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Metapher

Die Metapher wird im Allgemeinen als ein bildlich vergleichender Sprachgebrauch definiert und vor allem dem literarischen Schreiben zugeordnet. Philosophie und Sprachwissenschaften heben hingegen die Bedeutung der Metapher für die produktive Denktätigkeit hervor. Etymologisch leitet sich der Begriff von metaphorà (griechisch) Übertragung ab. Dieser Aspekt des Übertragens macht deutlich, dasses um ein Phänomen geht, das weit über einen sprachlichen Vergleich hinausreicht. In welchem Maße Metaphern unsere Alltags- und auch Fachsprachen prägen, wurde im Rahmen der Philosophie, den Sprachwissenschaften und der Kognitionslinguistik gezeigt.Sie untersuchen Metaphern als (kognitive) Konzepte, mit denen wir unsere Erfahrungen und Beobachtungen strukturieren, unsere Vorstellungen und Ideen visualisieren, Unbekanntes oder Neues verstehen und in unsere Weltbilder einordnen.

In diesem Sinne sind Metaphern ein aussagekräftiger und vielschichtiger Untersuchungsgegenstand für die Kulturwissenschaften. Einzelne metaphorische Konzepte können als zentrale Bildfiguren analysiert werden, mit denen das Wissen einer Gesellschaft oder Kulturgemeinschaft epochenspezifisch und epochenübergreifend organisiert wird. Metaphern durchziehen dabei sowohl die wissenschaftlichen als auch die kulturellen und alltäglichen Ausdruckformen in Wort und Bild. Insofern sind sie als zentrale Denkmuster einer Gesellschaft und als Schaltstellen ihrer Kulturprogramme zu betrachten. Dies lässt sich unter anderem am Beispiel der Körpermetaphorik aufzeigen, mit der Gesellschaft, Staat oder Stadt seit Jahrhunderten strukturiert und reflektiert werden.

Das Nachdenken über die Metapher hat eine sehr lange Geschichte. Es begann in der antiken Philosophie und wurde über Giambattista Vico,Thomas Hobbes, Friedrich Nietzsche und andere fortgeführt, bis sich im 20. Jahrhundert ebenfalls im Rahmen der Philosophie (v.a. mit Ernst Cassirer, Paul Ricoeur und Hans Blumenberg) bzw. den Sprachwissenschaften eine eigene Metaphernforschung etablierte. Die Literaturwissenschaften, die sich meist auf die Textdimension der Metapher beschränken, und sie im Sinne einer rhetorischen Figur als Schlüssel zur Interpretation eines literarischen Textes oder Werkes betrachten, haben an dieser Entwicklung nur wenig Anteil. Im Rahmen der Bildwissenschaft wird von visueller Metaphorik gesprochen. Sie beruht auf der Darstel­lung eines Bild­ele­ments durch Attri­bute eines ande­ren Ele­ments, was mit dem Ausdruck ‚Sehen-​als‘ oder ‚Reprä­senta­tion-​als‘ umschrieben wird. Beispielsweise kann auf einem Gemälde Napo­leon als römi­scher Kaiser dargestellt werden. Da Napo­leon kein römi­scher Kaiser war, wird von einer ‚Reprä­senta­tion-​als‘ bzw. einer ‚Transfiguration‘ gesprochen. In diesem Prozess werden die Attri­bute eines römi­schen Kaisers meta­phori­sch auf Napo­leon über­tragen (siehe Danto 1984: 256).

Sowohl in der antiken Philosophie als auch in der heutigen Metaphernforschung steht die Frage im Vordergrund, wie sich Metaphern zur gesellschaftlichen Wirklichkeit verhalten und welche Funktionen sie bei kognitiven Prozessen innehaben. Der US-amerikanische Sprachphilosoph Max Black ordnete als einer der ersten Metapherntheoretiker 1960 die aus diesen Fragen abgeleiteten Theorien im Wesentlichen drei großen Argumentationssträngen zu: den sogenannten Substitutions-, Vergleichs- und Interaktionstheorien. Substitutions­theorien betrachten die Metapher auf rein sprachlicher Ebene und heben hervor, dass die Ersetzung des eigentlichen durch einen uneigentlichen (metaphorischen) Begriff nur der Ausschmückung dient. Diese Theorien erklären jedoch nicht die in den Wissenschaften oder der Philosophie eingesetzten Metaphern. Metaphorische Formulierungen dienen dort oft der Umschreibung von Dingen oder Vorgängen, für die es gar keinen wortwörtlichen Begriff gibt. Auch bei der Vergleichstheorie geht es um die Umschreibung des wortwörtlichen durch einen uneigentlichen Begriff. Aber durch die Fokussierung des durch die Metapher eingeleiteten Vergleichsmoments wird betont, dass es nicht um ein Vorhandensein, sondern um ein Herstellen von Ähnlichkeiten geht. Interaktionstheorien hingegen gehen über die sprachliche Dimension der Metapher hinaus, indem sie die Assoziationen und kognitiven Prozesse berücksichtigen, die durch die metaphorische Übertragung ausgelöst werden. Sie lassen nicht nur neue Bedeutungen entstehen, sondern haben auch heuristische (Erkenntnis erzeugende) Funktion. Dies trifft insbesondere auf Metaphern in der Wissenschaft und Philosophie zu, da diese dort sowohl als „Folge als auch [als] Indikatoren metaphorisch-analogisch strukturierter Wissensbestände“ (Drewer 2003: 1) zu betrachten sind und als „Leitfaden zur Hinblicknahme auf die Lebenswelt“ (Blumenberg in: Haverkamp: 443).

Die von Ivor Armstrong Richards auf Aristoteles aufbauende Interaktionstheorie bildete die Grundlage für Blacks Filtertheorie. Richards untersuchte die Metapher 1936 als ein „allgegenwärtiges Prinzip der Sprache“, was er mit dem metaphorischen Charakter des Denkens begründet: „Denken ist metaphorisch und verfährt vergleichend; daraus leiten sich die Metaphern der Sprache her.“ (Richards in: Haverkamp: 33, 35) Um die Bestandteile der Metapher unterscheiden zu können, führte Richards die Begriffe topic term (Gegenstandsterm, also den eigentlichen Begriff) für den Primärgegen­stand und vehicle term (Trägerterm, den uneigentlichen, die bildliche Umschreibung übertragenden Begriff) für den Sekundärgegenstand ein. Seine der Substitutionstheorie entgegenstehende Interaktionstheorie geht davon aus, dass das synoptische - das verschiedene Informationen verkürzt zusammenstellende - Denken es dem Menschen ermöglicht, durch die Zusammenführung von Gegenstands- und Trägerterm gemeinsame Merkmale zu finden und zu erfinden. Die Metapher erscheint daher „in allererster Linie als ein Austausch und Verkehr von Gedanken, eine Transaktion zwischen Kontexten.“ (Ebd: 35). Blacks Filtertheorie baut auf Richards Überlegungen auf.Black erklärt darin, wie der Primärgegenstand durch den Sekundärgegenstand in ein anderes Licht gerückt werden kann: „Die metaphorische Äußerung funktioniert, indem sie auf den Primärgegenstand eine Menge von „assoziativen Implikationen“ [associated implications] „projiziert“, die im Implikationszusammenhang [implicative complex] enthalten sind und als Prädikate auf den Sekundärgegenstand anwendbar sind.“ (Black in: Haverkamp: 392). Black geht also wie Richards davon aus, dass das synoptische Denken des Menschen in der Zusammenführung von Gegenstands- und Trägerterm gemeinsame Merkmale entdeckt. Er nennt sie Implikationszusammenhänge (implicative complexes). Sie basieren auf Ähnlichkeiten, die nicht abgebildet, sondern mit der Metapher erst hergestellt werden.

Einen weiteren Schritt im Hinblick auf die Bedeutung der Metapher für Weltwahrnehmung und Weltgestaltung stellt die Metapherntheorie des Linguisten George Lakoff und des Sprachphilosophen Mark Johnson dar. In ihrer ersten gemeinsamen  Publikation Metaphors we live by von 1980 zeigen sie, wie intensiv„die Metapher unser Alltagsleben durchdringt und zwar nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken und Handeln. Unser alltägliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken, als auch handeln, ist im Kern grundsätzlich metaphorisch.“ (Lakoff/Johnson 2008: 11) Sie verstehen Metaphern also als ein zwar sprachlich kodiertes, aber zunächst kognitives Konzeptsystem, mit dem Welt erfahren und strukturiert wird. Um dieses Konzeptsystem zu erkennen, unterscheiden sie zwischen metaphorischen Redewendungen und metaphorischen Konzepten. Alle Redewendungen lassen sich auf solche Konzepte zurückführen. Als Beispiele nennen sie unter anderen das Konzept ZEIT IST GELD. Es bringt Redewendungen hervor wie ‚zeitsparend‘, ‚das kostet Zeit‘, ‚Du verschwendest meine Zeit‘, ‚mit seiner Zeit haushalten‘usw. (ebd.: 15-17).Diese Beispiele zeigen, dass metaphorische Konzepte Bestandteile eines (sub)kulturspezifischen konzeptuellen Netzwerkes sind, mit dem eine bestimmte Weltsicht vermittelt wird. Sie prägen die Wahrnehmung subjektiver und gesellschaftlicher Wirklichkeiten einer kulturellen Gemeinschaft. Durch sie kann etwas als etwas Bestimmtes präsentiert werden, indem ausgewählte Eigenschaften hervorgehoben, andere in den Hintergrund gerückt werden. Lakoff und Johnson bezeichnen diese kognitiven Mechanismen als highlighting und hiding (ebd.: 18-21). Diese Begriffe heben noch deutlicher als Blacks Filterkonzept hervor, was Metaphern leisten: sie konstruieren Wahrnehmungsmuster, indem sie einzelne Bedeutungsmöglichkeiten oder Zusammenhängebeleuchten und andere dadurch verstecken; das heißt sie können auch für eine gezielte Beeinflussung genutzt werden.

Kognitive Voraussetzung für die Bildung konzeptueller Metaphern sind der menschliche Körper und seine Sinnesorgane: „We have eyes and ears, arms and legs that work in certain very definite ways and not in others. We have a visual system, with topographic mapsand orientation-sensitive cells, that provides structure for our ability to conceptualize spatial relations. […] Our abilities to move in the ways we do and to track the motion of other things give motion a major role in our conceptual system. […] What is important is that the peculiar nature of our bodies shapes our very possibilities for conceptualization and categorization.“ (Lakoff/Johnson 1999: 18-19.)

Um das Zustandekommen alltäglicher Gedankenstrukturen zu erklären, haben Lakoff und  Johnson einen weiteren Begriff geprägt, den der Image Schemata: körperbasierte neuronale Muster, die sozusagen unter den Metaphern liegen (siehe ebd.: 30-36). Es handelt sich um einfache, präverbale Erfahrungen wie Höhe und Tiefe (oben - unten), Behälter, Zentrum und Peripherie oder das dreiteilige Schema Start-Weg-Ziel. Mit ihnen können abstrakte Bereiche des Wissens (wie Zeit oder die Orientierung im Raum) durch vertraute Erfahrungen veranschaulicht werden. Im Rahmen eines räumlichen Kontinuums kann man Zeit beispielsweise als einen nach vorn (Zukunft) oder nach hinten (Vergangenheit) gerichteten Verlauf sehen.

Diese im Rahmen der Sprachwissenschaften und kognitiven Linguistik entwickelten Modelle und Studien wurden auch zur Analyse metaphorischer Konzepte in der Politik oder der Werbung eingesetzt. So liegen sowohl zum politischen Sprachgebrauch verschiedene meist historische Studien (z.B. Münkel, Rigotti), aber auch solche zu aktuellen gesellschaftsrelevanten Metaphern (Kimminich 2008) vor. Analysen politischer Programme und Wahlkampfreden in den USA führt vor allem Lakoff durch (siehe Lakoff 2004, Lakoff/Wehling 2008). Er arbeitet mit dem Begriff des framing. Dieser bezeichnet den massenmedial vermittelten Prozess des Einbettens (politischer) Ereignisse oder Themen in subjektive Deutungsrahmen. Das heißt eine politische Thematik wird auf eine spezifische Weise dargestellt,und zwar indem bestimmte Merkmale oder Aspekte selektiv hervorgehoben oder ihr willkürlich zugeordnet werden. Es handelt sich dabei um emotional und normativ besetzte, oft auch unbewussteGrundvorstellungen vom Menschen, von der Gesellschaft und ihren politischen Aufgaben. Durch das framing können folglich bestimmte Fakten, Sachverhalte oder Aspekte in den Mittelpunkt gerückt (highlighting) und im kollektiven Gedächtnis verankert werden, andere hingegen werden gezielt ausgeblendet (hiding). 

Da die Werbung des ausgehenden 20. und 21. Jahrhundert nicht mehr den Gebrauchswert in den Mittelpunkt stellt, sondern einen Fiktionswert der Dinge erzeugt, kann durch die Analyse der in den metaphorischen Konzepten wirkenden Implikations­zusammenhänge heraus­gearbeitet werden, wie in einer Gesellschaft, die materiell fast alles besitzt, seelisch-geistige und emotionale Bedürfnisse befriedigt werden, die zuvor teilweise erst ebenfalls über die Werbung erzeugt werden. Dazu liegen bereits verschiedene Studien vor. Im Hinblick auf die Analyse von Werbeplakaten und Clips hat unter anderen insbesondere Charles Forceville neue (semiotische) Konzepte entwickelt, darunter das der multimodalen Metapher.

Quellen:

  • Albus, Vanessa: Metapher und Weltbild. Untersuchungen zur Philosophie im 18. Jahrhundert. Würzburg: Könighausen & Neumann 2001.
  • Black, Max: „Die Metapher“ und „Mehr über die Metapher“, in: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983: 61-75 bzw. 379-413.
  • Black, Max: Models and Metaphors. Ithaca: Cornell University Press 1962.
  • Blumenberg, Hans: „Paradigmen zu einer Metaphorologie.“ In: Anselm Haverkamp (Hrsg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983: 285-315.
  • Danto, Arthur C.: Die Verklä­rung des Gewöhn­lichen. Frank­furt/M.: Suhr­kamp 1984.
  • Drewer, Petra: Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens. Zur Rolle der Analogie zur Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Tübingen: Narr 2003.
  • Johnson, Mark: The Body in the Mind: The Bodily Basis of Meaning, Imagination, and Reason, Chicago: University of Chicago Press 1987.
  • Kimminich, Eva (Hrsg.): Metaphern der Macht – Macht der Metapher. Aachen: Shaker 2008.
  • Kohl, Katrin: Metapher. Stuttgart/Weimar: Metzler 2007.
  • Lakoff, George/Elisabeth Wehling: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht. Carl-Auer Heidelberg 2008.
  • Lakoff, George/Mark Johnson: Philosophy in the Flesh: The Embodied Mind and Its Challenge to Western Thought. New York: Basic Books, 1999. 
  • Lakoff, George/Mark Johnson: Wir leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Astrid Hildenbrand. Heidelberg: Auer 2008.
  • Lakoff, George: Don’t Think of an Elephant: Know Your Values and Frame the Debate. Chelsea Green Publishing 2004.
  • Münkler, Herfried: Politische Bilder, Politik der Metaphern. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch-Verl. 1994.
  • Richards, Ivor Armstrong: „Die Metapher.“ In: Anselm Haverkamp: Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1983: 31-52.
  • Richards, Ivor Armstrong: The Philosophy of rhetoric. Oxford 1936
  • Rigotti, Francesca: Die Macht und ihre Metaphern: über die sprachlichen Bilder der PolitikFrankfurt am Main [u.a.]: Campus-Verl. 1994.
  • Rolf, Eckard: Metapherntheorien. Typologie, Darstellung, Bibliographie. Berlin/New York: De Gruyter 2005.
  • Specht, Benjamin (Hrsg.): Epoche und Metapher: Systematik und Geschichte kultureller Bildlichkeit. Berlin: De Gruyter 2014.
Autorin Eva Kimminich
Zeitraum Januar 2015