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Primula vulgaris
Foto: M. Burkart
Primula vulgaris

Darwins größter Stolz

Pflanze des Monats April 2015

Die Kissen-Primel

 

Noch bevor im Jahr 1859 Darwins revolutionäres Buch ‚Über den Ursprung der Arten‘ erschienen war, wandte der Naturforscher seine Aufmerksamkeit den Primeln zu, die in seinem großen Garten wuchsen. Darwin interessierte sich besonders für ihre Blüten, welche in zwei verschiedenen Formen auftreten: Manche haben ‚hohe‘ Staubblätter und ‚tiefe‘ Narben, bei anderen ist es gerade umgekehrt. In der Aufsicht der Blüte sind dadurch entweder die männlichen (so im Bild) oder die weiblichen Organe in der Blütenöffnung sichtbar, die ‚tief‘ stehenden sitzen darunter verborgen in der Blütenröhre. Das Merkmal ist stets für eine Pflanze einheitlich ausgeprägt und in Populationen etwa 50:50 verteilt.

Darwin vermutete zunächst, die ‚tiefen‘ Organe seien mehr oder weniger funktionslose Relikte und die Primelblüten insgesamt evolutionäre Zwischenstadien auf dem Weg der Entwicklung von zwittrigen zu eingeschlechtigen Blüten. 
Solche Zwischenstadien suchte er als Belege für seine Evolutionstheorie. Zum Nachweis führte er Kreuzungsexperimente durch in der Erwartung, die Pflanzen mit ‚tiefen‘ weiblichen Organen würden wenig oder gar keinen Samen ansetzen.
Umso mehr überraschten ihn die Ergebnisse. Beide Blütentypen bildeten Samen, aber nur, wenn sie mit Pollen des jeweils anderen Typs bestäubt worden waren. Es handelt sich also nicht um ein Zwischenstadium auf dem Weg zur Eingeschlechtigkeit, sondern um ein System zur Vermeidung von Selbstbefruchtung.

Darwin prägte dafür das bis heute gebräuchliche Begriffspaar von ‚legitimen‘ und ‚illegitimen‘ Kreuzungen. Die besondere räumliche Anordnung der Organe hilft, den Pollen optimal an Kopf oder Rüssel der Blütenbesucher zu platzieren.

Die Kissen-Primel (Primula vulgaris) ist schon seit mindestens 500 Jahren eine beliebte Gartenpflanze. Die Art kommt aber auch in ganz Großbritannien wild vor, ebenso wie in Westeuropa von Norwegen bis Portugal und von da ostwärts durch den Nordteil des Mittelmeergebiets bis hinter das Schwarze Meer. Aus diesen östlichen Regionen stammen Formen mit rosa- bis violettfarbenen Blüten, die zur Züchtung der bunten Garten-Primeln benutzt wurden, während in Westeuropa von Natur aus allein gelbe Blüten zu finden sind.

Darwin war, wenn überhaupt, nicht lange enttäuscht von dem geplatzten Evolutions-Beleg. Nach mehreren Beiträgen für Fachzeitschriften publizierte er schließlich 1877 ein ganzes Buch über ‚Unterschiedliche Blütenformen an Pflanzen derselben Art‘. In seinen Memoiren schrieb er: „Dass ich herausfand, welche Bedeutung die Bauart dieser Pflanzen hat, verschaffte mir mehr Befriedigung als sonst etwas in meinem wissenschaftlichen Leben.“

Primula vulgaris blüht schon seit dem Winter in allen Farben in den Blumengeschäften und jetzt auch wieder im Botanischen Garten, sowohl gepflanzt in Beeten als auch verwildert in Rasenflächen.

Kissen-Primeln und verwandte Arten werden an der Uni Potsdam von Prof. Michael Lenhard erforscht, der sich für die genetischen Grundlagen der beiden unterschiedlichen Blütenformen interessiert.

Primula vulgaris
Foto: M. Burkart
Primula vulgaris