Zum Hauptinhalt springen

Lesung und Gespräch: "Hunde Europas" - Weltliteratur aus Belarus

Bericht zur Veranstaltung "Hunde Europas": Weltliteratur aus Belarusdie am 29.1.2020, im Einstein Forum Potsdam im Rahmen der Kleinen-Fächer-Wochen an der Universität Potsdam und an der Europa-Universität Viadrina in Kooperation mit dem Einstein Forum Potsdam stattfand.

    Gäste des Abends waren der belarussische Schriftsteller Alhierd Bacharevičaus Minsk und sein Übersetzer und Belarus-Kenner Thomas Weiler aus Leipzig. Nach der Eröffnung des Abends durch Mischa Gabowitsch (Einstein Forum) sprachen sie mit den Moderatorinnen Yaraslava Ananka (Universität Innsbruck) und Nina Weller (EUV, Frankfurt/Oder) über die heutige Situation der belarussischen Literatur und ihrer Wahrnehmung als „kleine Literatur“.

    Alhierd Bacharevič und Thomas Weiler gaben im Gespräch einen beeindruckenden Einblick in ihr unermüdliches, bisweilen mühsames Engagement dafür, schreibend, übersetzend und interkulturell vermittelnd der belarussischen Literatur zu mehr internationaler Wahrnehmung und nicht zuletzt auch im eigenen Land zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Denn gerade eine Literatur wie die belarussische, die, wie viele osteuropäische multilinguale Literaturen als „kleine Literatur“ im Schatten der „großen“ Literaturen und hegemonialer Sprachen entstand, muss sich ihrer sprachlichen und kulturellen Vielfalt als ihrem besonderen Mehrwehrt immer wieder vergewissern. Die Podiumsdiskutanten waren sich darüber einig, dass dies im besonderen Maße für die belarussische Literatur zutrifft – handelt es sich doch um eine Literatur, die sich jenseits der kanonisierten Literaturgeschichtsschreibungen über Jahrhunderte in ihrer multilingualen Situation und sprachlichen Durchlässigkeit zwischen dem Belarussischen, Russischen, Ukrainischen, Polnischen und Jiddischen, ihrer ganz eigenen Stimme im vielstimmigen Chor der europäischen Literaturen vergewissern musste und weiterhin muss. 

    Im Mittelpunkt des Gesprächs stand Bacharevičs 2017 auf belarussisch und 2019 auf russisch erschienener Roman „Hunde Europas“ (Sabaki Europy/Sobaki Evropy)– ein Werk, dass allein schon seines monumentalen Umfangs von nahezu 1000 Seiten wegen die Kategorie des „Kleinen“ selbstbewusst überschreitet und in einem antiutopischen Setting jene multilinguale Sprachüberlagerungen und -verwirrungen der großen „kleinen“ belarussischen Literatur durch das Konstrukt der erfundenen Sprache „Balbuta“ zumThema macht. Einen Eindruck vom Klang dieser Kunstsprache und vom fiktionalen Macht- und Verführungsraum der Sprache(n), bekamen die zahlreichen Gäste durch die Lesung aus dem belarussischen Original und aus den Auszügen in deutscher Übersetzung, die Thomas Weiler eigens für die Veranstaltung angefertigt hatte.

    Welche Rolle die von Bacharevič selbst vorgenommene Übersetzung des Romans ins Russische für dessen Rezeption auf dem internationalen und belarussischen Literaturmarkt spielt und welche Wege und Umwege die Übersetzungen belarussischer Literatur heute gehen kann oder gehen muss, um als Teil der europäischen Weltliteratur wahrgenommen zu werden, wie stark aber auch umgekehrt die Einflüsse von literarischen Übersetzungen ins Belarussische schon lange sind, waren weitere Gesprächsthemen des Abends. 

    Die Lesung und das Gespräch wurden aufgenommen: https://www.einsteinforum.de/veranstaltungen/hunde-europas-weltliteratur-aus-belarus/und es ist geplant, Ausschnitte als Interview in der online-Zeitschrift novinki.de zu veröffentlichen.