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Projekt: Wie viel Schlucken ist normal?

Normdatenstudien zum Einfluss individueller und externer Einflussfaktoren auf die Schluckphysiologie bei Erwachsenen und Kindern ohne Dysphagie

Hintergrund: 

In diesem Projekt werden verschiedene Normdatenstudien durchgeführt, die zu einer breiteren Wissensbasis über das Ess- und Trinkverhalten gesunder Menschen verschiedenen Alters beitragen sollen und die Grundlage für die Entwicklung diagnostischer Verfahren für Schluckstörungen bilden können. So wird z.B. in den meisten Screeningverfahren nicht berücksichtigt, dass sowohl das individuelle Schluckvolumen als auch die Schluckfrequenz interindividuell sehr variabel sind, und diese Parameter auch intraindividuell von vielen Kontextfaktoren abhängig sind (siehe Frank, 2012 für einen Überblick). Einige dieser Einflussfaktoren, wie z.B. Alter und Geschlecht, sind bereits identifiziert (z.B. Bennett, Van Lieshout, Pelletier, & Steele, 2009). Der Einfluss von situationsbezogenen Faktoren, wie die Untersuchungssituation (z.B. Behandlungsposition, Messmethode) oder weiterer körperbezogener Parameter (z.B. Mundhöhlenvolumen) ist jedoch noch nicht geklärt. Die Identifikation solcher Einflussfaktoren und der Stärke ihres Einflusses soll zur Entwicklung spezifischer Diagnostikprotokolle für die klinische Schluckuntersuchung führen, in denen diese Faktoren berücksichtigt werden.

 

Aktuelles Projekt:

Internationale Standardisierung des 'Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS)

Als Teil eines international angelegten Standardisierungsprojektes erheben wir in Deutschland Normdaten zum Kau- und Schluckverhalten gesunder Kinder und Erwachsener bei der Durchführung des 'Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS), der im Swallowing Rehabilitation Research Lab in Christchurch, Neuseeland von Dr. Maggie-Lee Huckabee entwickelt wurde. In diesem Test werden die Probanden gebeten, zügig zwei Salzcracker zu essen. Der Untersucher erhebt dabei die Anzahl der Teilstücke bzw. Abbisse (engl. ‚bites’), der Kauzyklen, der Schlucke und die Gesamtzeit. Die Normdatenerhebung für dieses Untersuchungsverfahren an einer Stichprobe von 120 Erwachsenen im Alter von 20 bis 80+ Jahren und bei 120 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (4-20 Jahre) wird derzeit abgeschlossen. Die gesamte internationals Datenbasis wird Normdaten aus Neuseeland, den USA, Irland, Portugal, Israel, Italien, den Niederlanden und Deutschland enthalten (Huckabee et al., in Vorbereitung).

 

Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS): Normdatenerhebung Erwachsenen im Alter von 20 - 94 Jahren - Bachelorarbeit Hella Kaps

Hintergrund: Viele Screeningverfahren verwenden qualitativen Kriterien (z.B. Stimmqualität) die eine geringe Beurteilungsreliabilität haben [1], ein Vergleich mit Normdaten ist nicht möglich. Der 'Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS, [2]) beurteilt die oropharyngeale Bolusverarbeitung fester Konsistenzen anhand quantitativer Kriterien mit einer hohen Test-Retest und Interrater Reliabilität (je >.90).  Es besteht ein Einfluss der Faktoren Alter, Geschlecht und Testbolus (Crackersorte) [3]. Ziel dieser Studie war die Normierung des TOMASS bei Erwachsenen mit einem in Deutschland erhältlichen Cracker.

Methoden: 120 Probanden in vier Altersgruppen (20 - 94 Jahre; M= 58) aßen nacheinander zwei Cracker (Marke 'TUC Classic'). Folgende Messparameter wurden erhoben: Anzahl 'Teilstücke', 'Kauzyklen', 'Schlucke', 'Zeit'. In einer multifaktoriellen Varianzanalyse wurden Effekte der Faktoren Alter und Geschlecht untersucht.

Ergebnisse: Es zeigten sich signifikante Haupteffekte für die Faktoren Alter (F(12,288)= 2.9, p= .001) und Geschlecht (F(4,109)= 7.526, p= .000), jedoch keine Interaktion der Faktoren (F(4)= 1.593, p= .092). Post-hoc Testung zeigte einen Alterseffekt auf 'Kauzyklen' (F(3)= 6.914, p= .000) und 'Zeit' (F(3)= 9.544, p= .000) sowie einen geschlechtsspezifischen Effekt auf 'Teilstücke' (F(1)= 25.143, p= .000) und 'Zeit' (F(1)= 9.738, p= .002). Die ältesten Probanden (80+) unterschieden sich in Bezug auf die Parameter 'Kauzyklen' und 'Gesamtzeit' signifikant von den anderen Altersgruppen (p< .016).

Diskussion: In dieser Studie wurden Normdaten für die Durchführung des TOMASS in Deutschland mit Erwachsenen im Alter von 20 - 80+ Jahren erhoben, dabei zeigten sich signifikante Effekte der Faktoren Alter und Geschlecht auf die Messparameter. Bei der klinischen Anwendung des TOMASS sollten ein Normdatenvergleich daher differenziert nach diesen Faktoren erfolgen.

Referenzen:

[1]Daniels S, Pathak S, Stach CB, Mohr TM, Morgan RO, Anderson JA. Speech pathology reliability for stroke swallowing screening items. Dysphagia. 2015;30:565-570. [2] Athukorala RP, Jones RD, Sella O. Skill training for swallowing rehabilitation in patients with Parkinson’s Disease. Arch Phys Med Rehabil. 2014;95:1374-1382. [3] Huckabee ML, Walshe M, van den Engel-Hoek L, Frank U, Battel I, Nogueira D., Sella-Weiss O. Normative data and measures of inter-rater and test-retest reliability for the Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS) (in preparation)

 

Test of Masticating and Swallowing Solids in Children (TOMASS-C): Normdatenerhebung bei Kindern und jungen Erwachsenen im Alter von 4 - 18 Jahren - Bachelorarbeit Alexa Wilzek

Hintergrund: Der 'Test of Masticating and Swallowing Solids TOMASS [1] beurteilt die oropharyngeale Bolusverarbeitung fester Konsistenzen (Salzcracker)  anhand quantitativer Kriterien. In einem internationalen multizentrischen Projekt wurden Normdaten für den TOMASS mit Erwachsenen ab 20 Jahren erhoben [2], hierbei zeigten sich Effekte der Faktoren Alter und Geschlecht auf die TOMASS-Parameter. Ziel dieser Studie war die Normierung des TOMASS-C bei Kindern und jungen Erwachsenen mit einem in Deutschland erhältlichen Cracker und die Überprüfung alters- und geschlechtsspezifischer Einflussfaktoren.

Methoden: 100 Probanden in fünf Altersgruppen (4 - 18 Jahre; M= 9,3) aßen nacheinander zwei Cracker (Marke 'TUC Classic'). Folgende Messparameter wurden erhoben: Anzahl 'Teilstücke', 'Kauzyklen', 'Schlucke' und 'Zeit'. In einer multifaktoriellen Varianzanalyse wurden Effekte der Faktoren Alter und Geschlecht untersucht.

Ergebnisse: Ein signifikanter Haupteffekt zeigte sich nur für den Faktor Alter (F(16,266)= 5.679, p= .000), dieser bezog sich auf die Parameter 'Teilstücke' (F(4)= 11.957, p= .000), 'Kauzyklen' (F(4)= 9.389, p= .000) und 'Zeit' (F(4)= 11.851, p= .000). Bei diesen drei Parametern unterschieden sich die jüngsten Probanden (4-6 Jahre) signifikant von allen anderen Altersgruppen (p< .0125).

Diskussion: In dieser Studie wurden Normdaten für die Durchführung des TOMASS-C in Deutschland mit Kindern und jungen Erwachsenen erhoben. Anders als bei Erwachsenen zeigte sich in dieser jüngeren Normierungsstichprobe nur ein alters- jedoch kein geschlechtsspezifischer Effekt auf die Messparameter. Diese Unterschiede könnten im Zusammenhang mit wachstumsbedingten morphologischen Veränderungen aber auch mit habituellen Unterschieden stehen.

Referenzen

[1]Athukorala RP, Jones RD, Sella O. Skill training for swallowing rehabilitation in patients with Parkinson’s Disease. Arch Phys Med Rehabil. 2014;95:1374-1382. [2] Huckabee ML, Walshe M, van den Engel-Hoek L, Frank U, Battel I, Nogueira D., Sella-Weiss O. Normative data and measures of inter-rater and test-retest reliability for the Test of Masticating and Swallowing Solids (TOMASS) (in preparation)

 

 

Abgeschlossene Projekte:

Effekte von Untersuchungsposition (Rückenlage vs. Seitenlage) und Messmethode (taktile vs. visuelle Messung) auf die Schluckfrequenz bei gesunden Erwachsenen (Hummel & Frank, 2011). Bachelorarbeit Katja Hummel

Bei taktiler Messung der Schluckfrequenz zeigte sich hier eine signifikant höhere Schluckfrequenz als bei visueller Beobachtung der schluckrelatierten Larynxelevationen. Die Untersuchungsposition (Seitenlage vs. Rückenlage) hatte dagegen keinen signifikanten Einfluss auf die. Die hohe interindividuelle Variabilität der Schluckfrequenz konnte bestätigt werden, diese war unabhängig von Alter und Geschlecht der Probanden.

 

Einfluss körperbezogener Parameter auf das Einzelschluckvolumen bei gesunden Erwachsenen zwischen 20 und 98 Jahren (Peiffers & Frank, 2015). Bachelorarbeit Sabine Peiffers

Untersucht wurde der Einfluss der Parameter: Mundhöhlenvolumen, Kieferöffnungswinkel, Gewicht / Größe => BMI auf das Einzelschluckvolumen für Wasser. In der Gruppe der über 60-jährigen Probanden bestand eine moderate Korrelation zwischen dem individuellen Einzelschluckvolumen und den Faktoren Mundhöhlenvolumen, Gewicht und Größe, jedoch keine signifikante Korrelation mit dem Kieferöffnungsgrad. Bei den jüngeren Probanden unter 69 Jahren bestand eine signifikante, ebenfalls moderate Korrelation mit dem BMI und dem Mundhöhlenvolumen.

Methodische Evaluation: Vorhersagegüte der sequentiellen Schluckrate für Bolusvolumina von 150ml für das Einzelschluckvolumen bei gesunden Erwachsenen (Schindler & Frank, 2012). Projektarbeit Wencke Schindler, Bachelorarbeit Anne Becher, Bachelorarbeit Swenja Seehaus

Es zeigte sich, dass das individuelle Einzelschluckvolumen einer Person  aus der sequentiellen Schluckrate vorhergesagt werden kann. Die Prädiktorqualität war jedoch nur moderat, so dass weitere Faktoren einen Einfluss auf die hohe interindividuelle Variabilität des Einzelschluckvolumens haben müssen.

    Literatur:

    Bennett, J. W., Van Lieshout, P., Pelletier, C. A., & Steele, C. M. (2009). Sip-sizing behaviors in natural drinking conditions compared to instructed experimental conditions. Dysphagia, 24, 152-158.

    Daniels, S. K., McAdam, C. P., Brailey, K., & Foundas, A. L. (1997). Clinical assessment of swallowing and prediction of dysphagia severity. Am J Speech Lang Pathol, 6, 17-24.

    Frank, U. (2012). Wie viel Schlucken ist normal? Normdaten in der Diagnostik und Therapie bei Dysphagie. In J. Heide, T. Fritsche, C. Meyer, & S. Ott (Eds.), Spektrum Patholinguistik 5 (pp. 5-17). Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.

    Huckabee M-L, McIntosh T, Apperley O (2014). Quantitative assessment of oral phase efficiency: TOMASS norms and preliminary validation. Dysphagia, 29, 763.

    Huckabee, M.-L., McIntosh, T., Fuller, L., Curry, M., Thomas, P., Walshe, M., McCague, E., Battel, I., Nogueira, D., Frank, U., & van den Engel-Hoek, L. The test of masticating and swallowing solids (TOMASS): Reliability, validity and international normative data. (in prep.)

    Hummel, K., & Frank, U. (2011). Wie wenig Schlucken ist normal? Die Schluckfrequenz bei Gesunden in Seiten- und Rückenlage. DysphagiEForum, 1, 15-22.

    Peiffers, S., & Frank, U. (2015, in Druck). Der Einfluss von Körperparametern auf das Schluckvolumen bei gesunden Erwachsenen. In Spektrum Patholinguistik 7.

    Schindler, W., & Frank, U. (2012). Wasserschlucktests in der klinischen Dysphagiediagnostik: Einzelschluckvolumen als Prädiktor für die sequentielle Schluckrate? In J. Heide, T. Fritsche, C. Meyer, & S. Ott (Eds.), Spektrum Patholinguistik 5 (pp. 31-33). Potsdam: Universitätsverlag.

    Suiter, D. M., & Leder, S. B. (2008). Clinical utility of the 3-ounce water swallow test. Dysphagia, 23, 244-250.

     


    Wie wenig Schlucken ist normal? Die Schluckfrequenz bei Gesunden in Seiten- vs. Rückenlage

    (K. Hummel, U. Frank)

     

    Zusammenfassung:  Bei der klinischen Untersuchung von Dysphagiepatienten ist die Schluckfrequenz ein wichtiger Beurteilungsparameter. Bisherige Studien lassen einen Einfluss der Körperposition und der Messmethode bei der Schluckfrequenzprüfung vermuten.  Wir untersuchten den Einfluss von Körperposition und Messmethode bei 44 gesunden Erwachsenen (22 Frauen, 22 Männer). Bei taktiler Berührung am Larynx lag die durchschnittliche Schluckfrequenz in 10 Minuten (S/10min) mit 8.5 signifikant höher als in der Bedingung ohne taktile Berührung mit 6.83 S/10min (p< 0.05, Wilcoxon-Test, zweiseitig, r = -0.42). Die Körperposition (Rückenlage vs. Seitenlage) hatte dagegen keinen signifikanten Einfluss (p= 0.212, t-Test bei gepaarten Stichproben, einseitig, r = 0.14). In Seitenlage betrug die Schluckfrequenz durchschnittlich 6.31 S/10min. In Rückenlage wurde eine durchschnittliche Frequenz von 6.75 S/10min ermittelt. Dieser Unterschied ist nicht signifikant  Außerdem zeigten sich sehr große individuelle Unterschiede, die nicht auf personenbezogene Faktoren (Alter, Geschlecht) zurückzuführen sind.

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    Der Einfluss von Körperparametern auf das Schluckvolumen bei gesunden Erwachsenen

    (S. Peiffers, U. Frank)

     

     Einleitung: Das Volumen eines Einzelschluckes weist eine hohe Variabilität auf. Anhand bisheriger Forschungsergebnisse kann diese durch einen Einfluss von individuellen Körperparametern wie Alter (Steele & van Lieshout, 2004) und Geschlecht (Adnerhill et al., 1989) erklärt werden. Weiterhin wird ein Einfluss der Körpergröße und des Mundhöhlenvolumens vermutet (Lawless et al., 2003; Alves et al., 2007). In Wasserschlucktests werden jedoch häufig standardisierte Trinkmengen verwendet, die diese Variabilität nicht widerspiegeln. Ziel dieser Studie war es, die Korrelationen zwischen dem individuellen Einzelschluckvolumen und den Körperparametern Alter, Geschlecht, Körpergröße, Body Mass Index (BMI), Mundhöhlenvolumen und Kieferöffnungsgrad bei gesunden Erwachsenen zu bestätigen und zu identifizieren. Die Ergebnisse können dazu beitragen, ein individualisiertes Wasserschluckscreening zu entwickeln, mit dem die individuelle Schluckfunktion im Rahmen der Dysphagiediagnostik zuverlässiger beurteilt werden kann. 

    Methoden: In einem experimentellen Design mit Messwiederholungen, wurden von 52 gesunden Erwachsenen 4 normale Einzelschlucke und ein Maximalschluck elizitiert, um daraus Durchschnittswerte für das jeweilige individuelle Einzelschluckvolumen zu errechnen. Der Inhalt der Becher wurde nach jedem Schluck mit einer Feinwaage (0.05 – 1000 g) gemessen und die Differenz zu 150 ml als Schluckvolumen angenommen (1g = 1 ml).  Die Probanden wurden nach Alter (Gruppe 1: 20 – 39; Gruppe 2: 40 – 59 Jahre) und Geschlecht (13 Männer, 13 Frauen je Altersgruppe) kontrolliert. Um das Mundhöhlenvolumen zu messen, sollten die Probanden so viel Wasser wie möglich in den Mund nehmen und anschließend hinunter schlucken. Der Kieferöffnungsgrad wurde mittels der Range of Motion Scale™ (TheraBite®, Atos Medical GmbH, Troisdorf) erhoben. 

    Ergebnisse: Das durchschnittliche Einzelschluckvolumen betrug 29 ml (7,9 - 70,3; SD=12,9). Da sich dieser Wert signifikant vom durchschnittlichen Maximalschluckvolumen von 48,3 ml unterschied (19 – 97,3; SD=19.1; z=-6,26, p<.001, Wilcoxon zweiseitig), konnte davon ausgegangen werden, dass die Werte für das Einzelschluckvolumen einem Schluck normaler Größe entsprachen. Die Einzelschluckvolumina zwischen den Altersgruppen unterschieden sich signifikant mit einem größeren Schluckvolumen für die älteren Probanden (Gruppe 1: M=34,1 ml, SD=14,3; Gruppe 2: M=23,9 ml, SD=9;  U=186,0, z=-2,78, p<.01, Mann-Whitney, zweiseitig). Es wurden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gefunden. Bezüglich der Körperparameter zeigten sich jeweils Zusammenhänge zwischen dem Einzelschluckvolumen und dem BMI (r(50)=.404, p<.05) und dem Mundhöhlenvolumen (r(50)=.300, p<.05). Für Körpergröße und Kieferöffnungsgrad wurden keine Korrelationen gefunden. 

    Diskussion: Durch diese Studie konnten frühere Befunde verifiziert werden, dass das normale Schluckvolumen vom Alter, dem BMI und dem Mundhöhlenvolumen abhängt. Im Gegensatz zu anderen Studien konnte kein Einfluss der Körperparameter Geschlecht und Körpergröße auf das Schluckvolumen festgestellt werden. Weitere Forschung wird notwendig sein, um Wasserschlucktests zu entwickeln, die an die körperliche Konstitution des Patienten individuell angepasst sind und somit das individuelle Trinkverhalten wiederspiegeln. Auf diese Weise könnte die Güte von Wasserschlucktests erhöht werden

    Literatur

    Adnerhill, I., Ekberg, O. & Groher, M.E. (1989). Determing Normal Bolus Size for Thin Liquids. Dysphagia, 4, 1-3.

    Alves, L.M.T., Cassiani, R.A., Santos, C.M. & Dantas, R.O. (2007). Gender Effect on the Clinical Measurement of Swallowing. Arq Gastroenterol, 44(3), 227-229.

    Lawless, H. T., Bender, S., Oman, C.&  Pelletier, C. (2003). Gender , Age , Vessel Size, Cup vs . Straw Sipping , and Sequence Effects on Sip Volume. Dysphagia, 18, 196–202.

    Steele, C. M. & Lieshout, P. H. H. M. (2004). Influence of Bolus Consistency on Lingual Behaviors in Sequential Swallowing, 19, 192–206.

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    Wasserschlucktests in der klinischen Dysphagiediagnostik. Einzelschluckvolumen als Prädiktor für die sequentielle Schluckrate?

    (W. Schindler, U. Frank)

     

    Hintergrund: In der klinischen Schluckdiagnostik werden häufig Wasserschlucktests mit steigenden Bolusvolumina verwendet (z.B. Daniels et al. 1997; Suiter & Leder 2008). Da bei Flüssigkeitsmengen ab ca. 30 ml mehrere sequentielle Schlucke erfolgen (Ertekin et al. 1996), ist das relative Risiko bei der Gabe größerer Wassermengen u.a. abhängig von der zu erwartenden sequentiellen Schluckrate für die jeweilige Wassermenge. In dieser Studie untersuchten wir, ob das mittlere Einzelschluckvolumen als Prädiktorvariable zur Vorhersage der sequentiellen Schluckrate geeignet ist.

    Methoden: In einem Repeated Measures Design wurden die folgenden Bolusvolumina bzw. Schluckraten erhoben: 4 normale Einzelschlucke (S1 – S4), 1 Maximalschluck (Smax) und die sequentielle Schluckrate (Sseq) für kontinuierliches Trinken von 150ml Leitungswasser. Zur Berechnung eines Vorhersagequotienten für die sequentielle Schluckrate wurde die Bolusmenge (150 ml) durch die durchschnittliche normale Einzelschluckmenge (MS1 – S4) geteilt. Der so errechnete Prädiktorquotient (Qprädiktor) für jeden Probanden wurde dann mit der tatsächlich beobachteten individuellen Schluckrate in Korrelations- und Regressionsanalysen verglichen.

    Ergebnisse: 53 gesunde Erwachsene (Mage= 78,26) nahmen an der Studie teil. Das mittlere Normalschluckvolumen (S1 – S4) betrug 24.11 ml, das mittlere maximale Einzelschluckvolumen betrug 36.13 ml. Der Unterschied zwischen normalen und maximalen Einzelschlucken war signifikant (Wilcoxon, p <.01). Kein signifikanter Unterschied wurde zwischen den normalen Einzelschlucken gefunden (Friedman’s ANOVA, p >.05). Es bestand eine moderate Korrelation zwischen vorhergesagter (Qprädiktor) und tatsächlicher sequentieller Schluckrate (t(51)=.603; p<.01, Kendall’s tau) . Qprädiktor erklärt 43% der Datenvarianz (R2=.438, F(1,51)=39.781, p<.001), somit ist die Vorhersagestärke moderat und der Einfluss weiterer Einflussfaktoren wahrscheinlich.

    Schlussfolgerungen: Das individuelle mittleren Einzelschluckvolumen ist ein valider Faktor für die Vorhersage der zu erwartenden sequentielle Schluckrate für 150ml Wasser. Der vorgeschlagene Prädiktorquotient kann dazu beitragen, das relative Risiko bei der Gabe größerer Wassermengen in klinischen Wasserschlucktests abzuschätzen. Der berechnete Prädiktorwert erklärt jedoch nur einen Teil der Datenvarianz. Daher tragen wahrscheinlich weitere Faktoren zur individuellen sequentiellen Schluckrate bei, die in weiteren Studien derzeit identifiziert werden.

    Literatur

    Daniels, S. K., McAdam, C. P., Brailey, K., & Foundas, A. L. (1997). Clinical assessment of swallowing and prediction of dysphagia severity. Am J Speech Lang Pathol, 6, 17-24.

    Suiter, D. M., & Leder, S. B. (2008). Clinical utility of the 3-ounce water swallow test. Dysphagia, 23, 244-250.

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