Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Da ich bereits ein Erasmussemester absolviert hatte, gestaltete sich die Vorbereitung auf den kommenden Auslandsaufenthalt relativ unkompliziert. Die Informationsveranstaltungen informieren ausreichend und rechtzeitig. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass bei Schwierigkeiten im Bewerbungsprozess die UP jederzeit ansprechbar für mich war. Als Student von „Politik und Wirtschaft“ wollte ich Module sowohl von der sozialwissenschaftlichen als auch von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät belegen. Da diese beiden jedoch unterschiedliche Vorgehensweisen hatten, nahm dies viel Zeit in Anspruch, dass Learning Agreement zu erstellen. Bei der WiWi-Seite muss man sich einen Professor suchen, der einem die gewünschten Module bestätigt. Im Vorfeld des Semesters gestaltet sich dies schwierig, weil man selbst nur limitierte Informationen hat, was der genaue Inhalt des Moduls ist. Das bei der UP innerhalb einer Fakultät zwei Vorgehensweisen angewandt werden, halte ich für fragwürdig. Nach der Zusage durch die UP startete schon recht bald die Bewerbungsphase für Bordeaux. Der Bewerbungsprozess an der Science Po ist eher kompliziert. Alle Dokumente und die einzelnen Bewerbungsschritte waren auf Französisch. Nachdem ich online die Dokumente ausgefüllt hatte, musste ich es ausdrucken und an bis zu einer gewissen Frist nach Bordeaux schicken, ohne dass sie mir den Erhalt bestätigt haben. Die Ansprechpartner an der Science Po waren äußerst hilfreich und haben mich nach meinem Empfinden ausreichend rechtzeitig über Kurse und die Planung der ersten Woche informiert.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium in Frankreich ist sehr anders. Zum einen sind die französischen Studenten im Durchschnitt relativ jung, weil sie in der Regel direkt nach dem französischen Abitur anfangen zu studieren. Weiterhin ist das Studium in Frankreich sehr verschult aufgebaut und strikt geführt: Die Anwesenheit wird kontrolliert, die Studenten bekommen einen Stundenplan vorgegeben, der den ganzen Tag ausfüllt, und der Unterrichtsstil bestehen darin, dass der Professor zu einem Thema monologisiert und die Studenten alles wortwörtlich mitschreiben. Ich persönlich hatte meine Schwierigkeiten damit, da ich dieses System weder von der UP gewohnt war, noch die Vorteilhaftigkeit sehe. Nichtsdestotrotz lernt man viel und setzt sich intensiv mit der Sprache auseinander.Für die Dauer des Semesters habe ich an einem Programm teilgenommen, dass die Science Po anbietet. Es nennt sich Attestation Etudes Politiques (AEP). Dort hat man drei Kurse à vier ECTS, die sich intensiv mit der französischen Kultur und Sprache auseinandersetzen. Um das AEP-Zertifikat am Ende zu erhalten, benötigt man 18 weitere ECTS, die nur mit französisch-sprachigen Kursen gefüllt werden dürfen. Die drei Kurse sind (etwas) interaktiver gestaltet und legen Wert auf das studentische Engagement, was mich entfernt an ein normales Seminar an der UP erinnert hat. Wenn man es darauf anlegt, seine Sprachkenntnisse zu entwickeln, ist das, denke ich, eine geeignete Möglichkeit. Ein Vorteil besteht auch darin, dass man in den drei Kursen keine Abschlussklausur schreiben muss, sondern Abgaben und Präsentationen während des Semesters erledigt. Das erspart einem den Stress, am Ende des Semester sieben bis acht Klausuren innerhalb einer Woche zu schreiben. Wer nach Science Po geht, sollte wissen, dass es sich um eine Uni der „grands ecoles“ handelt. Im universitären System Frankreichs ist diese Unterscheidung zwischen diesen und den normalen Unis wichtig, da die Zugangsbarrieren für erstere sehr hoch sind und es als Auszeichnung gilt, dort studieren zu dürfen. In der Bevölkerung gibt es dazu unterschiedliche Meinungen, da dem Ganzen ein elitärer Beigeschmack anhaftet.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Wie bereits angemerkt, sind die französischen Studenten im Durchschnitt etwas jünger (z.T. 17 Jahre alt) und wohnen teilweise Zuhause. Eine gute Gelegenheit, einheimische Studenten kennenzulernen ist nicht nur in der Uni, sondern insbesondere bei den Assoziationen, die das studentische Freizeitleben prägen. Es gibt sowohl unheimliche große Bandbreite an sportlichen Assoziationen, an denen man teilnehmen kann (Rugby, Tanzen, Futsal, Pilates, etc.), als auch gesellschaftliche Vereinigungen. Ich kann die Wein-Assoziation empfehlen, bei der man sich wöchentlich trifft, um Wein aus der Region zu probieren. Bordeaux ist einer der weltweit bekanntesten Weinanbauregionen, man lernt also viel über die Geschichte der Stadt – und man bekommt ausgezeichneten Wein! Die Erasmix-Gruppe, die für die Erasmus-Studenten regelmäßig Events organisiert haben, ist sehr hilfreich und man kommt schnell in Kontakt mit den ausländischen Studenten.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
An der UP habe ich das Niveau B1 mit Sprachkursen erreicht. Laut dem Online-Sprachtest (OSL) habe ich ein A2 erreicht. Ich war also eher im unteren Mittelfeld. Mein Ziel war es, einfach Gespräche zu führen und meine Gedanken schriftlich einigermaßen verständlich zu formulieren. Am Ende des Semesters habe ich mich verbessert, allerdings ist es wirklich schwer, spontane Gespräche zu führen. Die gesprochene Sprache ist stark verkürzt und basiert auf vielen familiären Ausdrücken, die man mit der Zeit zwar lernen kann, dafür aber Zugang zu Einheimischen braucht. Wem das Erlernen der Sprache wichtig ist, empfehle ich, aktiv auf die französischen Kommilitonen in den Kurse zuzugehen, denn in der sogenannten „Erasmus-Bubble“ war Englisch die am meisten gesprochene Sprache.
Wohn- und Lebenssituation
Die Anmeldung für ein Studentenwohnheim habe ich erfolglos versucht, allerdings gibt es eine Priorität für die französischen Studenten für die Verteilung der Zimmer. Der Prozess ist wahnsinnig bürokratisch gestaltet. Außerdem sind die Zimmer nicht ausgestattet, d.h., auch wenn die Miete niedriger ist, muss man damit rechnen, sich mit einer Mindestausstattung für Küche / Bad ausstatten zu müssen. Sich rechtzeitig zu kümmern, ist essentiell. Manche meiner Erasmus-Kommilitonen hatten bis zu ihrer Ankunft nichts gefunden und mussten übergangsweise in einem Hostel/Hotel unterkommen. Die Wohnungssituation ist in Bordeaux nämlich extrem angespannt und man muss mit sehr viel mehr Miete rechnen als in Potsdam/Berlin (ca. 650€ pro Zimmer). Persönlich hatte ich Glück und hatte bereits im Juni über eine persönliche Annonce ein Zimmer gefunden, habe allerdings auch 60% meines monatlichen Budgets dafür ausgeben müssen. Ich empfehle eine Wohnung möglichst an der Tram B zu suchen, da diese direkt an der Uni hält.
Die Lebensmittelpreise sind im Durchschnitt 20% teurer.
Die Uni hat verschiedene Mensen an der Uni und in der Stadt verteilt, bei denen man ein Essen (3,30€) oder Baguette / Cookie kaufen kann.
Studienfach: Politik und Wirtschaft
Aufenthaltsdauer: 09/2019-01/2020
Gastuniversität: Bordeaux Science Po
Gastland: Frankreich
Rückblick
Die Stadt hat ein unglaublich angenehmes Ambiente. Die Bars und Restaurants sind jeden Tag brechend gefüllt, die Stadt versprüht Lebendigkeit und bietet an jeder Ecke ein Café, in dem man seine freie Zeit verbringen möchte. Bordeaux ist eine wahre Perle und es wirklich wert, dort sein Erasmus zu verbringen. Allez-y!