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Mistel - Viscum album
Foto: M. Burkart
Mistel - Viscum album

Mistel - Viscum album

Pflanze des Monats November 2011

Klebriges Glück

 

Pflanzen pflegen in der Erde zu wurzeln. Von dort nehmen sie Wasser und darin gelöste Nährsalze auf. Ihre Äste strecken sie empor, damit die grünen Blätter reichlich Sonnenlicht erhalten.

Von diesem Grundmodell weicht die Mistel (Viscum album) ab, denn sie wurzelt nicht in der Erde. Ihre Wurzeln dringen vielmehr in Äste von Bäumen ein, welchen sie Wasser und Nährsalze entnehmen. Sie wird deswegen als Parasit oder Schmarotzerpflanze bezeichnet. Gern wachsen Misteln auf Birken, Pappeln und Apfelbäumen. Die bis zu einen Meter großen, mehr oder weniger kugelförmigen Pflanzen sind im Winter besonders gut zu sehen, wenn die Wirtsbäume kahl sind. Misteln sind nämlich auch im Winter grün.

Misteln bezeichnet man auch als Halbschmarotzer, in Abgrenzung zu Pflanzen ohne Blattgrün. Allerdings hat sich herausgestellt, dass auch die grünen Misteln in erheblichem Umfang Photosyntheseprodukte von ihren Wirten erhalten. Die Abgrenzung zwischen Halb- und Vollschmarotzern ist demnach weniger klar als früher gedacht.

Der in Europa und Asien verbreiteten Mistel werden Zauberkräfte zugeschrieben, wie alle Asterix-Leser wissen, insbesondere wenn sie auf Eichen wächst. Dies tut sie allerdings sehr selten - weder Stiel- noch Trauben-Eiche gehören zu ihrem normalen Wirtsspektrum (sehr wohl dagegen kurioserweise die aus Nordamerika stammende Rot-Eiche, die man bei uns häufig als Straßen-, Forst- und Parkbaum findet). Das Problem, wie die Samen an einer günstigen Stelle im Geäst eines Wirtsbaums platziert werden können, wird mit Hilfe von Vögeln gelöst. Die saftigen weißen Früchte besitzen ein überaus klebriges Fruchtfleisch. Es haftet den Samen selbst nach der Passage durch einen Vogeldarm noch an und kann sie so stabil auf einem Ast fixieren. Auf dieser Eigenschaft basiert sogar der Begriff "Viskosität" als Maß für die Zähigkeit flüssiger Substanzen. Er geht auf den wissenschaftlichen Gattungsnamen der Mistel - Viscum - zurück, heißt also eigentlich "Misteligkeit".

Sich unter einem Mistelzweig zu küssen, soll Glück und Fruchtbarkeit bringen. Daher werden zu Weihnachten gern welche aufgehängt. Wer es mit der Fruchtbarkeit nicht ganz so eilig hat, sollte vielleicht besser auf Tannengrün zurückgreifen. Mistelpräparate sind außerdem die am häufigsten verschriebenen pflanzlichen Krebsheilmittel. Unheil brachte die Mistel jedoch der Sage nach dem germanischen Lichtgott Baldr. Gemäß der Edda wurde er von einem Mistelast getötet, welchen der listige Loki dem blinden Hödr auf den gespannten Bogen legte oder als Speer in die Hand gab (die Versionen sind da nicht ganz eindeutig). Baldrs Mutter Frigg hatte zuvor die gesamte Natur zum Schutz ihres Sohnes verpflichtet, dabei aber die ihr unbedeutend erscheinende Mistel ausgelassen. Nach einer anderen Lesart fiel die Mistel wegen ihres fehlenden Bodenkontakts nicht unter den Schutzbann.

Misteln sind getrenntgeschlechtliche Pflanzen. Die weiblichen zieren sich jetzt überall in Potsdam, auch im Botanischen Garten, mit ihren weißen Früchten, die der Botaniker nicht Beeren nennen soll, weil neben dem Fruchtknoten auch Stängelteile an der Fruchtbildung mitwirken. Nichtbotaniker können sie dagegen getrost weiter Beeren nennen, genauso wie Erd-, Him- und Brombeeren, die ebenfalls keine sind.

Mistel - Viscum album
Foto: M. Burkart
Mistel - Viscum album