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Kapuzinerkresse - Tropaeolum majus
Foto: M. Burkart
Kapuzinerkresse - Tropaeolum majus

Kapuzinerkresse - Tropaeolum majus

Pflanze des Monats Juni 2011

Unverschmutzbar

 

Für Wilhelm Barthlott, frischgebackener Doktorand an der Universität Heidelberg, ging ein Wissenschaftlertraum in Erfüllung: Als einer der ersten Botaniker in Deutschland konnte er in den 1970er Jahren mit dem Raster-Elektronenmikroskop die bis dahin kaum untersuchten Mikro- und Nanostrukturen auf der Oberfläche von Pflanzen erforschen, die jetzt erstmals gestochen scharf abbildbar waren. Begeistert nutzte Barthlott die neuen Merkmale für die Abgrenzung von Pflanzenarten.

Für die Untersuchung müssen die Oberflächen zunächst gereinigt werden. Dabei fiel Barthlott auf, dass die Blätter bestimmter Arten schon von selbst blitzsauber waren. Bei genauerer Untersuchung stellte sich überraschenderweise heraus, dass diese Oberflächen nicht glatt waren, sondern stets rau und zugleich stark wasserabweisend. Diese Eigenschaften gehen auf Nanostrukturen aus Wachs zurück. Anhaftende Schmutzpartikel werden von abrollenden Wassertropfen mitgerissen, so dass die Oberfläche selbstreinigend ist. Zu den ersten Pflanzen, an deren Blättern dieser Selbstreinigungseffekt experimentell nachgewiesen wurde, gehört die Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) aus Südamerika, heute eine verbreitete Gartenpflanze.

15 Jahre später griff Barthlott den Faden wieder auf. Da war er bereits Professor und Direktor des Botanischen Gartens in Bonn. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Christoph Neinhuis und weiteren Partnern wurden unter dem Markennamen Lotus-Effect® aus dem biologischen Vorbild technische Anwendungen für selbstreinigende Oberflächen entwickelt. (Auch die Lotosblume hat eine selbstreinigende Oberfläche.) Barthlott wurde dafür mit mehreren Preisen geehrt; Neinhuis ist inzwischen selbst Professor und Direktor des Botanischen Gartens der Technischen Universität Dresden. Die Übertragung natürlicher Vorbilder in technische Anwendungen nennt man Bionik.

Die Kapuzinerkresse hat noch weitere interessante Eigenschaften. "Kresse" heißt sie, weil sie durch ein bestimmtes Senföl kresseartig scharf schmeckt. Junge Blätter, besonders aber die bunten Blüten sind lecker und dazu sehr hübsch in Salaten; die Früchte kann man sauer eingelegt wie Kapern verwenden. Senföle als Inhaltsstoffe hat die Kapuzinerkresse mit den Kreuzblütlern gemeinsam, mit denen sie recht eng verwandt ist. Der geschmacklichen Nähe zur Gartenkresse, einem Kreuzblütengewächs, entspricht also eine abstammungsgeschichtliche. Das Bild zeigt neben Blättern und einer Blüte der Kapuzinerkresse unten ein Blatt des Rotkohls, das ebenfalls selbstreinigend ist, wie die aufliegenden Wassertropfen demonstrieren. Auch Rotkohl ist ein Kreuzblütler.

Wilhelm Barthlott ist einer der erfolgreichsten Gartendirektoren der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Neben der Bionik war er auch auf etlichen weiteren Feldern aktiv, zum Beispiel bei der Biodiversitätsforschung. Zu seinem 65. Geburtstag am 22. Juni wünschen wir ihm alles Gute.

Kapuzinerkresse - Tropaeolum majus
Foto: M. Burkart
Kapuzinerkresse - Tropaeolum majus