer sind öfter aggressiver in Ihrem Benehmen gegenüber Frauen. Ich habe dies mit Frauen aus anderen Teilen der Welt schon diskutiert, die leider alle dieselben Erfahrungen hatten. Im Centre-Ville und Saint-Eloi, meinem Wohnheimsviertel, hatte ich jedoch weitgehend keine Probleme.
Studienfach: Politik, Verwaltung und Organisation
Aufenthaltsdauer: 09/2019-12/2019
Gastuniversität: Université de Montpellier I
Gastland: Frankreich
Schlusswort
Genießt die Zeit, denn das Semester ist im Handumdrehen schon wieder vorbei!