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Monographien: Rezensionen

Zimzum. Gott und Weltursprung, Berlin 2014.


Die jüdische Aufklärung. Philosophie, Religion, Geschichte, München: C. H. Beck 2002, 279 S.

Aus der Begründung der Jury für den Gleim-Literaturpreis 2003

In seinem Buch gibt Schulte einen beeindruckenden Gesamtüberblick über eine bedeutende Strömung der Aufklärungsbewegung, wobei er sich aus überzeugenden Gründen auf die jüdische Aufklärung in Preußen beschränkt. Er betrachtet die jüdischen Aufklärer, die Maskilim, nicht als Teil der deutschen Aufklärung, sondern als Repräsentanten einer relativ eigenständigen jüdischen Aufklärungsbewegung, der Haskala. Aufklärung als gesamteuropäische Geistesbewegung erhält so eine neue, sehr wesentliche Facette. Unter den Arbeiten zur Geschichte der europäischen Aufklärung darf Schultes Buch als einer der wichtigsten Beiträge der letzten Jahre gelten.
Gestützt auf die souveräne Kenntnis eines umfangreichen, zum Teil schwer zugänglichen Quellenmaterials sowie auf jahrelange eigene Forschungen, entfaltet Schulte ein großes Panorama der jüdischen Aufklärung, die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts von Berlin aus über große Teile Europas verbreitete. In überaus prägnanter Weise arbeitet er die entscheidenden Charakteristika der Haskala heraus. Er markiert ihren Stellenwert im Kontext der deutschen und europäischen Aufklärungsbewegung, bezeichnet Gemeinsamkeiten, vor allem aber auch Unterschiede und Besonderheiten. [...]
Schultes Buch beeindruckt durch einen methodisch souveränen Umgang auch mit sehr komplizierten Quellen und durch das Vermögen, den schwierigen Gegenstand klar zu strukturieren. Auf geschickte Weise kombiniert er die systematische Gliederung seines Stoffes mit der Analyse von Entwicklungstendenzen – etwa zum sich wandelnden Verhältnis der jüdischen Aufklärer zu den religiösen Grundtexten, zu ihrem Geschichtskonzept und zur politischen Philosophie oder zur zentralen Bedeutung der Kantischen Philosophie für die Ausprägung und Entwicklung der jüdischen Aufklärung. Gewissermaßen zwischendurch entwirft Schulte mit manchmal nur wenigen Strichen einprägsame intellektuelle Profile der jüdischen Aufklärer [...]. Das Buch zeichnet sich durch klare, präzise Formulierungen aus. Wissenschaftsjargon gleich welcher Herkunft und Schule ist ihm fremd. Auch und gerade solche Leser, die nicht auf die Geschichte des Judentums und der jüdischen Aufklärung spezialisiert sind, werden Schultes Buch mit größtem Gewinn lesen. Es erweitert unser Bild vom Jahrhundert der Aufklärung um eine ganze, entscheidende Dimension. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass das Buch binnen kurzer Zeit zu einem Standard- und Referenzwerk der künftigen Aufklärungsforschung werden wird.

Rezensionen

  • Eine auch dem breiteren Publikum zugängliche Überblicksdarstellung, gerade in deutscher Sprache, war ein Desiderat. Christoph Schulte schließt nun diese Lücke. Er beschränkt sich keineswegs darauf, den Forschungsstand zusammenzufassen, sondern setzt eigene Akzente. Der Band ist übersichtlich strukturiert, die beiden ersten Drittel ansprechend, beinahe elegant komponiert. [...] Bevor er das Panorama der Akteure, Themen und Problemlagen der jüdischen Aufklärung entfaltet, arbeitet Schulte in einer Standortbestimmung der Haskala strukturelle Charakteristika heraus. Im Vergleich zur deutschen, englischen und französischen Aufklärung sieht er die Haskala als eine nachgeholte, späte Aufklärung. Damit eng verbunden war sie eine beschleunigte, kurze und darum radikale Aufklärung. Sie war vielstimmig aufgrund ihrer nichtjüdischen und jüdischen Vorbilder, ihres uneinheitlichen Verhältnisses zur rabbinischen Tradition des Judentums und ihrer Dualität als Bewegung, die sowohl auf universale Aufklärung als auch speziell auf die Aufklärung der Juden abzielte. Die Haskala war somit Minoritätenaufklärung. (Stephan Wendehorst, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.5.2002)
  • Die Epoche der europäischen Aufklärung dauerte etwa von 1680 bis 1800; die jüdische Aufklärung, die Haskala, konzentrierte sich auf die Jahre zwischen 1767, dem Erscheinungsdatum von Mendelssohns „Phaedon“ und 1792, dem Erscheinen von Salomon Maimons autobiographischer Lebensgeschichte. Sie fand vornehmlich in Berlin statt, betraf aber die gesamte europäische Judenheit. Die Umbrüche, die in der europäischen Geistesgeschichte 120 Jahre dauerten, wurden auf 25 Jahre zusammengepresst, es war ein beispielloser und schmerzlicher Prozeß. [...] Die wichtigsten Topoi der jüdischen Religion wurden in der Haskala diskreditiert: Moses verlor seinen Anspruch als Sprecher Gottes, der durch ihn das Gesetz gegeben hatte. Die Thora wurde vielmehr, sofern sie überhaupt noch anerkannt wurde, mit der Natürlichen Religion identifiziert. Der Talmud, der den jüdischen Unterricht monopolisiert hatte, verlor zunächst diesen Anspruch; im Verlauf der Debatte wurde das rabbinische Judentum, das mit dem Unterricht des Talmud untrennbar verbunden ist, selbst zum Objekt der Kritik. [...] Christoph Schulte hat ein hochinteressantes Buch geschrieben; nicht nur fasst es zum ersten Mal umfassend die Bewegung der jüdischen Aufklärung gelehrt, mit vielen biographischen Daten, mit ausführlicher Bibliographie und Begriffsverzeichnis zusammen. Viel interessanter ist, das der Stoff, den der Autor eigentlich brav und aufklärungsapologetisch darlegen wollte, sich ihm unter der Hand radikalisiert. Am Ende flackert das Doppelgesicht der Aufklärung auf: Trostreich und destruktiv zugleich. Weil diese Dimension deutlich wird, ist Christoph Schulte ein lesenswertes, ein gutes Buch gelungen. (Wilhelm Schmidt-Biggemann, Süddeutsche Zeitung, 16.7.2002; Wiederabdruck: Mitteilungsblatt des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, 17. Jg./Nr. 89, September 2002)
  • De Joden van de Haskala wilden het isolement dat hun was opgelegd en dat door de eigen religieuze autoriteiten veelal wird toegejuicht, doorbreken den volop deelnemen aan het Europese culturele leven. En met succes, want de bevruchting vanuit het jodendom heeft op de Europese cultuur en wetenschappen een geweldige uitwerking gehad. Maar daarvoor moest heel wat strijd worden geleverd, niet alleen tegen de niet-joodse wereld, vervuld van vooroordelen, maar ook tegen de grote groep van de joodse traditie en identiteit. Aan al deze aspecten wordt in dit boek aandacht besteed, waarbij het ontstaan van het chassidisme en joodse orthodoxie zeker niet wordt vergeten. (KS, De Stem van het Boek, 13. Jg.2002, Nr. 2)
  • Diejenigen Länder, die Juden emanzipierten, waren weniger bereit, sie als eine getrennte autonome Gruppe zu dulden. Je heftiger die Emanzipationsdebatte geführt wurde, desto mehr stieg der Druck, das Judentum aufzuklären. Die Radikalisierung der „Haskala“ spiegelt diese Dialektik zwischen dem wachsenden Druck der Mehrheitsgesellschaft und der wachsenden Anpassung der jüdischen Minderheit wider.
    Allerdings, so betont Schulte, blieb trotz dieser Spannung und der mit ihr verbundenen Radikalität die „Haskala“ immer eine jüdische Bewegung. Die „Haskala“ versuchte zwar, die Juden als Menschen aufzuklären. Sie wollte aber nie, dass die Juden ihre spezifisch jüdische Identität aufgäben. [...] Durch das ganze Buch wird immer wieder auf den zweifältigen Charakter der „Haskala“ hingewiesen. Auf der einen Seite zeigt der Autor, wie jüdisch die zentralen Fragen der jüdischen Aufklärung waren: erwünschte Sprache für die Juden, die Rolle des Talmud oder die Einstellung dem jüdischen Mystizismus (Kabbala) gegenüber. Auf der anderen Seite stellt er deutlich dar, wie pluralistisch die „Haskala“ hinsichtlich dieser Fragen war. Hier nimmt Schulte eine Position ein, die im Gegensatz zu der herrschenden Forschungsmeinung steht. Diese betrachtet die „Haskala“ oft als eine einheitliche Bewegung. Diese Ansicht wird bei Schulte aber differenziert und das Buch zeigt ein breites Spektrum von Meinungen u.a. gegenüber dem jüdischen Mystizismus oder dem Talmud. (Eli Bar-Chen, www.H-Soz-u-Kult, 22.7.2002)
  • Jetzt legt Schulte eine Monographie zur „Haskala“ vor, die sich zu ihrem Vorteil von der früheren zeitlichen Beschränkung entfernt hat. Äußerst kenntnisreich, weil stets an Quellenorientiert, und mit genauem Blick auf die Argumente der „Maskilim�, der jüdischen Aufklärer also, gerichtet, schreibt Schulte eine gelehrte Problemgeschichte, die ihren Platz neben den Standardwerken von Michael A. Meyer und Shmuel Feiner wird behaupten können. [...] Leider fehlt in diesem engagierten Buch die Rezeptionsgeschichte der Aufklärung. Gerade im innerjüdischen Diskurs, etwa in der Weimarer Republik, sah man die Gefahr einer aus der Haskala hervorgehenden Bindungslosigkeit. Der Rabbiner und Philosoph Albert Lewkowitz hat das in seinen Studien von 1924 und 1929 klar ausgesprochen. Doch das schmälert die Leistung von Schulte nur unwesentlich. Wichtiger ist sein Mut, das Buch in den Kontext seiner eigenen Lebensumwelt gestellt zu haben. In Kreuzberg sei das Buch über die „Außenseiter der Außenseiter“ (Hans Mayer) entstanden. Dort zeige sich die Kontinuität der Probleme, mit denen schon die jüdischen Aufklärer kämpften: Leitkulturdemagogen, die die Selbstaufgabe der Minderheit fordern auf der einen Seite, und falsch verstandene Orthodoxie auf der anderen. (Thomas Meyer, www.hagalil.com, 19.9.2002)
  • Die "Haskala", die dem Wortstamm nach auf das hebräische „Sekhel“ (Verstand) Bezug nimmt, folgte - wie Christoph Schulte in einer luziden Untersuchung zeigen kann – einem doppelten Programm, dessen zwei zunächst parallel verlaufende Zielsetzungen später miteinander in Konflikt geraten sollten: Den „Maskilim“ – das heißt den der „Haskala“ verpflichteten Publizisten und Gelehrten – ging es einerseits um die Aufklärung der Juden als Menschen und andererseits um die Erneuerung der Juden als Juden. Während das Programm einer Aufklärung der Juden als Menschen diese zu gleichwertigen und gleichberechtigten Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft bilden sollte, ging es einer Aufklärung der Juden als Juden um ein neues, zeitgemäßes theologisch-religiöses Selbstverständnis. In beiden Fällen war eine neue Stellungnahme zum bis dato mittelalterlichen, religiöse und rechtliche Wertsphären nicht trennenden Religionsgesetz zu gewinnen: So war erstens zu erweisen, das die Weisungen des Glaubens nicht mit den üblichen staatsbürgerlichen Pflichten in Konflikt geraten konnten, und zweitens darzutun, das die Kontinuität verbürgenden Lebensregeln nicht im Widerstreite mit der Vernunft liegen.
    [...] Dieser Dialektik entsprechen, wie Schulte in lebendigen geistesgeschichtlichen Vignetten und Porträts der führenden Maskilim, der Friedländer, Wessely, Herz und Euchel, der Bendavid , Ascher und Hirschfeld und last but not least Salomon Maimons – zeigt, zahllose Kämpfe und Lebensentwürfe: Sie galten der Erneuerung der hebräischen Sprache, der historischen Kritik, neuen Formen der Gottesdienste, einer wissenschaftlichen Erforschung des Judentums und der Neugründung eines jüdischen Schulwesens. Der sorgfältige Blick, den Schulte auf die vielfältigen, in der deutschen Kulturgeschichte bisher viel zu wenig gewürdigten Personen wirft, zeigt freilich auch, dass die in letzter Zeit zu lesende Behauptung falsch ist, der Antijudaismus etwa protestantischer Theologen des 19. Jahrhunderts unterscheide sich in nichts von den kritischen Einstellungen der Maskilim zu Talmud und Kabbala. (Micha Brumlik, Neue Zürcher Zeitung, 16./17.11.2002)
  • Schaut man sich indes die einschlägige Forschung näher an, so stellt man sehr bald fest, dass die Kenntnis der – übrigens meist nicht definierten – Haskala sich zumeist auf die Kenntnis von Leben und Werk Moses Mendelssohns beschränkt. [...] Die hier vorliegende Monographie nimmt einen umfassenderen Blickwinkel ein, indem sie sich nicht nur um eine begriffliche Klarstellung und Abgrenzung bemüht, sondern eine große Anzahl weiterer Akteure neben Mendelssohn ins Blickfeld rückt, vor allem aber differenzierende Urteile fällt. Dies gilt auch und gerade für die Stellung der Aufklärer zu Erscheinungen wie der Kabbalistik und dem Chassidismus - tiefgreifende geistige und soziale Bewegungen, von denen die Maskilim zu einem Teil geprägt waren und deren Zurückweisung nicht so absolut und kompromisslos war, wie man in der Forschung gemeinhin annahm. [...] Schulte geht sein Thema sehr überlegt und systematisch an. Er verbindet eine Vorstellung der Akteure mit einer Charakterisierung und Analyse ihrer jeweiligen Beiträge zur Entfaltung des Aufklärungsgedankens. Bisher noch nicht in dieser Deutlichkeit erkannt wurde, dass die zweite Generation der Maskilim nach Mendelssohn [...] auf der Philosophie Immanuel Kants basierten und Mendelssohn damit weit hinter sich ließen. (J. Friedrich Battenberg, Archiv für hessische Geschichte, 60 (2002))
  • Wie der christliche Diskurs der deutschen Pastorenaufklärung, so ist auch der jüdische Gegendiskurs religionsnah und �freundlich; er geht, besonders in einem Berlin ohne Ghetto, mit gesellschaftlicher Modernisierung einher, allerdings auch mit dem innerjüdischen Konflikt der Eliten von Aufklärern und Rabbinern. [...] Schulte hat eine didaktisch vorzügliche Einführung vorgelegt. Die thematische Gliederung gibt auch den Trägern der Haskala in verschiedenen Perspektiven mehr Relief, als es einer rein diachronen oder biographisch orientierten Darstellung möglich gewesen wäre. Dabei stellt sich auch der spezifisch deutsche Kontext der Haskala als ihr eigentlicher Subtext her, so dass allenfalls die Frage nach der europäischen Dimension der Haskala bzw. nach den ihr verwandten Bewegungen offen bleibt. (P. Hofmann, Theologie und Philosophie, 4 (2002))
  • Christoph Schulte [...] offers with his most recent book an excellent and eminently readable overview of the origins of the Haskalah in eighteenth-century Germany. Schulte’s goal is to offer an intellectual history of the Jewish Enlightenment that is richer, more complex, and more heterogeneous than what one often finds in the literature, and he succeeds brilliantly at this task. He surveys key Hebrew and German works of a diverse group of figures, considering the writings of Saul Ascher, Lazarus Bendavid, Jacob Emden, Isaak Euchel, David Friedländer, Markus Herz, Moses Hirschel, Ephraim Joseph Hirschfeld, Salomon Maimon, Moses Mendelssohn, Isaak Satanow, Naftali Hartwig Wessely, Leopold Zunz, and many others. Casting the Haskalah as a belated „minority Enlightenment“ that took European Enlightenment as its model, he both identifies the common concerns brought about by Judaism’s encounter wih modernity and lays out with exceptional clarity the diverse modes of responding to these concerns. (Jonathan Hess, Shofar, vol. 22, no. 1 (2003))
  • Voici la synthèse qu’on attendait sur les lumières juives, la Haskalah. L’auteur a réussi le tour de force non seulement de présenter cette période de manière claire et érudite, mais encore de montrer toute la richesse des enjeux de la sortie du ghetto pour les juifs allemands, alors que trop souvent la recherche se limite à Mendelssohn. Schulte offre une vision d’ensemble de tous les auteurs qui gravitèrent de près ou de loin autour du philosophe juif de Berlin. Certains sont des philosophes, d’autres des journalistes; certains écrivent en allemand, d’autres en hébreu et souvent dans les deux langues. Outre leurs oeuvres parfois très importantes et originales, on pense à Maimon, ils créent journaux et sociétés afin de diffuser un message dans deux directions, à l’intérieur de la communaut�© et vers la culture allemande. [...] Servi par une érudition impeccable, une bibliographie fournie et un véritable talent d’écriture, son petit ouvrage intéressera un large public et mériterait une traduction française. (Dominique Bourel, Dix-Huitième Siècle, 35 (2003))
  • Im abschließenden Kapitel werden die zwei bekanntesten Maskilim einem Vergleich unterzogen, wobei Mendelssohn als ‚jüdischer Sokrates’ und Maimon als ‚jüdischer Diogenes’ vorgestellt wird. Gerade diese beiden verkörperten die Bandbreite der Haskala in fast idealtypischer Weise. So war Mendelssohn der auf Integration nach jüdischer und christlicher Seite hin bedachte Philosoph, Maimon hingegen der radikale Außenseiter und das enfant terrible der Haskala. Trotzdem waren beide Existenzweisen möglich, wie Schulte plausibel darlegen kann, wenn auch der Weg Mendelssohns der historisch erfolgreichere war, denn er ebnete den Weg für den Akkulturationsprozeß der jüdischen Bevölkerung, der sich fast über das ganze 19. Jahrhundert hinzog. (Steffen Maisch, Informationen für den Geschichts- und  Gemeinschaftskundelehrer, Heft 65, 2003)
  • Den jødiske oplysningsbevægelse banede vejen for en social, kulturel opblomstring i den tyske jødedom – som forf. begrænser sig til i denne fremstilling – som endte i 1933. Bogens disposition medører, at der af og til forekommer unødige gentagelser, menden er rig på nyttige detailoplysninger om bøger og tidsskrifter, personer og bevægelser, og den er i det hele taget er fin indføring i den jødiske oplysningsbevægelse. (Martin Schwarz Lausten, Dansk Teologisk Tidsskrift 1/2004)
  • Tatsächlich hat die Forschung der letzten Jahre das überkommene Bild der Haskala in Frage gestellt und besonders deren Zweisprachigkeit betont: Denn ohne die innerjüdischen, zum größten Teil auf Hebräisch geführten Auseinandersetzungen kann man das Gesamtphänomen der jüdischen Aufklärung nicht verstehen.
    Schulte erhebt den Anspruch, diese Forschungen zusammenzufassen und ein neues Bild der Haskala zu präsentieren, und er erhebt diesen Anspruch zu Recht. Wie Schulte einleitend betont, handelt es sich hier nicht einfach um den jüdischen Zweig der allgemeinen Aufklärung. Die Haskala hat eine eigene ‚Dialektik der Aufklärung’, nämlich die von Universalität und Partikularität: Auf der einen Seite, als Aufklärer, sprechen die Maskilim, die Vertreter der jüdischen Aufklärung, als Menschen im universalistischen Diskurs der Vernunft, auf der anderen Seite wollen sie Juden bleiben. Tatsächlich ist die Haskala die erste Aufklärung einer Minorität, sie zeigt damit auch, dass die europäische Aufklärung heimlich hegemonial ist: eine Aufklärung der bürgerlichen, christlichen und männlichen Europäer. Die jüdischen Aufklärer stellen diese Hegemonie in Frage, wenn sie gerade als Juden Aufklärung und Menschentum in Anspruch nehmen. [...]
    Schultes Buch wird durch seine neue Sichtweise, durch seine kluge Auswahl und den dichten Zusammenhang seiner Argumente zu einem Standardwerk werden, das noch dazu durch leserfreundliche Lebendigkeit und Übersichtlichkeit besticht. (Daniel Weidner, Weimarer Beiträge, Jg. 50, 1/2004)
  • Weitere Rezensionen:
    Gnostika, Juni 2002; ekz-Informationsdienst 7/2002; Gemeindezeitung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Juli 2002; Tijdschrift voor Geschiedenis, vol. 116 (2003); Aleph, No. 3 (2003); Main-Echo, 14.5.2004; Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 52 (2004), Nr. 3.

Psychopathologie des Fin de siècle. Der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau. Frankfurt/M. 1997

  • Christoph Schulte hat dieser ebenso gewichtigen wie schillernden Persönlichkeit eine bei aller intellektuellen Distanz einfühlsame Biographie gewidmet, die aus einer Potsdamer Habilitationsschrift hervorging – übrigens die erste Nordau-Biographie in deutscher Sprache mit dem Anspruch einer dokumentarischen Zuverlässigkeit, die sich auf jahrelange Recherchen in Jerusalem und Paris berufen kann. Methodisch ist die Biographie einerseits einer kritischen Hermeneutik mit „Anleihen bei der Literatur- und Sozialgeschichte“ verpflichtet, andererseits Foucaults Diskursanalyse, mittels derer sich Nordaus Werk als Strategie entziffern lässt, „die Diskursmacht des darwinistischen und positivistischen Wissenschaftsparadigmas [...] gegenüber dem Autonomieanspruch der Künste im Fin de siècle und gegenüber jeglicher Kritik des Fortschrittsoptimismus’ durchzusetzen und zu bewahren“. (Hans Otto Horch, Aschkenas 7,2 (1997))
  • Max Nordau, geboren in Pest im Jahre 1849, gestorben in Paris im Jahre 1923, war vor dem Ersten Weltkrieg einer der bekanntesten und umstrittensten Schriftsteller Europas. [...] In den letzten beiden Jahrzehnten hat es eine Nordau-Renaissance in bescheidenem Rahmen gegeben, seine beiden wichtigsten Bücher sind heute wieder in englischer Sprache erhältlich, in Frankreich ist ein Sammelband über sein Werk erschienen, lediglich der deutsche Leser wird sich vergeblich bemühen, Neuausgaben von Nordaus Schriften zu finden. Unter diesen Umständen ist das Erscheinen einer ausführlichen Biographie zu begrüßen, deren Verfasser mit Akribie und Einfühlungsvermögen dem Leben und Werk von Nordau nachgegangen ist und manches entdeckt hat, das bisher unbekannt war. [...] Über Schultes Biographie lässt sich nur Gutes berichten. (Walter Laqueur, Europäische Rundschau, 26 (1998) Heft 3)
  • In der – so sein Biograph Christoph Schulte – Pose des positivistischen Großinquisitors der europäischen Kultur konnte Nordau seinen Rundumschlag gegen die künstlerische Avantgarde von einem prominenten Platz aus austeilen: Zwischen 1895 und 1914 hat er jährlich bis zu 25 Feuilletons in der „Neuen Freien Presse“ publiziert. Unsensibel gegenüber dem kritisierten Material, unbeeindruckt von Veränderungen, seine tiefsitzende Kunstferne mit medizinischen Floskeln tarnend, beeindruckte der - so Karl Kraus – „cholerische Herr aus Budapest“ das Publikum mit der medizinisch untermauerten Treffsicherheit seiner Diagnosen. Nordaus pathologisierende Kulturkritik ist uns heute sehr fern und Schulte versucht gar nicht, uns Nordau sympathisch zu machen. Seine gelungene Biographie gerät ihm zum Anlaß, ein wichtiges Kapitel der europäischen Geistesgeschichte an einem exemplarischen Fall darzustellen. Schulte beschreibt einen gesamteuropäischen Kampf um die Hegemonie im Diskurs, auf der einen Seite die auf ihre Autonomie pochenden Künste, auf der anderen Seite die mit den Institutionen von Fortschritt, Wahrheit und Moral verbundene (Natur-) Wissenschaft. Für Nordau begann die Dekadenz dort, wo der Goethe des Schulunterrichts aufhörte. (Alfred Pfabigan, Die Presse / Spectrum, 11./12./13.4.1998)
  • Nordaus Animosität gegen die ganze literarische Moderne des 19. Jahrhunderts ist von einer erstaunlichen Masslosigkeit. Die Borniertheit seiner biologistisch-utilitaristischen Kulturkritik springt ebenso ins Auge wie die Gefährlichkeit seiner sozialdarwinistischen Weltanschauung, die jede Abweichung von einer vermeintlich natürlichen Norm für krank und lebensunwert erachtet. Eine Ähnlichkeit zwischen solcher Diskriminierung alles Andersartigen und den Ideen der Nationalsozialisten ist unbestreitbar, obwohl Nordau - wie Schulte differenziert darlegt – selbstverständlich keine direkte Verantwortung für deren Untaten trägt, die erst durch das Zusammentreffen vieler verschiedener gedanklicher und historischer Fakten ermöglicht wurde. (Ladislaus Löb, Neue Zürcher Zeitung, 26.4.1998)
  • Der erste und längst vergessene Autor, der Kunst und Schrifttum einer pathologisierenden Kritik unterwarf, war der Arzt, Publizist und spätere Zionist Max Nordau. Die schillernde Persönlichkeit Nordaus wird in der fundiert recherchierten Biographie von Christoph Schulte nicht nur neu vorgestellt, sondern im wahrsten Sinne des Wortes intellektuell durchdrungen. [...] Einen Skandalerfolg erzielte Nordau mit „Entartung“ aus den Jahren 1892/93. Hier klassifizierte er fast die gesamte Kunst und Literatur des Fin de siècle als therapiebedürftig. [...] Es ist zwar sicher unzulässig, wie Schulte zu Recht betont, Nordau in einen „Topf“ mit den Vordenkern der NS-Ideologie zu werfen, denn er war als Jude, Zionist und Kritiker von Nazi-Ikonen wie Nietzsche und Wagner ohnehin nicht zitierfähig. Doch verdeutlicht gerade die Biographie Nordaus die Unfähigkeit einer rationalistischen Kulturkritik, sich wirksam gegen eine ideologische Vereinnahmung abzugrenzen. Nordaus Begriff der „Entartung“ wurde so Opfer seiner eigenen Dialektik. (Bernhard Vogt, Rheinischer Merkur, August 1998)
  • Um sich auch identitätsmäßig vom Judentum zu lösen, verdeutschte er seinen Namen, indem er ihn auf den Kopf stellte. Statt Simcha Südfeld nannte er sich ab 1873 offiziell Max Nordau[...]. Neben Theodor Herzl war Nordau einer der wichtigsten Gründer der zionistischen Bewegung. Doch Max Nordau war nicht nur zionistischer Aktivist, sondern vor allem auch ein angesehener Kulturkritiker, ein prominenter Publizist und ein praktizierender Arzt. [...] In einer ausführlichen Biographie schildert Christoph Schulte das faszinierende Leben und das reiche Werk Nordaus – beide voller Brüche und Widersprüche. Er zeigt, wie Simcha Südfeld nie ganz Max Nordau loswerden konnte, wie umgekehrt Max Nordau sich nie vollkommen von Simcha Südfeld zu lösen vermochte. (Pierre Heumann, Israelitisches Wochenblatt, Nr. 38, 18.10.1998)
  • In der französischen Hauptstadt stieg der Auslandskorrespondent und Buchautor schnell zu einem bedeutenden Intellektuellen empor, dessen Werke vornehmlich in Deutschland erschienen, aber in viele Sprachen übersetzt wurden. In skandalträchtigen Schriften [...] geißelte er die Kultur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, nichts weniger als die ‚moralische Degeneration’ der Zivilisation selbst war sein Thema. Ausführlich analysiert Christoph Schulte diese „Generalabrechnung“ Nordaus mit so unterschiedlichen Künstlern und Literaten wie Nietzsche, Zola, Wagner, Tolstoi oder Wilde, sie alle sind Objekte einer pathologisierenden Kulturkritik, welche die vermeintliche ‚Dekadenz’ der Epoche anprangert.  (Christian Scholz, Sachor 9 (1999))
  • Weitere Rezension in: Israel Nachrichten, 17.10.1997; The Jewish Quarterly, spring 1998; Falter, Wien, 3.-9.4.1998;

radikal böse. Die Karriere des Bösen von Kant bis Nietzsche

  • Es war Immanuel Kant, der Philosoph der radikalen Aufklärung, mit dem die philosophische Revolution der Theorien des Bösen begann. Kants Abhandlung „Über das radikale Böse in der menschlichen Natur“ von 1792, die dann als erstes Stück in der „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ noch einmal gedruckt wurde, verlegt – und dies wird für die Moderne richtungsweisend – das Böse ganz und gar in die menschliche Natur, womit freilich nicht ein biologisches Verständnis gemeint ist, sondern ein unerschütterliches Merkmal der Gesinnung. Diese Subjektivierung des Bösen, so Schulte, ist der Preis für den aufklärerischen Abschied von außermenschlichen bösen Mächten. [...] Allemal, darauf insistiert Schulte, ist das Böse in der Moderne eine Möglichkeit menschlicher Vernunft, zu der sie sich verhalten muß, und nicht – wie es in der Tradition häufig als selbstverständlich galt, den verführerischen Kräften der Sinnlichkeit zuzuschreiben, die den Verstand schwächen. (Rainer Hank, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.5.1989)
  • Das „radikale Böse“ meint, im Wortsinn, das Böse an der Wurzel: in der Gesinnung des Subjekts selbst. Das Böse muß dem Gebrauch der Freiheit des Menschen zuzurechnen sein, denn sonst macht es für Kant keinen Sinn, moralisch vom Guten und Bösen zu sprechen. Diesen skandalösen Moment in der Geschichte des Denkens des Bösen arbeitet Schulte sorgfältig heraus. Kant erscheint nun endlich als derjenige, der an der Schwelle zur Moderne die Freiheit des Menschen wirklich ernst nimmt und auf dieser Grundlage eine mögliche Moral entwirft. In seinem hervorragend gearbeiteten Buch skizziert Schulte überdies auch einige Grundzüge zu einer Begriffsgeschichte des Bösen im abendländischen Denken, wobei natürlich von Paulus und Augustinus, vor allem aber von der Diskussion um die Theodizee die Rede sein muß und von der Frage, ob der Mensch von Natur aus gut oder böse sei. (Wilhelm Schmid, Süddeutsche Zeitung, 30.6.1989)
  • „Der Mensch ist böse, so sprachen mir zum Trost alle Weisesten. Ach, wenn es heute nur noch wahr ist; das Böse ist des Menschen beste Kraft.“ – Soweit Nietzsche, der in der Spannbreite der modernen philosophischen Theorien über das Böse, die mit Kant beginnen, am Ende des Buches „radikal böse. Die Karriere des Bösen von Kant bis Nietzsche“ von Christoph Schulte zitiert wird. Kant war der erste gewesen, der das traditionelle Verhältnis eines Primats der Metaphysik gegenüber der Ethik verändert hatte. Nun wird die praktische Philosophie zur Basis der Religion, und allein die Vernunftreligion bleibt philosophisch relevant, wobei das Moralisch-Praktische zu ihrem wesentlichen Kern wird. In seiner Abhandlung über das radikal Böse geht es ihm in erster Linie um das moralisch Böse, das seinen Ursprung in einer Annahme von Maximen, also in einem bewussten Akt hat. Damit ist gesetzt, dass die Annahme von „gut“ oder „böse“ allein einen Konflikt innerhalb der Vernunft darstellt. Ausserdem wendet sich Kant gegen die christliche Erbsünde. [...] Schultes Arbeit gibt einen gut recherchierten und sachlichen Überblick über die moderne Philosophie.“(Jutta Georg-Lauer, Neue Zürcher Zeitung, 7.10.1989)
  • Kant hat das moderne Verständnis des Bösen begründet und dabei alle theoretisch-dogmatischen Theodizeeversuche abgewiesen [...] In seinen klaren, durch gründliche Sachkenntnis und große Gelehrsamkeit fundierten Untersuchungen zeigt Schulte, inwiefern die kantische Philosophie ihrem eigenen Anspruch in der Gestaltung der Doktrin auch noch unangemessen geblieben ist und so, beginnend mit dem Deutschen Idealismus, Weisen der philosophischen Reflexion hervorgebracht hat, in denen die Bemühung um die Fortentwicklung der kantischen Lehre doch auch mit einem, von Verfasser zu Verfasser unterschiedlichen, Maß an geistigem Rückschritt hinter die Position der Kantischen Reflexion mit ihrer Ablehnung alles theoretisch-metaphysischen Dogmatismus verbunden war. [...] Insgesamt handelt es sich bei ‚radikal böse’ um ein Werk, bei dem sich das wohlfundierte kritische Urteil in der kompetenten und klaren Darstellung der Problematik und in der Sicherheit der Interpretation zeigt und das daher besonders geeignet ist, eine authentische Einführung in die Eigenart der Gestaltung und Fortentwicklung der transzendentalen moralphilosophischen Reflexion zu geben. (Lutz Baumann, Philosophischer Literaturanzeiger, 43 (1990))
  • Dabei gehört es wohl zu den Paradoxien unseres Zeitalters, das nicht nur einige Theologen (oder doch Exegeten wie H. Haag) vom „Teufel Abschied nehmen“ und „vor dem Bösen ratlos“ bleiben, sondern dass diese Tatsache zeitgenössischen Philosophen seltsam vorkommt. So jedenfalls bemerkt es Christoph Schulte in seinem Werk zur „Karriere des Bösen von Kant bis Nietzsche“: radikal böse, das sich fast wie eine Abschiedsgeschichte von der Aufklärungsillusion des Abschieds vom Teufel liest. Zwar hatte schon Kant als Reaktion auf Kritiken an seinem Autonomiebegriff der praktischen Vernunft in einer Schrift zum „Radikal Bösen“ die Rousseausche Idee des von Natur aus guten Menschen (sehr zum Ärger von Goethe) nicht einfach weitergeführt. Aber er hat das Böse doch ausschließlich in das menschliche Subjekt verlegt und es damit so aus der Welt verbannt, dass es seither – ausser und gerade in der Kunst – einen Konsens über das Böse nicht mehr gibt – selbst nicht nach Auschwitz.(Schweizerische Kirchenzeitung, Nr. 25 / 1991)
  • Wie zu sehen ist, kann man ‚im guten’ wie ‚im bösen’ von Schultes Studie lernen. Sie wirft über ihre problematische Kant-Exegese hinaus die Frage nach einer begrifflichen Erweiterung des Kantischen Rahmens der Moralphilosophie um die Kategorien des mundan und des banal Bösen, auf. Die Notwendigkeit einer Moral- und politischen Theorie unter den Bedingungen eines Zeitalters der Diktaturen und Massendemokratien ins Licht gerückt zu haben, halte ich für Schultes größtes Verdienst. (Reiner Wimmer, Philosophische Rundschau, 39 (1992))
  • Dreh- und Angelpunkt der Geschichte der Karriere des Bösen, die Christoph Schulte vorgelegt hat, ist Kant, wenngleich Schulte damit den Anspruch verbindet, über Baader, Schelling, Hegel und Kierkegaard bis hin zu Nietzsche einen zur neuzeitlichen Theodizee alternativen Diskurs zu vergegenwärtigen. Ein Alternativprogramm beschreibt dieser Diskurs nach Schulte, sofern er die „Metaphysik als Fundament religiöser Wahrheit“ verabschiedet und „durch die Ethik“ ersetzt, eine „epochemachende Veränderung der Stellung der Philosophie zur Religion“. Aus dieser Veränderung lässt sich eine rein autonome Bestimmung der Religion als Moral ableiten. Ihre zwangsläufigen Ergebnisse sind absolute Willensdominanz und Subjektivierung des Bösen. [...] Schulte gibt nicht vor, dort eine Lösung zu haben, wo keine Lösung möglich ist. Dieser Verzicht darf nicht als Resignation missverstanden werden. Vielmehr trägt Schulte jener Komplexität Rechnung, die jeder der unterschiedlichen, hier kritisch diskutierten und referierten Ansätze auf seine je eigene Weise ins Bewusstsein zu heben versuchte. (Carl-Friedrich Geyer, Zeitschrift für philosophische Forschung, 46 (1992))
  • Nur wenn Freiheit und Sittlichkeit nicht synonyme Begriffe sind, können unsittliche, mithin böse Handlungen ihren Urheberinnen und Urhebern auch zugeschrieben werden. [...] Christoph Schulte ist sich des hier in wenigen Sätzen Angedeuteten in hohem Maße bewusst. Seine bemerkenswerte Dissertation, souverän im Überblick übers Ganze wie im Zugriff aufs Detail, entfaltet jene Problematik freilich nicht in der Absicht, eine stichhaltigere Deduktion des Sittengesetzes zu liefern. Es ist ihm zuletzt um eine Theorie des Bösen zu tun, nicht um eine der moralischen Autonomie. In einer Nachschrift verdeutlicht er die Motive, die ihn bewogen haben, nicht allein Kants Auffassung vom radikal Bösen sorgfältig und mit Sinn für die Untiefen Kantischer Texte zu rekonstruieren, sondern auch die nachkantische Wirkungsgeschichte des (Begriffs vom) radikal Bösen von Baader über Schelling, Hegel und Kierkegaard bis zu Nietzsche zu verfolgen. (Uwe Justus Wenzel, Kant-Studien, 84 (1993))
  • Schultes Buch, das – zumindest in Deutschland – bahnbrechend im Prozeß der „Renaissance des Bösen“ wirkte, gab bestimmte Argumentationslinien vor, auf welche die nachfolgende philosophische Literatur immer wieder Bezug nahm und nimmt. [...] Schulte zeichnete zwei von Kant ausgehende Linien der Radikalisierung des Bösen – im Menschen lokalisiertes subjektives Böses (Kierkegaard) und objektives, mundanes Böses (Schelling, Baader), und er konfrontierte diese Übergangsströmungen des 19. Jahrhunderts mit vorhergehenden Ansätzen neuzeitlicher Theodizee bzw. mit der nachfolgenden nihilistischen Vernichtung des Bösen. Insbesondere Schultes Diagnose einer „Ab- und Entwertung“ des Bösen durch die neuen Wissenschaften Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Anthropologie, Ethologie, Kriminologie und seine Vorbehalte gegen die „empiristische, funktionale und technische Neutralisierung des Bösen“ war für die nachfolgenden Arbeiten von Belang, wenden diese sich doch ebenfalls gegen diese Kompensationen. (Olaf Briese, Philosophische Rundschau, 41 (1994))
  • Weitere Rezensionen: Bayerischer Rundfunk, 5.8.1989; ekz-Informationsdienst 10 (1989); Bibliographie de la philosophie, 37 (1990); Westdeutscher Rundfunk, 23.5.1991; Caritas, Nr. 8/9 (1992)