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Sprachvielfalt und Sprachwandel – An der Philosophischen Fakultät starten zwei Forschungsprojekte im Rahmen des neuen Sonderforschungsbereichs 1287

"Cɪtɪr Gurke" - "knackige" Gurken in deutsch-türkischer Sprachinnovation

Die Grenzen sprachlichen Wandels loten zwei neue Projekte an der Philosophischen Fakultät aus und verlassen dabei angestammte Forschungspfade. Sie gehören zu den 13 Teilprojekten, die dieDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1287 "Die Grenzen der Variabilität in der Sprache: Kognitive, grammatische und soziale Aspekte" künftig fördert.

"İki tane Aubergine, bitte!" So bestellt man in einer Mischung aus Türkisch und Deutsch auf einem Berliner Wochenmarkt "zwei Stück Aubergine". Was im Deutschen ungewöhnlich klingt, ist jedoch nicht regellos: Es entspricht der türkischen Grammatik. Die Integration sprachlicher Ressourcen in hochdiversen urbanen Kontexten, die die Grenzen der Variabilität ausloten, erforschen Prof. Dr. Heike Wiese (Lehrstuhl Deutsche Sprache der Gegenwart) und Ulrike Freywald vom Institut für Germanistik im Teilprojekt A01. Käufer und Verkäufer mit den verschiedensten sprachlichen Kenntnissen treffen auf diesem Markt zusammen: Unter den Ortsansässigen mischt man Berliner Dialekt, Standarddeutsch, Türkisch, Arabisch und Kurdisch, gibt gegenüber Touristen noch ein bisschen Englisch oder ein paar Brocken Spanisch dazu – und hat am Ende eine ganz spezielle Markt-Mischung.

"Die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten auf solchen Märkten beobachteten Forscherinnen und Forscher auch in Metropolen wie London, Sydney, Bangkok oder Tokio", sagt Heike Wiese. "Uns interessiert aber besonders, was selbst in einer sprachlich so bunten und innovativen Umgebung möglicherweise nicht geht: Ist wirklich alles möglich, oder befolgen die Sprecherinnen und Sprecher auch hier grammatische Regeln? Damit begibt sich unser Projekt auf ganz neues Terrain." Die Forscherinnen fragen, ob es vielleicht sogar eine eigene Marktgrammatik gibt. "Unsere Hypothese ist, dass trotz der vielen Kombinationsmöglichkeiten nicht einfach sprachliches Chaos herrscht", erklärt Ulrike Freywald. "Diese Grenzen der Variabilität wollen wir ausloten."

Grammatische Verarbeitung und syntaktischen Wandel untersucht die Germanistin Prof. Dr. Ulrike Demske (Lehrstuhl Geschichte und Variation der deutschen Sprache) zusammen mit PD Dr. Claudia Felser (Potsdam Research Institute for Multilingualism (PRIM)) im Teilprojekt A02."Es ist eine geläufige Annahme, dass die Sprachverarbeitung für den Wandel von Sprache eine wichtige Rolle spielt: Was zu schwierig zu verarbeiten ist, wird im Laufe der Zeit abgebaut", erklärt Ulrike Demske. So war im Frühneuhochdeutschen etwa noch folgender Satzbau üblich: "wo die Fischer pflegten auf dem Fischfang zu liegen". Heute würden wir dagegen die Verbform "pflegten" eher ans Satzende setzen. Ob ein solcher Wandel eine Vereinfachung für die Sprecherinnen und Sprecher bedeutet, wollen die beiden Wissenschaftlerinnen nun überprüfen.

Die Sprachwissenschaftlerinnen untersuchen zunächst anhand historischer Texte, wie sich die Syntax – also der Satzbau – des Deutschen über Jahrhunderte hinweg verändert hat. In einem experimentellen Teil wollen sie anschließend mit Sprecherinnen und Sprechern des Gegenwartsdeutschen überprüfen, ob die heute weniger gebräuchlichen Muster im Satzbau tatsächlich schwieriger zu verarbeiten sind. "Damit verknüpfen wir auf innovative Weise die historische Syntax mit der Psycholinguistik", so die Forscherinnen. "Das ist zwar in jüngerer Zeit immer häufiger eingefordert, bislang aber nicht umgesetzt worden."

Kontakt Teilprojekt A01: Prof. Dr. Heike Wiese, Institut für Germanistik / Zentrum "Sprache, Variation und Migration"
Telefon: 0331 977 4222
Email: heike.wieseuni-potsdamde

Kontakt: Ulrike Freywald, Institut für Germanistik / Zentrum "Sprache, Variation und Migration"
Telefon: 0331 977 4221
Email: freywalduni-potsdamde

Kontakt Teilprojekt A02: Prof. Dr. Ulrike Demske, Institut für Germanistik
Telefon: 0331 977 4228
Email: udemskeuni-potsdamde

Kontakt: PD Dr. Claudia Felser, Potsdam Research Institute for Multilingualism
Telefon: 0331 977 2832
Email: felseruni-potsdamde

Zu allen Teilprojekten im SFB 1287: http://www.uni-potsdam.de/sfb1287/subprojects.html

Medieninformation der Universität Potsdam zu den neuen SFB 1287 und SFB 1294: http://www.uni-potsdam.de/presse/nachrichten-veranstaltungen/medienmitteilungen/detail-latest/article/2017-05-26-exzellente-forschung-gestaerkt-uni-potsdam-erhaelt-zwei-sonderforschungsbereiche.html

Medieninformation der DFG: http://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2017/pressemitteilung_nr_16

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